Die Teichwiesenschule (im Bild) und die Flattichschule sind vielleicht bald Ganztagsschulen. Die Mensa der Flattichschule wird dann nötiger denn je sein. Foto: Simon Granville

Die Schullandschaft in Korntal-Münchingen verändert sich. In den nächsten Jahren sollen die Grundschulen Ganztagsschulen werden. Die Stadt sieht nur diese eine Möglichkeit, um den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung zu erfüllen.

Grundschulen in Deutschland müssen vom Schuljahr 2026 an Kindern nach dem Unterricht einen Betreuungsplatz garantieren. Erst sind die Erstklässler dran, nach und nach kommen die anderen Klassenstufen an die Reihe.

 

Um die Ganztagsbetreuung zu gewährleisten, sind die Korntal-Münchinger Stadtverwaltung und der Gemeinderat der Ansicht, dass die Teichwiesenschule in Korntal (371 Schüler) und die Flattichschule in Münchingen (373 Schüler) Ganztagsschulen werden sollen. Denn: „Mit den prognostizierten Zahlen, wie viele Kinder den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Anspruch nehmen und dem Fachkräftemangel auf dem pädagogischen Arbeitsmarkt wird der Rechtsanspruch nicht im Hort- und Kernzeitsystem erfüllt werden können.“ Gegebenenfalls vier Fünftel der Schüler könnten bis 2030 eine Ganztagsbetreuung beanspruchen.

Kita- wie auch Hortplätze sind Mangelware

In der Stadt fehlen Kita- wie Hortplätze. In Korntal ist die Lage besonders schwierig. Der Betreuungsbedarf steigt „massiv“, die Schülerzahlen wachsen. Mangels Personals haben aktuell in der Teichwiesenschule Dritt- und Viertklässler keinen Hortplatz. Vorrang haben Erst- und Zweitklässler, deren Eltern den Betreuungsbedarf nachweisen müssen. Mittlerweile ist für die älteren Kinder eine Lösung gefunden: Sie können dank einer erweiterten Hausaufgabenbetreuung und AGs länger in der Schule sein. Das Angebot stemmen Personen, die keine pädagogischen Fachkräfte sind. Die Stadtverwaltung hatte „enorme Anstrengungen“ unternommen, um Fachpersonal zu bekommen. Vergebens. Und: „Eine Verbesserung dieser Situation ist nicht absehbar.“

Eine Ganztagsschule finden nicht alle Eltern gut. Die Befragungen für die Schulentwicklungsplanung der GMA, der Gesellschaft für Markt und Absatzforschung, im Juli 2023 zeigen: Das Hort-Kernzeitsystem ist wegen seiner Flexibilität „sehr beliebt“. In der Ganztagsschule indes besteht Schulpflicht: Die Kinder dürfen nicht einfach vor dem Ende gehen, um im Verein Sport zu treiben oder in der Musikschule ein Instrument zu lernen. Die Korntaler Eltern (30 Prozent) können sich die Betreuung ihrer Kinder in einer Ganztagsschule eher vorstellen als die Münchinger Eltern (17 Prozent), informiert Michaela Buchholz, im Rathaus zuständig für Bildung.

Ganztagsgrundschule kann jedes Kind besuchen

Nichtsdestotrotz, sie wie auch der Gemeinderat und die Schulen sehen viele Vorteile in der Ganztagsschule. Schlagworte wie „Bildungschancen“ und „Bildungsgerechtigkeit“ fallen. Melden Eltern ihre Kinder an, brauchen sie nicht nachweisen, dass sie arbeiten und daher Betreuung nötig ist. Ganztagsschule sei für alle Kinder offen und biete eine zuverlässige Betreuung. Die Kinder würden individuell gefördert und kämen fast „fertig“ heim, weil sie in der Schule auch Zeit für Hausaufgaben haben.

In der Teichwiesenschule gab es im Jahr 2017 schon Planungen für eine Ganztagsschule. Deshalb hat sie bereits ein Konzept. Es sieht den Ganztagsbetrieb in Wahlform vor: Die Eltern entscheiden jedes Schuljahr neu, ob ihr Kind bis 15.30 Uhr in der Schule bleibt oder früher geht. Die Schulleiterin Beate Fohrer will auf die verbindliche Form verzichten. „Wir sind nicht die einzige Grundschule in Korntal“, sagt sie mit Blick auf die Freie Evangelische Schule. Hier gehe es für sie auch ein Stück weit um Wettbewerbsfähigkeit. „Wir müssen die Bedarfe der Eltern berücksichtigen.“ Der Ganztag könnte in Korntal frühestens im Schuljahr 2026/27 starten.

Betreuung auf mehrere Schultern verteilen

Anders als beim Hort ist für eine Ganztagsschule außer der Kommune die Schule verantwortlich. Trotzdem, auch Ganztagsschulen brauchen ausreichend Personal. „Das halte ich für das größte Risiko“, meint die Fraktionschefin der Freien Wähler, Marianne Neuffer. Beate Fohrer (Teichwiesenschule) betonte, eine breite Aufstellung werde wichtig sein. Das sieht der Bürgermeister ähnlich. Die Betreuung müsse auf mehrere Schultern verteilt werden, sagt Alexander Noak (parteilos). „So hoffen wir auf mehr Stabilität.“ Im Hort dagegen breche alles zusammen, sobald jemand ausfalle.

Neben Lehr– und städtischem Personal setzen Ganztagsgrundschulen auf Jugendbegleiter und Kooperationspartner. Die Einbeziehung außerschulischer Partner – Vereine, Verbände, Institutionen – ist laut dem Kultusministerium ein wesentlicher Bestandteil des Ganztagsschulkonzepts.

Eine Grundschule mit inklusivem Bildungsangebot?

Die Flattichschule erarbeitet nun auch ein eigenes Konzept. „Wir sind eine andere Schule als die Teichwiesenschule und wollen das Kollegium mitnehmen“, begründet die Schulleiterin Claudia Winker dies. Die Erarbeitung eines gut durchdachten Konzepts dauere jedoch mindestens drei Jahre.

Laut der Stadtverwaltung könnte die Umsetzung von Ganztagsschulen in beiden Stadtteilen frühestens im Schuljahr 2028/29 passieren. Soll also die Teichwiesenschule beginnen? Der Fraktionschef der CDU, Oliver Nauth, hält nichts von einem „Korntal-Münchingen der zwei Geschwindigkeiten“. Es stelle sich die Frage, warum in Münchingen das Kind erst so richtig in den Brunnen fallen müsse wie in Korntal bereits geschehen. Doch auch wenn vieles noch unklar sei – „der Startschuss war überfällig“.

Albrecht Gaiser (Grüne) hofft, dass zumindest eine Grundschule auch ein inklusives Bildungsangebot entwickelt.