In „Voodoo Berlin“ ist der Ethnologe und Hauptkommissar Heiko Brandt wieder unterwegs. Foto: Sophia Jenkner

Das Autorenduo Peter Gallert und Jörg Reiter schickt den Ethnologen Heiko Brandt wieder auf Verbrecherjagd. Der zweite Fall „Voodoo Berlin“ ist noch besser geraten als die Premiere „Kopfjagd“.

Stuttgart - Alles wie gehabt, oder sogar ein bisschen schlimmer: Das Sonderdezernat für „Tötungsdelikte mit fremdkulturellen Hintergrund“ des Berliner Landeskriminalamtes, einst mit viel Vorschusslorbeeren eingerichtet und politisch gewollt, ist faktisch kalt gestellt. Der dissoziale Chef Heiko Brandt, Ethnologe und Hauptkommissar, ist mehr oder weniger abgetaucht. Seine einzige Mitarbeiterin, die Türkin Zehra Erbay, erfährt eher zufällig von ihrer Versetzung in die Mordkommission des LKA.

Dort gerät sie gleich in die erste Ermittlung. Ein ermordeter, grausam zugerichteter Dealer wird aufgefunden. Die Spuren deuten auf einen Ritualmord hin, und weil es Heiko Brandt gelingt, sich mit einem Trick (Erpressung) wieder ins Rennen zu bringen, ermittelt er dann doch gemeinsam mit seiner strebsamen und etwas neurotischen Kollegin Zehra Erbay. Die Spuren führen ins Umfeld der afrikanischen Community in Berlin, und wie der Titel bereits andeutet, in die Szene afrikanischer Voodoo-Priester.

Trostloses Elend moderner Flüchtlingsschicksale

So voodoo-schick wie in „Leben und sterben lassen“, dem ersten James Bond mit Roger Moore, geht es im Berliner Kiez allerdings nicht zu. Erbay und Brandt tingeln durch Afro-Shops und Asylunterkünfte und erfahren das ganze Elend moderner Flüchtlingsschicksale. Peter Gallert und Jörg Reiter haben „Voodoo Berlin“ angefüllt mit fast allem, was es am modernen Afrika und dem Umgang der entwickelten Welt mit dem schwarzen Kontinent zu kritisieren gibt, darunter die Genitalverstümmelung bei Frauen, pervers-beschönigend Mädchenbeschneidung genannt, die Korruption kleiner afrikanischer Provinzgouverneure, die brutale Raffsucht global agierender Konzerne und Flüchtlingsschlepper, sowie deutsche Ignoranz und Alltagsrassismus.

Dass daraus kein Krimi voller Klischees und Plattitüden geworden ist, liegt am Autorenduo, dass bereits mitBrandts erstem Fall „Kopfjagd“ einen eigenen Rhythmus und eine Tonalität entwickelt hat, die gekonnt zwischen nüchterner Schilderung und dramatischer Zuspitzung wechselt. „Voodoo Berlin“ ist ein moderner, schnörkelloser Berlin-Thriller, der das bittere Ende hat, das er verdient.

Gallert/Reiter: Voodoo Berlin. Kriminalroman. Emons Verlag Köln 2019. 325 Seiten, 14,95 Euro. Auch als E-Book erhältlich.

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