In Textilfabriken in Bangladesch arbeiten die Menschen häufig unter schlechten Bedingungen. Foto: dpa

Tödliche Unfälle, Kinderarbeit - und niemand schaut hin? Wenn für die Einkaufstempel der deutschen Fußgängerzonen produziert wird, leiden die Arbeitnehmer oft unter miserablen Bedingungen. Doch ist wirklich alles schlecht?

Bad Neuenahr-Ahrweiler/Berlin - Ein Streifzug durch die Kleiderläden in deutschen Fußgängerzonen macht wenig Hoffnung. Trendy, cool, billig - so präsentieren die großen Ketten stapelweise ihre Klamotten. War da was? Etwa der Einsturz einer Kleiderfabrik in Bangladesch mit mehr als 1000 Toten vor vier Jahren? Aufrufe für höhere Löhne und menschenwürdige Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern, wo Waren auch für den deutschen Markt hergestellt werden?

Die Arbeitsminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wollen an diesem Freitag im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr Wege für Verbesserungen beschreiben. Doch Ökonomen sehen in der globalen Produktion auch Chancen für die ärmeren Länder - bereits heute.

Gastgeberin Andrea Nahles wurde zum Auftakt des Ministertreffens am Donnerstag deutlich: „Leider erschüttern uns immer wieder tragische Unfälle, die aufgrund schlechter und ausbeuterischer Arbeitsbedingungen verursacht werden“, sagte die SPD-Arbeitsministerin. Sie kündigte an, dass Deutschland weitere zwei Millionen Euro in den bisher mit 7,5 Millionen Euro bestückten Fonds zur Eindämmung tödlicher Arbeitsrisiken in diesen Ländern einzahlt. Für Kritiker ist das nichts.

Zustände wie in der Sklaverei

„Wie die Vergangenheit gezeigt hat, sind G20- und G8-Gipfel vor allem eine große Show“, schimpft Niema Movassat, Linken-Experte für wirtschaftliche Zusammenarbeit. „Die vollmundigen Ankündigungen sind häufig das Papier nicht wert, auf dem Sie stehen.“

Ob Bangladesch, Pakistan oder China - in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas wird billig für den Weltmarkt produziert. Zustände wie in der Sklaverei herrschen dort oft - sagen nicht nur Linke, sondern vor wenigen Jahren auch CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Weit mehr als 100 Millionen Minderjährige verrichten laut Internationaler Arbeitsorganisation Kinderarbeit. Vom deutschen Ladenpreis eines in Bangladesch hergestellten T-Shirts gehen nur wenige Cent an die Näherin.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) behauptete noch am Tag vor dem G20-Treffen vor Gewerkschaftern: „Wir als Deutschland fühlen uns verantwortlich, dass wir nicht ein Leben auf Kosten anderer führen.“ Doch wer in Deutschland, etwa welcher Konsument beim Einkaufen, denkt wirklich daran?

Bewusstsein wächst

Uwe Kekeritz, Grünen-Experte für Entwicklungspolitik, fordert: „Merkel muss ihren Worten nun Taten folgen lassen.“ Movassat und Kekeritz haben vor allem die Unternehmen im Verdacht, nur auf den Profit zu blicken - statt auch auf die Menschenrechte. „Die Erfahrung zeigt: Freiwillige Ansätze sind zum Scheitern verurteilt“, sagt Kekeritz. „Es braucht endlich gesetzliche Regelungen, die Unternehmen dazu bringen die Menschenrechte entlang der gesamten Lieferketten zu schützen und die Umwelt nicht zu belasten.“

Ausbeutung und Profitgier - ist das wirklich das Prinzip, wenn westliche Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern produzieren lassen? „Probleme gibt es“, sagt Holger Görg, der beim Kieler Institut für Weltwirtschaft internationale Arbeitsteilung erforscht. „Doch die Kritiker übersehen die positiven Effekte.“ So seien Unternehmen in den ärmeren Ländern, die mit internationalen Konzernen kooperieren, laut Studien im Schnitt produktiver - und sie zahlten höhere Löhne.

Schon heute kommt laut Görg bis zu einem Drittel der Wertschöpfung, die in deutschen Produkten steckt, wegen der teils globalen Herstellung aus dem Ausland. Görg meint, das Bewusstsein auch in Deutschland wachse, dass dabei Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards zählen. Weniger noch bei Kleidung, mehr bei Nahrungsmitteln und anderen Waren. „Konsumenten scheinen darauf zu achten, Unternehmen scheinen darauf zu reagieren.“

Starke Entwicklungseffekte

Der Wirtschaftsexperte ist überzeugt: „Die Einbeziehung in Wertschöpfungsketten hat zum Beispiel für Südkorea, Thailand oder China sehr starke Entwicklungseffekte gehabt.“ Nun gebe es die Hoffnung, dass auch mehrere afrikanische Länder einen ähnlichen Weg gehen. Äthiopien, Kenia, Uganda, Niger - hier wird teils schon für den Weltmarkt produziert, auch etwa von chinesischen Firmen.

Beispiel Äthiopien: Es zählt mit seinen rund 100 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Staaten der Welt. Die Regierung hofft, dass zu den aktuell knapp 50 000 Beschäftigten im Textilsektor in den kommenden vier Jahren weitere 350 000 Arbeiter hinzukommen. Jetzt kommt es laut Experten hier darauf an, Fehler in anderen Ländern zu vermeiden.