Sigmar Gabriel spricht in Goslar zum Thema Innere Sicherheit. Foto: dpa

Offiziell will die SPD erst Ende Januar im Rahmen einer Vorstandsklausur entscheiden, wer Kanzlerkandidat der Partei werden soll. Doch schon jetzt läuft alles auf Sigmar Gabriel hinaus.

Berlin - Die Entscheidung darüber, wer Kanzlerkandidat der SPD wird, soll offiziell zwar erst Ende Januar bei einer Vorstandsklausur getroffen werden. Aber im SPD-Präsidium ist man sich mittlerweile sicher, dass die Würfel gefallen sind. SPD-Chef Sigmar Gabriel wird demzufolge antreten, daran gebe es keinen Zweifel mehr, heißt es. Und Martin Schulz, derzeit noch Präsident des Europaparlaments, werde Frank-Walter Steinmeier als Außenminister folgen, wenn dieser als Bundespräsident ins Schloss Bellevue wechselt. Hätte es noch eines Hinweises bedurft, dann habe Gabriel diesen am Wochenende geliefert, ist in der Parteiführung zu hören. In einem großen „Spiegel“-Interview positionierte Gabriel seine Partei für den Wahlkampf und im Ringen um einen neuen Kurs in der Sicherheitspolitik.

Die Freundschaft mit Schulz hat gelitten

„Ich wüsste nicht, was jetzt noch geschehen soll, dass sich daran noch etwas ändert“, sagte ein Präsidiumsmitglied dieser Zeitung. Selbst Gabriels Gegner räumen ein, dass es keine Gelegenheit mehr gebe, den 57-Jährigen zu verhindern, ohne der Partei massiv zu schaden. Das aber will wiederum nun auch keiner riskieren, deshalb werde man Gabriel jetzt „wohl oder übel unterstützen“. Die mächtige Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, Hannelore Kraft, steht hinter ihm und wünscht vor der enorm wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen keine Turbulenzen in der Partei. Auch andere SPD-Kabinettschefs sich zu Gabriel bekannt. Und Martin Schulz, der neben Olaf Scholz als aussichtsreichster Konkurrent Gabriels galt, soll intern schon vor Weihnachten die Flinte ins Korn geworfen haben. Die so viel gepriesene Freundschaft zwischen den beiden habe übrigens zuletzt ziemlich gelitten, ist zu hören.

Der kommunikative Feinschliff

Die komplette Wahlkampfplanung hat Gabriel nun auf sich zugeschnitten – und das nicht erst seit dem Interview. Er hat im Dezember über die Agentur für die Wahlkampagne entschieden und schon im Sommer Tobias Dünow, einen seiner engsten Vertrauten, vom Wirtschaftsministerium abberufen und ans Willy-Brandt-Haus entsandt, damit dieser dort den kommunikativen Feinschliff übernimmt und Gabriels Internetauftritt auf Vordermann bringt. Gabriel hat auch versucht, an seinem nicht gerade kanzlertauglichen Image zu feilen und sich zu diesem Zweck monatelang für eine üppige TV-Reportage von Reinhold Beckmann verfolgen lassen. Der Bunten lieferte er sich im heimischen Garten in Goslar mit Ehefrau Anke und Töchterchen Marie aus.

Sympathien für die Ampelkoalition

Auch die Diskussion über die Inhalte des Wahlkampfs wird seit Monaten von Gabriel gesteuert und für turnusmäßige rot-rot-grüne Annäherungstreffen übernahm er quasi die Schirmherrschaft, indem er sich überraschend bei der ersten dieser Versammlungen blicken ließ. Im Spiegel ließ er allerdings größere Sympathien für eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP erkennen. Jedenfalls werde er, von einem Bündnis mit der AfD mal abgesehen, „alles tun“, um die große Koalition zu beenden. Rot-Rot-Grün sei da „keineswegs die einzige Konstellation, die denkbar ist“, sagte er unter Verweis auf die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz.

Nach einem knapp überstandenen Parteivotum zum Freihandel mit Kanada, das seine Gegner im September eigentlich zur Rebellion nutzen wollten, spätestens aber seit der SPD-Chef mit einer verwegenen Strategie CDU-Chefin Angela Merkel Steinmeier als gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge von Joachim Gauck aufzwang, galt Gabriel eigentlich als Kandidat gesetzt. Einzig die immer wiederkehrenden Selbstzweifel, die man ihm nachsagte und in Gesprächen auch anmerkte, schienen ihn noch aufhalten zu können. Aber spätestens seit dem Jahreswechsel ist offenbar Schluss mit Grübeln. Denn zum Jahresende hin hat Gabriel, so die parteiinterne Deutung, die letzte Gelegenheit verstreichen lassen, auf die Kandidatur zu verzichten, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Eine Operation kurz vor Weihnachten hätte Gabriel die Chance zum Verzicht aus gesundheitlichen Gründen eröffnet. Stattdessen hat er über die Feiertage zuhause ein siebenseitiges Konzept zur Inneren Sicherheit entworfen und sich dazu auf dem Marktplatz von Goslar im blauen Wintermantel und mit offenem Hemdkragen für die Nachrichtensendungen abfilmen lassen. Das Signal an Freund und Feind war: mit mir müsst ihr rechnen.

Vor der Klausur der Parteigremien

Zwar hat Gabriel am Wochenende abermals versichert, dass die Partei erst am 29. Januar entscheide. Aber in der Partei wird nun damit gerechnet, dass bereits vorher auch öffentlich endgültig Klarheit herrscht. In der SPD-Führung ist man sich sicher: Spätestens am 23. Januar, wenn sich letztmals vor der Klausur die SPD-Gremien treffen, wird Gabriel seinen Hut in den Ring werfen. Vielleicht weiß man ja aber auch schon nach einem Treffen der engeren Führung am Abend des 10. Januar in Düsseldorf mehr, das angeblich lediglich der inhaltlichen Vorbereit der Klausur dient. Zwar wurde Stillschweigen vereinbart, aber was heißt das schon. Kurz nachdem dieses angebliche „Geheimtreffen“ vereinbart worden war, wusste die ganze Republik davon. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.spd-kanzlerkandidatur-es-laeuft-auf-gabriel -zu.d19e677e-1761-4ec7-8b1e-3f43277d12f4.html