Das Wilhelms-Gymnasium in Degerloch nimmt an einem Modellversuch des Landes teil und bietet neben dem Turboabi künftig wieder die langsame Variante an. Foto: Archiv Rüdiger Ott

Das Kultusministerium will ab dem nächsten Schuljahr am Wilhelms-Gymnasium neben dem G 8-Zug wieder einen G 9-Zug erlauben.

Degerloch - Die Rolle rückwärts ist für Wolfgang Funk, den Direktor des Degerlocher Wilhelm-Gymnasiums (WG), ein Grund zum Feiern. Schon 1998 war die Schule vorne mit dabei, als es darum ging, das von neun auf acht Jahre verkürzte Turbo-Abi einzuführen, noch bevor es landesweit zum Standard wurde. 2012 schied der letzte doppelte Abiturjahrgang aus, seitdem ist für alle Schüler nach der zwölften Klasse Schluss.

Nun ist das WG wieder unter den Schnellen. Von nächstem Schuljahr an wird es in Degerloch parallel wieder einen G 9-Zug geben – sprich, das alte Abitur in Klasse 13. Das hat das Kultusministerium entschieden. „Wir freuen uns sehr“, sagt Funk. „Und ich freue mich auch für die Eltern, die sich dafür starkgemacht haben.“

Die Fünftklässler müssen wählen

Die Fünftklässler, die im Sommer an das WG wechseln, werden die Wahl haben, wie schnell sie ihren Abschluss in der Tasche haben wollen. Der Unterrichtsstoff der Klassen fünf bis zehn im G 8-Zug wird bei der langsameren Variante G 9 auf die Klassen fünf bis elf verteilt.

Danach schließen sich zwei Oberstufenjahre an, die für beide Varianten in Tempo und Inhalt identisch sind. „Das Wochenpensum wird entlastet“, sagt Funk. „Alles wird entschleunigt und entspannt sich.“

So müssen Gymnasiasten bisher bereits in der sechsten Klasse eine zweite Fremdsprache belegen und normalerweise an zwei Nachmittagen in die Schule kommen. Künftig wird es möglich sein, mit der zweiten Fremdsprache erst in der siebten Klasse zu beginnen und dabei nur einmal zum Nachmittagsunterricht erscheinen zu müssen.

„Die Schüler haben dadurch wieder mehr Zeit fürs Lernen oder um am Vereinsleben teilnehmen zu können“, sagt Funk. Das Konzept hat aber auch einen Nachteil. „Man muss den Eltern klarmachen, dass einmal G 9 immer G 9 bedeutet.“ Nachträglich wechseln ist nicht möglich.

Das WG ist eines von drei Stuttgarter Gymnasien mit G9

Das Wilhelms-Gymnasium hatte sich beworben, weil die Eltern unzufrieden mit dem hohen Tempo sind, das ihren Kindern auferlegt wird. Solcherlei Klagen beschränken sich nicht nur auf Degerloch, viele Gymnasiasten zwischen Freiburg und Kiel ächzen unter dem Lernpensum. Laut einer aktuellen Studie wünschen sich deutschlandweit vier von fünf Eltern das alte Abitur zurück.

Das Kultusministerium erlaubte deshalb schon vor einem Jahr 22 Gymnasien in Baden-Württemberg, an einem Modellversuch teilzunehmen und beide Varianten wieder parallel anzubieten. In Stuttgart wurde nur das Zeppelin-Gymnasium im Osten ausgewählt. In der zweiten Tranche kommen erneut 22 Schulen zum Zug, zwei davon in Stuttgart. Das ist neben dem Degerlocher WG das Leibniz-Gymnasium in Feuerbach.

Um ausgewählt zu werden, mussten die Schulen Kriterien erfüllen. „Die Gymnasien müssen mehrzügig sein“, sagt Christine Sattler vom Kultusministerium. Zudem müssen die Schulen auf der Landkarte gleichmäßig verteilt und gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein. „Auch die Qualität des pädagogischen Konzepts spielt eine Rolle“, sagt Sattler. Insgesamt hätten sich 52 Schulen beworben. „30 Schulen gingen also leer aus.“

Das PGH und das GSG hatten sich nicht beworben

Die beiden anderen Gymnasien in den Bezirken unterm Fernsehturm hatten sich nicht beworben. Am Paracelsus-Gymnasium Hohenheim waren die Befürworter in der Unterzahl, am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Sillenbuch hatte es gar kein Interesse gegeben. Das WG hatte sich derweil schon zum zweiten Mal beworben. Beim ersten Durchgang war es vom Kultusministerium nicht bedacht worden.

Wie groß der Andrang auf den neuen G 9-Zug in Degerloch sein wird, kann Funk nicht abschätzen. Er dürfte aber hoch sein. „Ich fürchte, dass wir zwei Klassen bilden könnten“, sagt der Direktor. Ob dies erlaubt sei, kann er nicht sagen. Die Details der Zulassung kennt er noch nicht. Er ist sich aber sicher, „dass es keine Abwahl von G 8 geben wird“. Denn nach wie vor bestehe auch Interesse am schnellen Abitur.