In der City werden die Stühle für die Gäste vorbereitet. Foto: Lichtgut//Leif Piechowski

Am Montag ist es nach mehr als acht Wochen soweit – die Gastronomien haben wieder geöffnet. In Restaurants, Biergärten und Cafés atmen die Gastronomen, denn die Gäste lassen nicht auf sich warten.

Stuttgart - Ein Päuschen im Café: was vor Corona selbstverständlich war, fühlte sich am Tag eins nach der Zwangspause komisch an. Bei strahlendem Sonnenschein genossen die ersten Passanten ihre wieder gewonnene Freiheit. Zum Aufakt gab es gleich doppelte ministerielle Unterstützung für die Gastronomen.

Heimisches als Appetithappen

Am Montagfrüh öffentlich einen Schoppen trinken? Auf so einen Pressetermin könne in normalen Zeiten wohl nur ein Beamter aus dem Finanzministerium kommen, sagte Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) am Montagmorgen bei einer Verkostung von drei badischen und drei württembergischen Weinen im Restaurant Paladion in Böblingen. Aber die Zeiten sind nicht normal und Minister Hauk als Teilhaber der landesweiten Kampagne „Schmeck den Süden“ sagte, „so einen Tag lasse ich mir für einen Restaurantbesuch nicht nehmen.“ Mehr als acht Wochen dauerte der Shutdown der Gastronomie, mit unermesslichem Schaden.

„Das war für uns eine gefühlte Ewigkeit. Ich bin heute so aufgeregt wie bei der Eröffnung meines ersten Lokals vor 40 Jahren“, so Wirt Thomas Heiling, Gruppenvorsitzender für Gastronomie bei der Dehoga. Heiling servierte Snacks mit Produkten aus Baden-Württemberg. Solche heimischen Produkte zu konsumieren, meinte Minister Hauk, könnte wegen der Krise zunehmen: „Unsere Hofläden spüren das schon. Die Leute besinnen sich wieder auf das Näherliegende.“ Der Minister lobte die Absicht von Grün-Schwarz einen weiteren Rettungsschirm mit mehr als 300 Millionen Euro für die Gastronomie im Land aufzuspannen und sah einen weiteren Hoffnungsschimmer: „Es wird bald Lockerungen für Familienfeiern bis zu 100 Personen geben – und die sind gut planbar.“ Widerspruch erntete Hauk mit der Bemerkung, dass Betriebe eine „Durststrecke von zwei bis drei Monaten“ eigentlich überstehen müssten.

„Das ist heute leider nicht mehr so. Die Betriebe haben nicht mehr so viel auf der hohen Kante“, entgegnete ihm Hermann Hohl, der Präsident des württembergischen Weinbauverbandes. Hohl sieht Gastronomen und Winzer im Südwesten in einem Boot, auch der Absatz der heimischen Weine habe durch die Schließung der Gaststätten gelitten.

Terrassen wieder geöffnet

Die Sonne hatte sich nicht lumpen lassen und zum Neustart der Gastronomie ihr Bestes gegeben. Mittags waren die Außenbereiche der Cafés und Restaurants in der Innenstadt bereits recht gut gefüllt. Innen jedoch herrschte meist Tristesse. Offensichtlich waren die Gäste vorsichtig – vielleicht auch, weil die Empfehlung, Plätze vorab zu reservieren, für Verwirrung sorgte. „Bei uns kann man spontan einen Kaffee trinken“, hieß es etwa in der Alten Kanzlei. Hier waren wieder beide Terrassen geöffnet. Allerdings mussten wie überall sonst auch die Gäste am Empfang warten und die Plätze wurden zugewiesen, denn so sieht es der Gesetzgeber vor.

Kontaktdaten auf ein Kärtchen

Auch auf der Terrasse von Carls Brauhaus standen keine „Reserviert“-Schilder. „Das würde keinen Sinn machen,“ sagte der Geschäftsführer Osman Madan. Wer sich setzen wollte, musste seine Kontaktdaten auf eine Karte schreiben, auch das ist Vorschrift. Das schien die Passanten nicht zu stören; im Außenbereich waren fast alle Tische belegt. Dennoch meinte Madan: „Wir sind froh, wenn wir dreißig Prozent der Gäste haben.“ Und es werde mindestens vier Wochen dauern, bis wieder eine gewisse Normalität eintrete.

Das neue Normal sieht in der Tat anders aus als vor Corona: Absperrbänder, Seile, Klebestreifen, Hinweistafeln. Überall in der City war der erste Eindruck: Die Gäste halten sich daran, dass höchstens zwei Haushalte an einem Tisch sitzen dürfen. Es waren am Tag eins weniger Geschäftsleute, sondern eher Stadtbummler, die das Stück wiedergewonnene Freiheit nutzen, quer durch alle Altersschichten.

Spaß am Leben lassen

Die Herren marschierten pünktlich vor – und auch gleich an die Tische. Birgit Grupp strahlte über eine derart erfreuliche Verbundenheit, musste dann aber doch kurz die Spielregeln erklären: Bitte erst mit Abstand und Maske anstehen, sich eintragen und an den Platz bringen lassen. „Das ist natürlich alles ein bisschen kompliziert“, sagte die Chefin vom Paulaner, aber daran werde man sich gewöhnen. „Ich freue mich jetzt einfach riesig, dass es wieder losgeht!“

In ihrem Biergarten am Postplatz gab zuvor Tourismusminister Guido Wolf den Startschuss für die Wiedereröffnung. „Ein befreiender Tag, ein Schritt zurück in die Normalität“, sagte der CDU-Minister über die Lockerungen. Er sei auch überzeugt, dass die neuen Maßnahmen greifen würden – die Abstände der Tische, die Maskenpflicht für Bedienungen und so weiter. „Die Infektionszahlen zeigen, dass die Menschen wissen, damit umzugehen.“

Optimistisch, dass die Gäste sich an die Regeln halten

Für Paulaner-Chefin Birgit Grupp bringt der nächste Schritt einfach nur Erleichterung. „Unsere Mitarbeiter sind auch froh, aus der Kurzarbeit rauszukommen“, sagte die Paulaner-Chefin, es sei aber auch wichtig, dass man den Leuten mal wieder den Spaß am Leben lasse. „Deshalb liest man bei uns auch nirgends das Wort Corona.“ Im Rahmen der offiziellen Eröffnung verwies auch Guido Wolf auf die Pflicht zur Vorsicht. 20 000 Plakate hat sein Ministerium drucken lassen mit dem Slogan: „Endlich wieder gemeinsam schmecken – Gib acht, damit das so bleibt.“ Nebenbei verkündete er noch einmal, dass es bei Plakaten und Worten nicht bleiben dürfe. Zur Öffnung gehöre auch ein weiteres Hilfspaket für die Gastronomie mit 3000 Euro für jedes Lokal und 2000 Euro für jeden festangestellten Mitarbeiter, die das Land finanziere. „Wir hatten gute Jahre“, sagt Wolf, „und für die Gastronomen war das jetzt eine harte Durststrecke.“