2009 für den Mies van der Rohe Award nominiert: Stuttgarter Villa "Haus am oberen Berg" von Alexander Brenner Foto: Zooey Braun

Die Galerie Parrotta gibt Einblick in die Arbeit des Stuttgarter Architekten Alexander Brenner.

Stuttgart - Meist und gerade in jüngerer Zeit bleiben Stuttgarts Architekten vor Ort in Deckung. Dabei wartet mit dem städtebaulichen Aspekt des Verkehrsprojektes Stuttgart 21 die Herausforderung, die Ideale eines Null-Emissions-Stadtviertels zu realisieren. Buchstäblich ins Licht rückt nun Alexander Brenner.

 

Die Chance liegt in der Stadtmitte. In einem Gebäude, das Kraftzentrum eines Kulturquartiers ist, das von der Staatsgalerie an der Adenauer-Straße über die Musikhochschule, die Landes- und die Stadtbibliothek, das Institut für Auslandsbeziehungen am Charlottenplatz, das Landesmuseum im alten Schloss, das Kunstmuseum, das Friedrichsbau-Varieté, die Innenstadt-Kinos in der Bolzstraße bis hinüber zu den Staatstheater-Spielstätten Opernhaus und Schauspielhaus reicht.

Themen liegen seit Jahren brach

Das Kunstgebäude am Schlossplatz ist die Chance. Die Chance, in Stuttgart endlich die längst überfällige Ausstellungshalle für Kunst, Architektur und Gestaltung zu realisieren. Die Chance, im direkten Dialog mit dem inzwischen auf den Vierecksaal des Kunstgebäude-Anbaus konzentrierten Württembergischen Kunstverein sowie weiterführend mit der Architektenkammer, dem Bund Deutscher Architekten und dem Verein Architects Engineering Design die Präsentation durch Diskurse zu vertiefen.

Die Themen liegen seit Jahren brach: Stadt am Fluss, Hanglagen-Bebauung, Smart City, Rosensteinviertel, Engineering Design und viele mehr. Welche Faszination hier weitgehend ungenutzt bleibt, zeigt aktuell die Ausstellung zum Schaffen des Stuttgarter Architekten Alexander Brenner in der Stuttgarter Privatgalerie Sandro Parrotta. 2008 hat Brenner die Galerieräume in der Augustenstraße 87 gestaltet, nun sind sie Bühne für eine Feier eines Haustyps, der inmitten der Townhouse-Scheinwelt zwar fremd, aber doch zugleich eigentümlich authentisch wirkt: die Villa.

"Innerhalb eines einzigen Jahrzehnts", schreibt Gottfried Knapp, Architekturkritiker der "Süddeutschen Zeitung" in dem neu erschienenen Dokumentationsband "Alexander Brenner - Houses 1990-2010", "hat Brenner eine Serie von individuell auf die stadträumliche Situation und die Bedürfnisse der Bewohner reagierenden Wohnbauten geschaffen, die in ihrer Formensprache, aber auch in ihrer innenarchitektonischen Sinnfälligkeit ohne Beispiel sein dürften."

Villen als dreidimensionale Kunstwerke

"Brenners Villen", schreibt Knapp weiter, "kann man als dreidimensionale Kunstwerke, als bis ins kleinste Detail durchmodellierte Wohnskulpturen deuten und erleben. Sie geben sich nach außen mit den graphisch effektvoll eingesetzten Horizontalen und Vertikalen ihrer Architekturglieder und Fensterbänder, mit den weit ausladenden, schattenspendenden Vordächern, mit den individuell in den Raum vorstoßenden, kubisch wirksamen weißen Wänden und den großflächigen Glasfassaden als plastisch-geometrische Skulpturen, die dem organisch durchgestalteten Garten- und Freiraum kraftvoll entgegentreten."

Und weiter: "Ganz einzigartig aber ist die gestalterische Logik, mit der Brenner den Kubismus der Außenformen ins Innere hineinwirken lässt und auf die Einbauten in den Wohnräumen, den Küchen und den Bädern überträgt. In einer verblüffenden Selbstverständlichkeit sind nicht nur sämtliche Möbel in den Häusern, sondern auch alle sonstigen Gegenstände des Alltags in die stereometrische Ordnung des fein rhythmisierten Raumkontinuums eingepasst." Spätestens Knapps Fazit könnte auch kulturpolitisch und städtebaupolitisch Verantwortliche aufhorchen lassen: "Wenn es also", so Knapp, "in der Geschichte der neueren Architektur, wie oft zitiert wird, jemals etwas wie einen Stuttgarter Stil gegeben hat, dann hat dieser Stil in den Wohnbauten Brenners eine neue, funktional höchst subtile Erfüllung erreicht."

Eine Hommage an die Villa

Knapp summiert ist die Botschaft, die Alexander Brenner sendet und Gottfried Knapp transportiert: Wohnen ist auch eine Kunst. Und Architektur, so möchte man hinzufügen, ist gerade bei skulpturaler Qualität ein Anlass eigener Bildfeiern. Versteckt, aber leicht zu finden, ist ein Thema hinter dieser Ausstellung die Frage, wie Architektur heute ins Bild gesetzt wird, wie sich Architektur in der Fotografie verselbständigt oder wie umgekehrt Fotografie zu einer Akzeptanz bestimmter Architektursprachen führen. Brenners Hauptwerk, das international geehrte "Haus am oberen Berg", ist so noch ein Haus, ist aber zugleich eine Hommage an die Villa, ist eine geometrische Skulptur, die sowohl ein Ganzes wie auch ein Vielfaches ist.

So leicht wie kurzsichtig wäre es, Brenners Arbeiten auf das nur Schöne zu verkürzen. Das in Stuttgart so sensible wie gern verdängte Thema Hanglagen lauert ebenso hinter dem gleißenden Weiß wie man in Brenners Bauten auch die Bestätigung für die Mühen der Architektenkammer und des BDA sehen kann, dem Bauen im Bestand mehr Beachtung zu geben, gerade auch das Thema Anbau als formal herausragend und entsprechend bedeutsam aufzufassen. Kollegen, gerade auch in Stuttgart, mögen feinere Linien ziehen, radikalere Materialdialoge suchen. Alexander Brenner aber wagt etwas, das mitreißt und auch ein Forum für Kunst, Architektur und Gestaltung im Kunstgebäude am Schlossplatz als Ausgangspunkt des Weiterdenkens näher rücken lässt. Brenner feiert das Bauen, feiert die Architektur, übernimmt (bis hinein in das Begleitbuch "Houses") bildnerisch wie konkret das Wort, provoziert Rede und Gegenrede. Stuttgart kann sich über diese Wortmeldung nur freuen.