Hanne und Wolf Petzold hören nach 55 Jahren in der Gastronomie auf. Foto: Ingrid Sachsenmaier

Hanne und Wolf Petzold haben Gastro-Geschichte in Fellbach geschrieben. Jetzt hören sie altersbedingt am Jahresende in der Alten Kelter auf. Einen Nachfolger gibt es noch nicht.

Es ist das letzte Silvestermenü, das Hanne und Wolf Petzold in der Vinothek, dem Restaurant in der Alten Kelter in Fellbach, servieren. Sie hören auf. Nicht weil die Gäste ausbleiben – ganz im Gegenteil. Seitdem sie vor zwei Monaten ihren Abschied angekündigt haben, laufen ihnen die Gäste in der Untertürkheimer Straße 33 regelrecht die Bude ein, oft werden Tische sogar zweimal belegt. „Es fließen Tränen auf beiden Seiten, wir schwelgen in Erinnerungen“, sagt Hanne Petzold. „Viele Gäste sind uns zu Freunden geworden.“

 

Wirtsleute mit Leib und Seele

Hanne Petzold und ihr Mann Wolf haben in Fellbach Gastro-Geschichte geschrieben, 55 Jahre lang. „Wir sind Wirtsleute mit Leib und Seele.“ Es gebe Gäste, deren Konfirmation bei ihnen gefeiert wurde, dann die Hochzeit, Geburtstage und mittlerweile die Taufe der Enkel. „Wolf ist im Oktober 80 Jahre alt geworden, und ich bin 78“, erklärt Hanne Petzold. Sie ist in Fellbach aufgewachsen, ihr Großvater hat einst den Lindendhof im Lindle betrieben. Hanne und Wolf, er stammt aus dem Norden, haben sich 1966 in der Gastronomie kennengelernt. Sie haben damals beide im selben Betrieb in Franken gearbeitet. Wolf Petzold als gelernter Metzger und Koch in der Küche, Hanne im Service.

Sie hatte eigentlich eine Kaufmannslehre begonnen und „beim Aushelfen“ im Service im Schützenhaus auf dem Kappelberg gemerkt, dass ihr „der Umgang mit Gästen“ und die Gastronomie liegen. Daraus sind rund sechs Jahrzehnte geworden. Das Erste von ihnen gepachtete Lokal war die Weinstube Bacchus in Lindau, 1967/68. Durch eine Anzeige in der Zeitung waren sie darauf aufmerksam geworden. Schnell gab es viele Stammgäste. Gekocht wurde in einer sehr kleinen Küche, „ich habe ein Brett für die Wand gebastelt, damit wir die Messer aufhängen konnten.“ Wolf Petzold hat zwei geschickte Hände, das kam ihm oft zugute.

Die ersten Jahre des jungen Paares waren bewegt, unruhig, nicht nur wegen „der blöden Arbeitszeiten“. Wolf wollte auswandern, Hanne hierbleiben. Sie ermunterte ihn zu gehen, „er müsse das ausprobieren“, riet sie ihm. Er tat es – und beide wurden zu fleißigen Briefschreibern. Als dann die Pächter des Schützenhauses in Fellbach aufhörten, gaben sie nach eineinhalb Jahren Lindau auf. Von 1969 bis 1977 blieben sie auf dem Kappelberg, haben „viel investiert“ und „immer Neues ausprobiert“, neben dem normalen Restaurant-, Kaffee- und Kuchenbetrieb. Beide erinnern sich noch gut an die Zeit, als im Schützenhaus regelmäßig zu Livemusik getanzt wurde. Als es schwieriger wurde, Ensembles zu bekommen, haben sie umgesattelt auf Plattenspieler und Disco. Wolf Petzold hat aufgelegt. Logistisch war die Zeit im Schützenhaus eine Herausforderung, es fehlte zum Beispiel am richtigen Wasserdruck für die Spülmaschine und die Propangasflaschen waren schnell „leer gekocht“.

2014 übernahmen sie die Vinothek

Wieder war es eine Anzeige, die die Wege von Hanne und Wolf Petzold, mittlerweile Eltern von zwei 1972 und 1974 geborenen Kindern, gelenkt hat. Als das Haus in der Bahnhofstraße 33 in Fellbach, dort ist heute das Restaurant „Don Mateo“, zum Verkauf stand, griffen sie zu, kauften auch noch das Nebenhaus, nahmen kräftig Schulden auf und bauten das Eckhaus im Erdgeschoss zu einem Restaurant um. Sie haben es Wolfsangel genannt. Schnell war es weit über Fellbach hinaus bekannt. Es gab Themenwochen zu Österreich oder Schottland, dann war die Speisekarte in karierten Stoff eingebunden. Aufgrund der Krankheit ihres Sohnes wollten sich Petzolds verändern und haben die Wolfsangel 1990 aufgegeben. Das Schicksal hat ihnen vorgegriffen, sie blieben hier und in der Gastronomie, aber nicht lange im Angestelltenverhältnis. 1992 übernahmen sie die Weinstube Mack, dann die Weinstube Moiakäfer und 2014 die Vinothek, und überzeugten immer mit sehr guter, regional geprägter Küche und herzlichem, professionellem Service.

Der Beruf hat Spuren lassen

Bei Wolf Petzold hat der Beruf Spuren hinterlassen, mehrmals ist er an der Wirbelsäule operiert worden, aber dennoch immer am Herd gestanden. Seinen Rostbraten wird man in Fellbach schmerzlich vermissen und die herzliche Gastlichkeit seiner Frau und ihres langjährigen Serviceteams auch. Saure Nierle habe er am liebsten gekocht. Das Rindertatar war eine Spezialität, Maultaschen durften nie ausgehen. Legendär waren die Desserts. Die Speisekarte hätten sie immer gemeinsam besprochen, sagt Wolf Petzold, für den Service und die Deko war seine Frau zuständig. Jeden Morgen wurde eingekauft. „Der Abschied fällt uns schwer“, schreiben sie auf der Homepage der Vinothek. Einen Nachfolger gibt es – noch – nicht. „Wir schließen am 10. Januar einfach zu“, haben sie mit der Stadt Fellbach, sie ist Eigentümerin der historischen Immobilie, ausgemacht. Der offiziell letzte Öffnungstag ist Silvester, in den Folgetagen wird mit Stammgästen noch bis 10. Januar „aufgegessen, ausgetrunken und Ade gesagt“.