Von der Ausdünnung der Böschungen an der Gäubahn soll unter anderem der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling profitieren. Foto: www.mauritius-images.com

Ab November sollen die Böschungen an zwei Stellen entlang der Gäubahn im Dachswald gelichtet werden. Der Radikalschnitt ist im Artenschutzkonzept vorgesehen und kommt Pflanzen und Tieren zugute.

Vaihingen - Zwei Bereiche neben den Gleisen der Gäubahn hin zum Dachswaldweg hat das Amt für Umweltschutz als schützenswerte Lebensräume ausgemacht. Dort wächst unter anderem der Backenklee, es ist der einzige Standort in Stuttgart, an dem die Pflanze vorkommt. Auch die Bergkronwicke, verschiedene Alant-Arten, der Wiesenknopf, die Zypressenwolfsmilch, Dost und Arten der Halbtrockenrasen, zählt Amtsleiter Hans-Wolf Zirkwitz auf, wachsen dort. „Außerdem gibt es seltene Insektenvorkommen mit dem Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling, weiteren seltenen Bläulingen, Widderchen, diversen Wildbienen, seltenen Heuschrecken und zudem seltene Schneckenarten.“

Beide Flächen sind im Artenschutzkonzept der Stadt aufgelistet. „Die eine liegt nach dem östlichen Bahndurchlass beim Knappenweg/Dachswaldweg bis etwa zur Einmündung in die Pfeilstraße, die andere am westlichen Durchlass, etwa auf Höhe der Hausnummer Dachswaldweg 46 an dem nach Süden weiterführenden Feldweg“, sagt Zirkwitz. Beide Bereiche nennt die Stadt „Top-E-Flächen“, sie haben Priorität im 364 Seiten umfassenden Konzept. Sie werden als Pilotflächen behandelt. Dort werden die ersten Pflegemaßnahmen zur Aufwertung von Lebensräumen umgesetzt.

Bereits im nächsten Jahr sollen Tiere und Pflanzen profitieren

Im Dachswald sollen die Bäume und Sträucher ab November entfernt werden, erläutert Zirkwitz. Bis Februar sollen die Böschungen gelichtet sein, dann sind noch mehrere weitergehende Pflegemaßnahmen geplant, „vorläufig bis 2021“, sagt Zirkwitz. Der Beginn der Arbeiten werde vorab bekannt gegeben. „Wir planen die Vorstellung der Maßnahme im Bezirksbeirat Vaihingen, mit Einladung des Bezirksbeirats Süd, Pressemitteilungen mit mehr Informationen sowie temporäre Informationsschilder auf den Flächen und Aushänge in den Bezirksämtern“, sagt der Amtsleiter.

Die Ausdünnung der Vegetation kommt all den genannten „zu fördernden Arten“, wie Zirkwitz sie beschreibt, zugute. Und das sogar schon bald: Ihnen „helfen die geplanten Maßnahmen schon im nächsten Jahr durch die Freistellungen, verminderte Beschattung, erhöhte Besonnung und vergrößerte Entwicklungsmöglichkeiten“ sich zu entfalten. Neue Arten wird es zwar so schnell nicht geben, aber: „Mittel- bis langfristig ist durch die Bereitstellung eines größeren Lebensraums aber durchaus mit der Ansiedlung weiterer Arten, zum Beispiel gefährdeter Insekten, zu rechnen“, sagt Zirkwitz.

Etwa 200 Tier- und Pflanzenarten sind im Konzept aufgelistet

Wie viele Bäume genau gefällt werden, kann das Amt für Umweltschutz noch nicht abschätzen. Auch zu den Kosten lassen sich noch keine Angaben machen. „Die Kernflächen sind noch in der Ausschreibung, die Erweiterungsflächen in der Vergabe“, sagt Zirkwitz.

Das Artenschutzkonzept soll als Leitfaden für den Umwelt- und Naturschutz in Stuttgart dienen und dem Artensterben entgegenwirken. Einige Tier- und Pflanzenarten, die es früher in der Stadt gegeben habe, seien bereits verschwunden, heißt es vom Umweltamt. Ein Beispiel dafür ist der Kleine Heidegrashüpfer. Im Konzept sind „Zielarten“ genannt, die es durch verschiedene Maßnahmen zu schützen gilt. Insgesamt sind circa 200 Tier- und Pflanzenarten aufgelistet, darunter auch das Teichhuhn, welches in den Röhrichten am Möhringer Probstsee vorkommt. Durch den Schutz der Lebensräume soll die Artenvielfalt in Stuttgart zumindest erhalten bleiben, im Idealfall sogar verbessert werden.

Im Eichenhain zeigt der Radikalschnitt Wirkung

Was solche Radikalschnitte bewirken können, zeigt sich am Beispiel Eichenhain in Sillenbuch. Bereits im vergangenen Jahr rückten die Arbeiter in dem Naturschutzgebiet an, fällten Bäume und Sträucher. Dagegen gab es teils heftige Proteste aus der Bürgerschaft. Doch der Rückschnitt zeigt nun Wirkung. Seltene Pflanzenarten wie Hauhechel, Sonnenröschen oder Golddistel haben in der zurückliegenden Saison geblüht, auch der Bestand des Großen Heidegrashüpfers hat sich erholt. Der Grashüpfer sei von einigen wenigen Exemplaren im Jahr 2016 inzwischen auf eine Population von mehr als 150 Stück angewachsen, heißt es vom Umweltamt.

Wer sich im Detail mit dem Artenschutzkonzept befassen möchte, kann es für eine Schutzgebühr von zehn Euro beim Amt für Umweltschutz, Gaisburgstraße 4, erwerben oder kostenlos im Internet unter www.stuttgart.de/artenschutzkonzept herunterladen.