Klaus Gerrit Friese ist Leiter des Zentralarchivs des internationalen Kunsthandels Foto: Frank Kleinbach

Seit 1993 ist Klaus Gerrit Friese in Spitzenpositionen der Kunst aktiv. Im Aus für den Landesverband der Galerien in Baden-Württemberg sieht er auch eine Aufforderung, die Kunstbranche neu zu denken.

Stuttgart - Wie berichtet, hat der Landesverband Galerien in Baden-Württemberg die Auflösung des 1995 gegründeten Landesverbandes beschlossen. Ziel ist die stärkere Verschmelzung der kulturpolitischen Arbeit auf Landes- und Bundesebene, sowie die Bildung einer starken Interessensgemeinschaft mit Sitz in Berlin. Ein richtiger Schritt? Und wie geht es den Galerien in Deutschland überhaupt? Antworten gibt Klaus Gerrit Friese, Galerist in Berlin, sieben Jahre Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Galerien und aktuell Leiter des Zentralarchivs des internationalen Kunsthandels.

Herr Friese, der Landesverband Galerien in Baden-Württemberg löst sich auf. Überrascht Sie das?

Die Gründung der Landesverbände waren immer Ausdruck eines inneren Verschleißes der Galeristen. So unnötig in der Sache wie in der Ausrichtung zunächst gegen den Bundesverband gedacht, haben sie wenig bewirkt, warum auch. Das alles hätte man im Bundesverband regeln können, aber wenn es eine Lehre gibt: es ist ja nie zu spät, gemeinsam aufzutreten.

„Der Wegfall der ermäßigten Mehrwertsteuer, die hohen Abgaben an die Künstlersozialkasse sowie das Kulturgutschutzgesetz hatten die Galerienszene in jüngerer Zeit maßgeblich geschwächt“, ist die zentrale Begründung. Sie haben viele Jahre als Vorsitzender des Bundesverbandes für die neun oder gar sieben Prozent gekämpft. Wie sehen Sie die aktuelle Lage?

Der Wegfall der ermäßigten Mehrwertsteuer ist natürlich ein wichtiger Baustein in der strukturellen Schwäche der deutschen Galerieszene. Aber wir haben in Monika Grütters eine Kulturstaatsministerin, die angedeutet hat, dass sie im Sinn der bildenden Kunst tätig werden möchte. Und hier müssen wir alle sie unterstützen – damit dem Projekt auch Erfolg beschieden wird.

Film- und Buchbranhe sind besser organisiert

Der Bundesverband schien indes zuletzt auch nicht das schlagkräftigste Bündnis. Warum gelingt es eigentlich ausgerechnet Ihrer Branche, der man doch so viele Verbindungen „nach ganz oben“ zuschreibt, nicht, die doch für die Branche unerlässlichen Rahmenbedingungen zu schaffen?

Die Filmwirtschaft zum Beispiel ist viel besser nach oben organisiert. Ein großes Problem liegt in der mangelnden Selbstorganisation der Branche. Jeder nennt sich Individualist und viele wehren sich auf allen Vieren dagegen, Mitglied eines Verbandes zu werden. So konnten wir ganz anders etwa als der Börsenverein des Deutschen Buchhandels nie glaubwürdig die ganze Branche vertreten. Das hat der Sache substantiell geschadet, weil jeder fragend sagen konnte: Wen vertretet ihr eigentlich. Da musste man oft passen.

Grundsätzlicher Argwohn gegen das „Händlerische“

Das nächste Stichwort nach der Raubkunst-Debatte heißt Dekolonialisierung. Der politische Zeitgeist weht kräftig gegen den Kunsthandel insgesamt – oder täuscht mein Eindruck?

Nun ja, der politische Zeitgeist wie Sie so schön sagen war nie für das Händlerische. Das ist eine Uralttradition im deutschen Denken. Die man hinnehmen muss, um gegen sie anzugehen. Mit wenig Aussicht aber auf Erfolg.

Durch die Steuerlast sind die Galerien für Gegenwartskunst mitten im Strudel. Der Internethandel wird ungeachtet anfänglicher Niederlagen neue Anläufe unternehmen, die globalen Messemonopole lassen Franchise-Systeme entstehen. Wie viel Prozent der Galerien für Gegenwartskunst sehen Sie in fünf Jahren noch aktiv?

Die Summe der leidenschaftlich Kunst Vermittelnden wird immer gleich bleiben. Selbstausbeutung gehörte seit je dazu. Und die Pflanze Kunst gedeiht eben oft unter eher schwierigen Bedingungen, das ist auch richtig so. Aber die Kraft dieser Bewegung, die Sie skizzieren, ist nicht zu unterschätzen und wird natürlich wie in allen anderen Bereichen Entscheidendes verändern.

Und was wird im Strudel all dieser Herausforderungen die Aufgabe der Galerien sein?

Mit dieser Frage beschäftigen wir uns alle. Und eine verbindliche Antwort ist schwer. Für meine Galerie habe ich zwei Punkte gefunden, die mir zentral zu sein scheinen: Verabschieden wir uns von der Entgegensetzung Handel versus Galerie. Beides ist gleich gut und richtig. Und meine Formel 60 /120 heißt: Die Galerie und Edition besteht bald 60 Jahre und stellt einen Zeitraum von nahezu 120 Jahren aus. Das heißt Kenntnis, museale Repräsentation und Kontextherstellung künstlerischer Positionen. Das wird lange wichtig bleiben.

Klaus Gerrit Friese – Zur Person

1958 in Wertheim geboren, studiert er in Berlin Philosophie.

1993 übernimmt er, in Stuttgart für die Galerie und Edition Manus Presse tätig, die Leitung des Bundesverbandes Deutscher Kunstverleger.

2007 wird er Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Galerien (bis 2013), 2008 führt er das Unternehmen Galerie und Edition Manus Presse unter eigenem Namen weiter. Zunächst in Stuttgart, seit 2014 in Berlin. Seit 2014 ist er Vorsitzender des Zentralarchivs des internationalen Kunsthandels (Zadik). Mehr unter: www.galeriefriese.de.

Warum sich der Landesverband der Galerien auflöst

Wie von unserer Zeitung berichtet, hat der Landesverband Galerien in Baden-Württemberg die Auflösung des 1995 gegründeten Landesverbandes beschlossen. Gemeinsam mit den Vorstandsmitgliedern Rita Burster und Berni Fetzer wird der Stuttgarter Galerist Michael Sturm als bisheriger Landesverbandsvorsitzender „die Interessen der baden-württembergischen Galerien im Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler und gegenüber der Landespolitik vertreten“.

Ziel ist die stärkere Verschmelzung der kulturpolitischen Arbeit auf Landes- und Bundesebene, sowie die Bildung einer starken Interessensgemeinschaft mit Sitz in Berlin. Besonders beschäftigt hat Sturm in den vergangenen Jahren „der Einsatz für eine faire wirtschaftliche Situation und strukturelle Verbesserung des Kunsthandels“. Gekämpft hatte man vor allem gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent. „Der Wegfall der ermäßigten Mehrwertsteuer, die hohen Abgaben an die Künstlersozialkasse sowie das Kulturgutschutzgesetz hatten“, heißt es jetzt denn auch, „die Galerienszene in jüngerer Zeit maßgeblich geschwächt“.

Wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen sieht Michael Sturm „prekäre Rahmenbedingungen für Galeristinnen und Galeristen sowie Kunsthändlerinnen und Kunsthändler in ganz Deutschland“. Nun also der direkte Schulterschluss der Galerien im Land mit dem Bundesverband. Der Hinweis, der „Wegfall des Verbandsbeitrags“ „entlastet finanziell“ deutet die Dramatik der Lage vieler Galerien an.