Viele Ladenbesitzer auf St.Pauli zeigen mit Protestplakaten, dass sie gegen den G20-Gipfel sind. In diesem Fall dargestellt mit Donald Trump als „Trumpeltier“. Foto: Jacqueline Vieth

Es gibt in St. Pauli kaum ein Geschäft ohne Anti-G20-Poster im Fenster. Was nach kreativem Protest aussieht, hat oft einen ganz anderen Hintergrund: Angst vor Gewalt und Verwüstung.

Hamburg/Stuttgart - Der G20-Gipfel ist nicht nur für Polizei und Anwohner eine Herausforderung, sondern auch für Anwohner und Gewerbetreibenden rund um Reeperbahn und Schanze. Es herrscht Ausnahmezustand auf dem Kiez. Viele fürchten, dass sich das Chaos auch den Weg in ihr Viertel bahnt. Besonders in den Straßen rund um die Route der Demo „Welcome to hell“ ist kaum ein Geschäft, Café oder Restaurant zu finden, das nicht ein „No G20“-Poster im Fenster hängen hat. Denn zur Demo werden bis zu 8000 gewaltbereite Demonstranten aus der linksextremistischen Szene erwartet. Das sorgt für Angst auf St. Pauli.

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Im Café du Port in der Hein-Hoyer-Straße hält man mit der Meinung zum Gipfel nicht hinter dem Berg. „NO G20“ steht in großen schwarzen Buchstaben in der linken Fensterfront geschrieben. Rechts ein gemaltes Konterfei von Donald Trump, mit Rüssel und Schlappohren. „Gegen Trumpeltiere“ steht darüber. Emanuel Poras Familie gehört das Café mitten im Kiez. Für ihn sind der Schriftzug und das „Trumpeltier“ nicht nur eine Form politischen Ausdrucks, sondern auch eine Art Versicherung. Er fürchtet wie viele Andere im Viertel, dass die gewaltbereite Demonstranten, die zur „Welcome to hell“-Demo erwartet werden, auch in die Nebenstraßen abgedrängt werden – also direkt in sein Viertel.

„Das Problem sind die internationalen ‚Event-Touristen‘, die herkommen, um alles kurz und klein zu schlagen, die nur zum Crashen kommen“, sagt Pora. Vor den Demonstranten aus der Umgebung, die ein politisches Statement abgeben wollen, fürchtet er sich weniger. Die wüssten, welche Läden in Ordnung seien, welche ihre Angestellten gut behandeln. Dinge, die die internationalen Demonstranten nicht wüssten, weshalb fast überall Poster hängen. Den G20-Gipfel bezeichnet er zwar als „Despoten-Party“, erwähnt Trump, Erdogan, Putin und Xi Jinping. Er sagt aber auch: „Es gibt durchaus Ansätze, die man teilen kann, grade, wenn in Sachen Soziales oder Umwelt etwas verbessert wird“. Dass der Gipfel grade in Hamburg stattfindet, empfindet er als Provokation: „Hamburg ist doch bekannt für seine linke Szene“. Sein Café wird während der Demo geschlossen sein – donnerstags ist sowieso immer Ruhetag.

Internationalen ‚Event-Touristen‘ werden zum Problem

Ein paar Häuser weiter steht Michael Neller mit einem Kaffee in der Sonne vor seiner Ledermanufaktur. Sein Laden ist einer der wenigen, in dem kein Anti-G20-Spruch oder Poster hängt. „Ich habe keine Lust mich dem Zwang auszusetzen“, erklärt er. Als Zwang – so empfindet er das Betonen der „Anti-G20“-Haltung im Viertel. Es sei absoluter Irrsinn, was hier passiere. „Die Menschen haben Angst, dass sie angegriffen werden, wenn kein Schild im Fenster hängt“, sagt Neller.

Mit politischer Haltung haben die Schilder in seinen Augen nur bedingt etwas zu tun. Die Demonstranten setzten sich gegen Zwänge ein, erzeugten aber selbst welche. „Das will ich nicht mitmachen“, sagt er. Sein Laden bleibt offen – für ihn ist es ein normaler Arbeitstag. Allerdings: auch er hat vorgesorgt und sich ein Abwehrspray besorgt. Für den Fall, dass Demonstranten in seinen Laden kommen und ihn plündern wollen. Er hat sich bei der Polizei informiert und wird im Falle des Falles vom Hausrecht Gebrauch machen und in „angemessener Form“ reagieren. Ihn ärgert, dass viele im Viertel Angst hätten, die nichts für die Situation können. Deshalb hat er auch einen Vorschlag für den nächsten Gipfel: „Sollen sie sich doch eine G20-Insel kaufen. Dann haben wir alle unsere Ruhe“.

Ruhe – davon hat Khalif Steinbrich seit Anfang der Woche zu viel. Seit die großen Proteste gegen G20 laufen, kommt kaum noch jemand in sein Fahrrad-Café, der Umsatz ist stark eingebrochen. Zusammen mit seinen Brüdern betreibt er das Café in der Detlev-Bremer-Straße, gemeinsam haben sie beschlossen, dass der Laden bis Sonntag geschlossen bleibt. Sie fürchten sich vor den Randalen und wollen ihre Kunden nicht in Gefahr bringen. Auch er glaubt, dass die Plakate nicht unbedingt ein politisches Statement sind: „Beim Bekleben machen alle mit, damit die Demonstranten nicht in die Läden kommen“. Grundsätzlich finde er es gut, dass Menschen demonstrieren. Allerdings nicht in Verbindung mit den Krawallen. Immerhin ein Positives hat die Schließung, erklärt er: „Wir werden unsere Werkstatt aufräumen, den Laden sauber machen und unsere Mitarbeiter schulen“. Dazu kämen sie sonst selten.