Die Wahrzeichen von Gaisburg: die Kirche von Martin Elsässer und der Gaskessel. Foto: StZ

Vor 100 Jahren ist die Gaisburger Kirche gebaut worden. In ihr hat sich ein reges Gemeindeleben entwickelt.

Gaisburg - An diesem Wochenende beginnen die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen der Gaisburger Kirche. Vor einem Jahrhundert wurde die über die Region hinaus bekannte Kirche eingeweiht, die Gemeinde hat seitdem ein Auf und Ab erlebt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten in Gaisburg etwas mehr als 4000 evangelische Christen, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren es gerade noch rund 1500. Bis zum Jahre 1972 stieg ihre Zahl wieder auf mehr als 4500 an – und heute sind es noch gut 1500. Doch die Geschichte der Gaisburger Kirchengemeinde bloß als Aufstieg und Niedergang zu verstehen, das griffe dann doch zu kurz. Das belegt eindrücklich die ausführliche Untersuchung des Gaisburger Historikers Elmar Blessing, die anlässlich des Kirchenjubiläums vorgestellt wird.

1901, im Jahr der Eingemeindung Gaisburgs nach Stuttgart, drängten sich die hiesigen Gläubigen in einem Kirchlein, dessen Wurzeln ins 14. Jahrhundert zurückreichten. Es bot gerade einmal 384 Menschen einen Sitzplatz und war, so der damalige Pfarrer, „klein, alt und ärmlich“. Außerdem lag ein viel besuchtes Wirtshaus, das auch noch einen Tanzsaal hatte, in unmittelbarer Nähe des Gemäuers – und die Feiernden störten nicht selten mit ihrem Lärm den Gottesdienst empfindlich. Nicht leicht hatte es die Kirche auch noch aus einem anderen Grunde: Die vielen zugezogenen Arbeiter bildeten in dem Dorf das proletarische Element, das den Kirchen meist ablehnend gegenüberstand.

Jedenfalls entschloss sich die Kirchengemeinde 1910 zu einem Neubau. Den Architektenwettbewerb entschied der erst 37-jährige Martin Elsässer (1884-1957) für sich, ein später berühmter Baumeister, der fast gleichzeitig das Wagenburg-Gymnasium und die Stuttgarter Markthalle entwarf. Er schuf bis 1913 eine Kirche, die den Anspruch der Bauherren auf Achtung und Geltung nach außen unterstrich, und einen heiteren, fast ovalen Innenraum mit reizvollen Details. Neobarocke Anklänge und Jugendstilelemente prägen die Kirche, die als eine der schönsten weithin gelten darf.

Kirchenmusik seit 1903

Doch was nützt der beste Sakralbau, wenn in ihm kein kirchliches Leben pulsiert. Charaktervolle Pfarrerinnen und Pfarrer haben in Gaisburg gewirkt, so Albert Esenwein, den die Nazis nach 20-jähriger Tätigkeit aus dem Amt drängten, weil er sich weigerte, den Trauerzug eines getöteten SA-Mannes vom Geläut der Kirchenglocken begleiten zu lassen – eine Geschichte übrigens, die der Blessingsche Band erstmals aufrollt.

Engagierte Laien waren in Gaisburg zu Gange, etwa der Oberlehrer Louis Friedrich Gotthilf Herrigel, der in den Anfangsjahren der neuen Kirche unter anderem den Kirchengemeinderat prägte, für den CVJM wirkte und das Ferienwaldheim Frauenkopf leitete. Sein Name steht stellvertretend für die zahllosen ehrenamtlichen Frauen und Männer, die bis heute das Gemeindeleben mitgestalten. Ganz unterschiedliche und keineswegs konfliktlose Ansätze verfolgte im verflossenen Jahrhundert die konfessionelle Jugendarbeit auch in Gaisburg, durchaus dem Zeitgeist verhaftet, mal näher an der Gemeinde, mal weiter von ihr entfernt.

Früh hatte die Kirchenmusik einen festen Platz in der Gaisburger Kirche. Die Frauen und Männer des Kirchenchors bereicherten seit dem Jahre 1903 den Gottesdienst; 2000 ging er in einem gemeinsamen Chor der Ostgemeinden auf. Die Wurzeln des Posaunenchors, jetzt als Distriktchor organisiert, reichen bis ins Jahr 1901 zurück. Und die Orgelkonzerte in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts sind vielen in bester Erinnerung.

Das Festprogramm in Gaisburg

Die Festveranstaltungen zum Jubiläum der Gaisburger Kirche beginnen morgen, Samstag, 6. Juli, um 15 Uhr mit einer vom Kulturtreff Stuttgart-Ost veranstalteten Kirchenführung mit dem Kunsthistoriker Bernd Langner aus Tübingen.

Der erste Höhepunkt der Jubiläumsfeiern ist der Sonntag, 7. Juli. Der Festgottesdienst um 11 Uhr wird unter anderem von den Kindergärten im Stadtteil mitgestaltet. Nach dem Gottesdienst werden Carl Herzog von Württemberg, Bezirksvorsteher Martin Körner und Pfarrerin Monika Renninger als Stellvertreterin des Stadtdekans Grußworte sprechen. Nach dem Gottesdienst wird die Festschrift von Elmar Blessing mit dem Titel „Rund um den Kirchturm – 100 Jahre evangelisches Gemeindeleben in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Stuttgart-Gaisburg von 1913 – 2013“ vorgestellt. Außerdem wird die Ausstellung 100 Jahre Konfirmation mit Fotos aus fast 100 Jahrgängen eröffnet.

Am Sonntag um 12 Uhr beginnt das große Gemeindefest auf dem neu gestalteten Platz bei der Kirche. Für Musik sorgt DaimlerJazzLab, das Kinder- und Jugendprogramm wird unter anderem von der Mobilen Jugendarbeit Ost organisiert, für Speisen und Getränke ist gesorgt – und das Wetter soll nach den bisherigen Vorhersagen prächtig werden.

Am Dienstag, 9. Juli, um 20 Uhr erklärt Ulrike Barth „Die Fresken von Käte Schaller-Härlin“, so der Titel ihres Vortrags.

Für Mittwoch, 10. Juli, ebenfalls 20 Uhr, lädt die Martin Elsässer Stiftung zu einem Abend zur Kirchenarchitektur Martin Elsässers in der Gaisburger Kirche ein. Konrad Elsässer wird „zu theologischen Überlegungen und dem pastoraltheologischen Konzept in der Architektur Martin Elässers“ sprechen.

Am Donnerstag, 11. Juli, 20 Uhr, stehen ein Konzert und ein Vortrag zum Orgelrenovierungsprojekt auf dem Programm.