Das Gewirr auf Hörls Gemälden lässt an Pflanzen denken und steht zugleich für das Lebensgefühl des 21. Jahrhunderts, das von Überforderung und Chaos geprägt ist. Foto: Sabine Schwieder

Der Konzeptkünstler Ottmar Hörl, bekannt für seine Multiples mit Tieren aus Kunststoff, beschreibt mit seinen Acryl-Bildern das Lebensgefühl der Gegenwart.

Möhringen - Für Ottmar Hörl ist ein Wolf nicht nur ein Wolf, und die Abbildung eines Pflanzengewirrs bedeutet nicht einfach, die Natur darzustellen. Dem Konzeptkünstler geht es immer auch darum, mit seinen Objekten und Gemälden eine Zustandsbeschreibung der gegenwärtigen Gesellschaft zu liefern. Die Galerie Abtart zeigt bis zum 15. Juni „Malerei & Fotokonzepte“ Hörls, der in Möhringen bislang eher für seine Multiples von Tieren aus Kunststoff bekannt war. Bis zum vergangenen Jahr war der Professor ein bei den Studenten sehr beliebter Präsident der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Er lebt und arbeitet in Frankfurt/Main, Nürnberg und Wertheim.

Undurchdringlicher Urwald

Aus der Ferne wirkt das Plakat im Fenster der Galerie wie eine grüne Fläche mit weißer Schrift. Nähert man sich jedoch dem Gebäude, ist ein Gewirr von grünen, schwarzen und braunen Farben zu erkennen. Das Bild zeigt einen undurchdringlichen Urwald, der Fantasie entsprungen und zugleich real. Wie bei Hörls Multiples auch erwartet die Besucher der Abtart eine Serie. Die Gemälde ähneln einander auf den ersten Blick und vermitteln doch jedes für sich eine ganz eigene Atmosphäre. Ihre Strukturen und bewegten Linien umfließen einander wie Schlingpflanzen. In ihrer Vielschichtigkeit und Bildtiefe verlocken sie die Betrachter, sie zu berühren. Ergänzt sind die Bilder, die Titel wie „Naturschauspiel“ tragen, von Fotografien, die sich in Farbstrudeln auflösen. Bei Hörl ist die Kamera nie statisch, sondern immer in Bewegung. Und mitten in all diesem Grün und Braun der Gemälde findet sich gelegentlich ein faszinierendes Rot, vermitteln hellere Partien den Eindruck von einfallendem Licht. Nicht im Sinne von freundlich oder sonnig: Die Energie und Dynamik dieser Bilder wirkt faszinierend wirr und Ruhe ausstrahlend zugleich.

Die Arbeitsweise ist kraftraubend: Ottmar Hörl malt mit flüssigen Acrylfarben, die in kurzer Zeit trocknen. Mit beiden Händen, nur geschützt durch Haushaltshandschuhe, bearbeitet der Künstler die Leinwand, um schließlich aus einer Vielzahl an Arbeiten auszuwählen, was er zeigen will. Wie seine Figuren aus Kunststoff dienen diese Bilder in erster Linie als Impulsgeber, über gesellschaftliche Phänomene nachzudenken.

Chaos durch Informationsflut

In der Natur, deren innere Strukturen sich nicht immer nachvollziehen lassen, sieht Ottmar Hörl eine Analogie zur Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Die Informationsflut, die Vielfalt der Medien haben seiner Meinung nach Chaos entstehen lassen. Waren in früheren Zeiten die Konflikte eindeutig, Gut und Böse klar zu definieren, vermischt sich mittlerweile vieles. „Reflektierte Menschen können damit umgehen“, sagt Hörl. Andere geben dem Wunsch nach, wieder eine Systematik herzustellen – und sprechen von „Recht und Ordnung“. „Das ist gefährlich“, sagt Hörl, „wir müssen lernen, mit der Wirklichkeit umzugehen.“ Das Chaos und die Unendlichkeit der Informationen, die auf die Menschen einströmen, müssen seiner Meinung nach akzeptiert werden. Sich selbst unter chaotischen Umständen vernünftig zu verhalten, das ist – grob zusammengefasst – die Botschaft des Konzeptkünstlers. „Wir sollten nicht alles so wichtig nehmen, was auf uns herein prasselt, und ruhig bleiben“, rät Hörl. „Klarheit wird es nicht mehr geben.“

Seine im Moment entstandenen grünen und roten Pflanzenbilder und die sich im Kreis drehenden Fotografien, sind für ihn ein Abbild dieser Welt: unruhig, unüberschaubar und dennoch nicht bedrohlich. „Ich persönlich fühle mich wohl in diesem Chaos“, bekräftigt der Künstler.