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Halbjahreszeugnisse von Schüler des G-9- und G-8-Zuges offenbaren keine großen Unterschiede.

Stuttgart - Die Halbjahreszeugnisse sind verteilt, in den Gymnasien sind Katastrophen ausgeblieben: Die befürchteten Leistungsabweichungen von Schülern des G-8- und G-9-Zuges in der gemeinsamen Kursstufe 1 werden, wie im Wagenburg-Gymnasium, als marginal bezeichnet.

"Ich bin mit beiden Jahrgängen sehr zufrieden", versichert Petra Wagner, die Leiterin des Wagenburg-Gymnasiums, nachdem sie 92 Halbjahreszeugnisse für den Doppeljahrgang in der Kursstufe 1 verteilt hat. Sie könne keine signifikante Tendenz erkennen, dass die G-9-Schüler den Turbo-Gymnasiasten überlegen seien.

Nicht ganz so zufrieden guckt wenig später Sophie Meier auf das Blatt Papier mit den bedeutungsschwangeren Zahlen: "Es könnte besser sein", sagt die 16-Jährige selbstkritisch. Sie muss es in acht Jahren bis zum Abitur schaffen und sitzt seit Beginn des Schuljahres in der Kursstufe mit denen zusammen, die sich vergleichsweise komfortable neun Jahre lang bis zum Abitur Zeit lassen können. Wie Moritz Vischer und Lee Kensok, beide 18 und durchaus zufrieden mit ihren Zeugnissen. "Es ist im Vergleich zum letzten Jahr sogar deutlich besser", freut sich Lee und führt das auch auf seine Fächerwahl zurück, wohingegen Moritz bei sich einen deutlichen Reifeschub festgestellt hat: "Es hat im letzten Jahr irgendwie klick gemacht, ich passe besser auf und arbeite konzentrierter."

Die Kultusministerin will es schwarz auf weiß

"Die Naturwissenschaften ziehen mich runter", bekennt Sophie mit einem leichten Anflug von Verzweiflung. "Wir müssen jetzt alle Nachhilfestunden in Mathe nehmen", sekundiert ihr Anna Ndiaye (16): "Uns fehlen Grundlagen, die anderen wissen einfach mehr." Zum Beispiel auch im Fach Deutsch: Da brachte ein Lehrer das Stück "Nathan der Weise" von Lessing zur Sprache. Und stieß bei den Turbo-Schülern auf völlige Unkenntnis: "Sorry, haben wir nie durchgenommen." Denn im Lehrplan stehen keine Klassiker mehr, "auch kein ,Wilhelm Tell"', sagt Anna, also auch kein Schiller. "Wie soll das auch gehen bei den verkürzten Lehrplänen", meint Moritz lapidar.

Und wie reagieren die Lehrer darauf? "Unterschiedlich", antwortet das Quartett. Die einen mit Verständnis und Förderung wie der Mathelehrer, der jeden Morgen Nachhilfe erteilt. Andere ungerührt mit der Erwartung, dass die Schüler ihre Wissenslücken selbst füllen. Sophie hat manchmal das Gefühl, dass ein bestimmter Lehrer ihre Probleme und Nöte gar nicht ernst nimmt. Das Selbstbewusstsein, nickt Sophie auf die entsprechende Frage, werde dadurch nicht gerade gefördert. Aber die anfängliche "totale Panik" vor der gemeinsamen Kursstufe habe sich gelegt. Der Konkurrenzgedanke, den die Lehrer nach dem Motto "Wartet nur, wenn die anderen kommen" angeheizt hätten, sei zwar noch da, aber man verstehe und helfe sich in der ganzen Gruppe.

Kultusministerin Marion Schick will es schwarz auf weiß haben, ob und wo Leistungsunterschiede und Benachteiligungen festzustellen und die Befürchtungen der Eltern berechtigt sind. "Wir bekommen Stichproben aus etwa 50 Schulen im Land, die vom Landesinstitut für Schulentwicklung ausgewertet werden", erklärt Pressesprecherin Silke Walter. Aber man habe bis jetzt keinerlei Erkenntnisse, dass es beunruhigende Unterschiede gebe.