Das Land will das Angebot an Ganztagsschulen ausbauen. Foto: dpa

Nur etwa 15 Prozent der Grundschulen in Baden-Württemberg sind Ganztagsschulen. Das soll sich ändern. Das Land greift dafür tief in die Taschen.

Nur etwa 15 Prozent der Grundschulen in Baden-Württemberg sind Ganztagsschulen. Das soll sich ändern. Grün-Rot forciert den Ganztagsbetrieb und greift dafür tief in die Taschen.

Stuttgart - Dem Handwerk geht der Ausbau der Ganztagsschulen im Land nicht schnell genug. Die Pläne eines Ganztagsbetriebs von sieben bis acht Zeitstunden an drei bis vier Tagen seien weder für Eltern noch für die Wirtschaft befriedigend. „Das ist Stückwerk und bleibt weit hinter dem im Koalitionsvertrag formulierten Anspruch zurück“, sagte Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle am Dienstag in Stuttgart. Familien bräuchten eine verlässliche Ganztagesbetreuung an fünf Tagen die Woche bis mindestens 17 Uhr. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach dagegen von einem „entscheidenden Durchbruch“ bei einem Thema, das Schwarz-Gelb Jahrzehnte lang schleifen lassen habe.

Ziel: Ganztagsbetrieb an 70 Prozent der Grundschulen bis zum Jahr 2023

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hatte am Dienstag den Gesetzentwurf der Öffentlichkeit vorgestellt, nach der bis 2023 insgesamt 70 Prozent der Grundschulen im Land Ganztagsschulen werden sollen. Das Land kalkuliert für den Ganztagsbetrieb an 70 Prozent der Grundschulen bis zu 158 Millionen Euro im Jahr ein. Dieser Wert soll schrittweise bis zum Jahr 2023 erreicht werden. Für Umbauten sind die zusätzlichen Mittel allerdings nicht gedacht.

Derzeit sind lediglich 14,8 Prozent der Grund- auch Ganztagsschulen. Das Kabinett gab am Dienstagmorgen den Entwurf der Schulgesetzänderung zur Anhörung frei, die den bisherigen Schulversuch auf gesetzliche Beine stellt. Sollte die Zahl der Anträge das jährliche Finanzkontingent überschreiten, werde es kein „Windhundprinzip“ geben, betonte Stoch. Es werde eine Rangfolge gebildet nach pädagogischem Konzept, regionaler Verteilung und Verbindung einer Grundschule mit einer bereits bestehenden weiterführenden Ganztagsschule.

Im kommenden Schuljahr, für das die Anträge bis zum 30. April vorliegen müssen, rechnet Stoch vor allem mit Umstellungen bereits bestehender Ganztagsschulen. Die große Welle erwarte er für das Schuljahr 2015/16. Er rechne damit, dass die Schulen vor allem die langen Öffnungszeiten - also vier Tag mit acht Zeitstunden - ausschöpfen. Schulen können entweder vollständig umstellen oder die Familien zwischen Halbtags- oder Ganztagsbetrieb wählen lassen.

Aus Sicht der Eltern könnte die Ganztagsschule problematisch werden, wenn sie vorher eine auch die Schulferien abdeckende Hortbetreuung bei der Kommune gebucht hatten. Darüber bleibe man mit den Kommunen im Gespräch, sagte Stoch. Er verwies darauf, dass die Städte und Gemeinden durch die Ganztagsschule von den Kosten für Horte entlastet würden. Auch die Zeiten vor der Schule sowie die verlässliche Grundschule lägen in der finanziellen Verantwortung der Kommunen.

Nicht nur Betreuung, sondern Unterricht, Übung und Förderung

Stoch und Kretschmann hoben hervor, die Ganztagsschule sei nicht einfach eine Halbtagsschule mit anschließender Nachmittagsbetreuung. Zum Konzept, das Schulträger und Schulkonferenz gemeinsam erarbeiten, gehört der Wechsel von Unterricht, Übung und Förderung sowie Bewegungsphasen. Dies komme sowohl schwächeren als auch leistungsstarken Kindern entgegen und sei ein Mittel, Bildungserfolg von sozialer Herkunft zu entkoppeln. Die Hausaufgaben sollen in der Schule erledigt werden.

Die FDP-Fraktion warf Stoch vor, die von Grün-Rot propagierte Wahlfreiheit der Eltern existiere nur auf dem Papier. „Die grün-rote Koalition hat ihren erklärten Favoriten: die verpflichtende Ganztagsschule für alle“, sagte Timm Kern. Nichts anderes meine Stoch, wenn er die Devise ausgebe, so viel Rhythmisierung wie möglich. Die sei eben nur in der verpflichtenden Form umsetzbar.