Zu Weihnachten hatte Karin Beck ihr „Podest“ dekoriert. Foto: K. Wesely

Die erweiterte Außengastro-Regeln bleiben zwar bis zum Jahresende bestehen, um die Gastwirte während der Pandemie zu unterstützen. Aber deren Straßenmöblierung darf nicht ausufern und muss den Charakter des Behelfsmäßigen behalten – ein Beispiel aus dem Stuttgarter Süden.

S-Süd - Vermutlich hätte die Lehen-Wirtin von sich aus nicht groß geklagt. Aber Stammgäste schlugen laut, als bekannt wurde, dass die Corona-Sitzterrasse des Lehen längs der Liststraße wieder abgebaut werden muss: Anweisung des Ordnungsamtes. Der Holzaufbau sei zu massiv, zu komplex, hieß es zur Begründung. Für Reinhardt Otter, Nachbar und Stammgast, ist das „komplett unverständlich“. Da ließen sich Gastronomen wie Beck etwas einfallen, um irgendwie durch die Krise zu kommen und den Gästen so viel Komfort wie möglich zu bieten, und dann werde deren Engagement mit kleinlichen Einwänden torpediert.

Dabei hatte die Stadt ihre Regeln ja in der Pandemie mit der Absicht gelockert und zuletzt sogar verlängert, dass Gastwirte in diesen Zeiten wirtschaftlich überleben können: Da sie nun wegen des Abstandsgebots weniger Tische bedienen konnten als sonst, sollten sie die Möglichkeit bekommen, ihre Bewirtungsflächen im Freien auszuweiten. Dafür durften nun auch Parkplätze an den Straßenrändern vor den Lokalen bestuhlt werden.

Wirte, die konnten, haben davon Gebrauch gemacht. Klapptische an der Hauswand, Bierkästen als Tresen, gezimmerte Sitzrampen – der Fantasie schienen keine Grenzen gesetzt. Mancher hat das mehr ausgereizt, als der Anwohnerschaft lieb war, weshalb es etwa in der Tübinger Straße auch Händel gab und beispielsweise das Galao seine Zeltstellage wieder abbauen musste. Lehen-Wirtin Karin Beck sagt, dass die Möglichkeit zur Ausweitung ihr im vergangenen Jahr sehr geholfen habe: „Ich hatte dadurch doppelt so viele Tische draußen wie vorher!“

Nun musste auch sie rückbauen, weil ihr Gastrobereich laut Ordnungsamt zu „komplex“ ist. Erlaubt sind lediglich Tische, Stühle und Blumen des Bewirtungsbereichs. Dabei hatte Beck es nur gut gemeint: „Das ist eigentlich gar kein Podest, das ist eigentlich bloß eine Art Höhenausgleich, weil die Straße so abschüssig ist.“ Sie habe viele ältere Stammgäste und habe es deshalb besonders stabil haben wollen. „Ich selber bin mit 61 Jahren auch nicht mehr die Jüngste und hätte lieber einen stabilen Untergrund gehabt, wenn ich draußen die Gäste bediene.“

Aber stabile Provisorien tendieren dazu, sich zu verstetigen. Und auch, wenn Beck über die Wintermonate eine freundliche Weihnachtsdeko auf ihrem brachliegenden Nicht-Podest arrangiert hatte – so bleibt dies letztlich ein Bretterverschlag, der alle minimalistisch veranlagten Stadtplaner ästhetisch erschaudern lässt. Nun ist wieder einmal Becks Einfallsreichtum gefordert. Dabei hat sie schon einen Mittagstisch mit Mehrweggeschirr und einen Lebensmittelverkauf im Lokal am Laufen, um durch diese miese Zeit zu kommen. Aber all ihr Engagement würde nicht fruchten, „hätte ich nicht so treue Gäste!“