Auf Expansionskurs: Vanessa Obi übernimmt demnächst auch die Sakristei am Erwin-Schoettle-Platz. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Es ist ein Phänomen in der Gastronomie: Auch wenn der Vorgänger kein gutes Geschäft machte, steht trotzdem ein Nachfolger parat. Vanessa Obi übernimmt zum Beispiel die Sakristei. Und es gibt noch mehr erfolgreiche Wechsel.

Ein Friseur, ein Schneider und ein Gastronom hatten es an der Adresse zuletzt versucht. Sogar der Vermieter riet Vanessa Obi ab: Wenn es nach sechs Monaten nicht laufen sollte, hätte sie wieder ausziehen dürfen. Doch ihr kleines Lokal mit westafrikanischen Spezialitäten an der Böblinger Straße im Stuttgarter Süden kommt so gut an, dass sie jetzt expandiert. Demnächst gibt es ihren Kochbananen-Burger und Jollof-Rice auch in der Sakristei. Ihre Vorgänger hatten die Gaststätte mangels Wirtschaftlichkeit aufgegeben – und ziehen nun ins ehemalige El Cortijo. Das Kommen und Gehen in der Gastronomie lässt sich auch an anderen Stellen in der Stadt beobachten.

Der Zufall brachte sie ins Geschäft

„Keiner bleibt hier länger als zwei Jahre“, hatte der Vorgänger Vanessa Obi gewarnt. Ihr Imbiss ist von der Straße zurückgesetzt, das Haus alt, der Raum eng. Die 28-Jährige hat die kritische Phase längst und trotz Corona überstanden. „Es gibt kein anderes Restaurant mit westafrikanischer Küche in Stuttgart“, erklärt sie ihren Erfolg. Der Name Patacon, „Kochbanane“ auf Deutsch, wirkt auch auf Fans von und Menschen aus Südamerika anziehend. Vermutlich liegt es außerdem an der Chefin, die zufällig in dieses Geschäft schlitterte. Ursprünglich kam Vanessa Obi aus Kamerun nach Deutschland, doch ihr Abitur wurde nicht anerkannt. „Ich liebe es, zu kochen“, sagt sie, in ihrer Heimat sei sie als einzige Frau in der Familie für die Essenszubereitung zuständig gewesen.

Genau zwei Jahre hielten sich Lisa-Marie Gundling und ihr Team in der Sakristei. „Die Winter waren heavy“, sagt sie. Für Neugründungen gab es wenig Überbrückungshilfen. Und wenn kein Lockdown war, wollten sich trotzdem kaum Gäste in die 30 Quadratmeter große Kneipe setzen. Ihre Küche – Tacos aus Mexiko – sei zu aufwendig gewesen. Im früheren El Cortijo soll alles besser werden dank zahlreicher Sitzplätze und „der idiotensicheren Lage“ am Hans-im-Glück-Brunnen. „Wir haben mit der Gastro noch nicht abgeschlossen“, sagt Lisa-Marie Gundling. Aus Sicht ihrer Nachfolgerin bietet die Sakristei dagegen alles, was Vanessa Obi bislang fehlt: In der größeren Küche kann sie mehr Gerichte zubereiten, die Gäste haben mehr Platz, und sie macht nicht nur mit Essen Umsatz, sondern auch mit Getränken. „Ich bin mir sicher, dass es laufen wird“, sagt sie.

Die Pandemie sorgte für das Aus

Für Sevad Mehmedi war das Ende der Pandemie das Aus für ihr Lunchlokal Mahlzeit in der Silberburgstraße. „Meine Gäste sind im Homeoffice geblieben“, sagt sie. Um neue Kunden zu akquirieren, fehlte ihr die Energie, zumal Inflation, steigende Kosten und Wirtschaftskrise das Geschäft erschwerten. Einen weiteren Pachtvertrag über fünf Jahre wollte sie nicht unterschreiben. Maultaschengratin, Fleischküchle mit Kartoffelpüree und viele Pastagerichte standen zuletzt auf der Speisekarte. „Danke für das tolle Essen“, schrieb eine Kundin Ende Juni, „wir werden dich vermissen.“ Sevad Mehmedi arbeitet jetzt in einer Bäckerei und plant, in die Heimat ihrer Eltern auszuwandern. „Ich liebe es, zu kochen“, sagt sie, „aber für die Mühe verdient man zu wenig.“

Aus der Mahlzeit ist das Maison Banh Mi geworden, und Inhaber Hoang Bui ist über den Umzug von seinem Interimshop am Charlottenplatz in den Westen mehr als glücklich. Er verkauft doppelt so viele vietnamesische Sandwiches wie zuvor. Vor allem mittags sei viel los. Am Charlottenplatz kam mehr Laufkundschaft, jetzt sind es mehr Arbeitnehmer aus den umliegenden Büros und Bewohner. „Für uns ist es auf jeden Fall ein Upgrade“, sagt er, weil es Sitzplätze gibt und die Küche eine größere Speisekarte ermöglicht. Den Mietvertrag hat Hoang Bui gleich für mehrere Jahre unterschrieben.

Beim Le Tonneau noch auf der Suche

Dominique Gueydan ist für das Le Tonneau am Rosenbergplatz noch auf Pächtersuche. Elf Jahre lang hat er das Lokal geführt. Als er das Delikatessengeschäft La Petite France in der Eberhardstraße eröffnete, gab er es an eine Mitarbeiterin ab. Sie ging in der Pandemie pleite. „Es gibt viele Interessenten“, sagt er. Asiatische Küche, eine Pizzeria oder eine Kombination aus Snacks und Boutique planten die Bewerber unter anderem. Aber Dominique Gueydan ist unsicher, ob die Konzepte erfolgversprechend sind. „Wenn wieder Corona kommt, sollte ich es vielleicht selbst übernehmen“, fragt er sich – nicht als Restaurant, sondern als Laden für Wein und Käse. Dabei wollte er weniger arbeiten und langsam an die Rente denken. 

Veganes Essen an der Theo

Ausgerechnet auf Stuttgarts Partymeile eröffnete im September Heaven’s Kitchen. Den Spruch hat Geschäftsführerin Tanja Goldstein öfters gehört. „Dieses Konzept wird überall benötigt“, kontert sie. Heaven’s Kitchen befindet sich im ehemaligen Club Rohbau, der vor drei Jahren schloss. Die guten Zeiten der Theodor-Heuss-Straße seien vorbei, befand Betreiber Stefan Ostberg damals. Eine Handyklinik war dort zwischenzeitlich beheimatet, nun wurden die Räume durch das vegane Zero Waste Café für die Gastronomie wiederbelebt. In deren Keller steht eine Kompostieranlage zur Müllvermeidung. „Die Menschen suchen und finden uns“, sagt Tanja Goldstein. Am Donnerstag, 20. Oktober, wird sie erstmals abends öffnen – mit Cocktails und Cheesecake. Für die Geschäftsführerin ist die Location von Heaven’s Kitchen „das Tüpfelchen auf dem I“.