Der Landtag debattiert über den Weg zum Abitur. Foto: dpa/Armin Weigel

Auch im baden-württembergischen Landtag ist die Mehrheit der Fraktionen mittlerweile offen für den längeren Weg zum Abitur. Warum sich trotzdem vorerst nichts ändert.

Bei der Landtagsdebatte über eine mögliche Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren am Mittwoch haben sich die bekannten Positionen bestätigt. Während die Grünen am achtjährigen Gymnasium als Regelschule festhalten und die CDU sich erneut gegen Schulstrukturreformen in dieser Legislaturperiode ausgesprochen hat, pocht die Opposition in Gestalt von Sozialdemokraten und Liberalen auf Wahlfreiheit für Eltern und Schüler.

SPD verweist auf Beispiel anderer Länder

Die Debatte hat Fahrt aufgenommen, seit die G9-Jetzt!-Initiative Unterschriften für einen Volksantrag sammelt, dessen Ziel es ist, eine gymnasiale Wende von unten per Volksentscheid zu erreichen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch warf der grün-schwarzen Landesregierung vor, sie halte aus Blind- und Sturheit am achtjährigen Gymnasium fest und ignoriere den Willen von Eltern und Schülern.

Zwar sieht Stoch die gymnasiale Frage nicht als einziges bildungspolitisches Problem im Land. Die Abwehrhaltung der Koalition sei aber symptomatisch für alle Baustellen im Bildungsbereich. „Sie stellen sich hin und erklären eine allgemeine Wahlfreiheit für unmöglich und unbezahlbar, obwohl sie in so vielen anderen Bundesländern möglich war“, sagte Stoch. Er spielte damit auf Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, Schleswig-Holstein und das Saarland an, die zu G9 zurückgekehrt sind.

Timm Kern (FDP)nannte es „das Gegenteil von Bildungsgerechtigkeit“, dass wegen der räumlichen Entfernung der 43 G9-Modellgymnasien nur ein kleiner Teil der Schüler die Wahl zwischen beiden Wegen zum Abitur habe. Kern unterstellte den Grünen, sie wollten G8 vor allem beibehalten, um die Gymnasien möglichst unattraktiv erscheinen zu lassen, damit sich mehr Kinder für die Gemeinschaftsschule entscheiden.

Grüne finden andere Reformen dringender

Für die Christdemokraten betonte der Bildungspolitiker Alexander Becker, dass seine Partei für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium offen sei, bekräftigte aber dass in dieser Wahlperiode keine Schulstrukturreformen angepackt werden sollten.

„Unser größtes Problem sind nicht die Gymnasien, sondern die Grundschulen, wo ein Drittel der Schüler dauerhaft Bildungsverlierer werden“, sagte Thomas Poreski für die Grünen-Fraktion. Die Koalition müsse bei Reformen „verhängnisvolle Nebenwirkungen für andere Schularten vermeiden.“ Kultusstaatssekretärin Sandra Boser (Grüne) verwies auf alternative Wege zum Abitur nach neun Jahren an den beruflichen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen, die es im Land schon gebe, und begründete das Festhalten an G8 im wesentlichen mit den fehlenden Ressourcen. Die Umstellung auf G9 würde das Land 1400 Lehrerstellen und 115 Millionen Euro kosten. Hinzu kämen Investitionen in Gebäude, die die Schulträger zu tragen hätten. „Es geht leider nicht so einfach, diese Ressourcen in G9 zu investieren“, erklärte Sandra Boser.