Seit Jahren begleiten Gérard Depardieu neben anderen Skandalen auch echte Vergewaltigungsvorwürfe. Doch selbst das konnte der Karriere des französischen Nationalheiligtum bislang nichts anhaben. Ändert sich das jetzt? Er steht bald wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe vor Gericht.
Bisher perlten zahlreiche Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe an Gérard Depardieu (75) ab - sogar der konkrete Vorwurf einer Vergewaltigung konnte ihm kaum etwas anhaben. Der Schauspieler, der in Frankreich so etwas wie ein lebendes Weltkulturerbe ist, setzte in den vergangenen Jahren seine Karriere nahezu unbehelligt fort. Doch damit könnte nun Schluss sein. Denn Depardieu muss sich laut der Pariser Staatsanwaltschaft im Oktober dieses Jahres vor Gericht verantworten. Am Montag (29. April 2024) musste er auf einer Polizeiwache vorsprechen und war vorübergehend sogar in Gewahrsam. Nach der Befragung wurde er aber wieder auf freien Fuß gesetzt.
Laut französischen Medienberichten geht es konkret um zwei Fälle aus den Jahren 2014 und 2021. Am Set der Filme "Le magicien et les siamois" und "Les Volets Verts" soll er Mitarbeiterinnen begrapscht haben. Seit 2020 läuft außerdem bereits ein Ermittlungsverfahren wegen einer mutmaßlichen Vergewaltigung. Ob es auch hier zu einer Anklage kommt, ist noch offen.
Insgesamt warfen in den letzten Monaten und Jahren über ein Dutzend Frauen dem Filmstar sexualisierte Gewalt vor. Doch haften blieb an ihm bisher so gut wie gar nichts. Genauso wenig wie nach früheren Skandalen ohne sexuellen Hintergrund - vom Urinieren in den Gang eines Flugzeugs 2011 bis zur Steuerflucht in Putins Russland 2013. Immerhin distanzierte sich der Franzose von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und spendete für ukrainische Kriegsopfer. Immer wieder fiel er durch merkwürdiges Verhalten auf, das hauptsächlich auf seinen großen Alkoholkonsum zurückzuführen ist. In einem Interview aus dem 2014 verriet er, dass er 14 Flaschen Wein pro Tag trinke. Außerdem erzählte er bereits, er habe insgesamt schon 17 Motorradunfälle gebaut - teilweise auch betrunken.
Kulturkampf in Frankreich um Depardieu
Die Vorwürfe sexueller Belästigung wies Gérard Depardieu öffentlich aber immer zurück. In einem offenen Brief in der Zeitung "Le Figaro" bezeichnete er sich im Herbst 2023 als Opfer einer "medialen Lynchjustiz". Er sei weder ein Vergewaltiger noch ein Raubtier. "Ich bin nur ein Mann", schrieb er. Was auch immer das bedeuten soll.
Kolleginnen wie Charlotte Rambling (78) und die ehemalige First Lady Carla Bruni (56) nahmen den "vermutlich größten aller Schauspieler" in Schutz. Sogar der französische Präsident Emmanuel Macron (46) outete sich trotz aller Skandale als "großer Bewunderer" von Depardieu. In einem Interview machte er zwar zurecht auch für den Filmstar die Unschuldsvermutung geltend, ließ aber zwischen den Zeilen auch eine Sonderbehandlung des Nationalheiligtums Depardieu anklingen. Später ruderte Macron nach massiver Kritik öffentlich zurück.
Der Anlass für die Verschärfung des Kulturkampfs um den Schauspieler war eine Doku über dessen Reise durch Nordkorea. Darin ist zu hören, wie Depardieu fast alle Frauen, denen er begegnet, fast schon zwanghaft sexualisiert. Sogar über ein junges Mädchen auf einem Pferd machte er einen sexistischen Witz. Immerhin reagierten manche Institutionen auf die neue Entwicklung: Madame Tussauds nahm etwa seine Wachsfigur aus der Ausstellung.
Nachruf zu Lebzeiten: Die Karriere des Gérard Depardieu
Sollte Gérard Depardieu vor Gericht schuldig gesprochen werden, würde eine fraglos große Karriere zu Ende gehen. Der Schauspieler kam von ganz unten. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen im mittelfranzösischen Châteauroux auf, seine Eltern konnten weder lesen noch schreiben. In seiner Autobiografie berichtete er, sich im Alter von zehn Jahren als Stricher ein paar Franc verdient zu haben. Wegen Diebstahl und Schmuggel geriet er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. "Ich bin immer noch der kleine Rowdy aus Châteauroux, der gute Geschäfte macht", sagte er später, wenn er auf seine scheinbar beliebige Rollenwahl angesprochen wurde.
Nach einem Theaterbesuch in Paris beschloss der junge Depardieu, Schauspieler zu werden. Er absolvierte die École d'Art Dramatique und startete am Theater durch. 1975 erhielt er für den Film "Quartett Bestial" seine erste César-Nominierung. Für den wichtigsten französischen Filmpreis wurde er insgesamt 16 Mal nominiert - ein einsamer Rekord. Er arbeitete mit den wichtigsten Regisseuren der Nouvelle Vague, zum Beispiel mit François Truffauts ("Die letzte Metro"), drehte aber auch viele Publikumsfilme wie zum Beispiel als Obelix die "Asterix"-Adaptionen.
Um 1990 startete Depardieu auch außerhalb Frankreichs durch, nachdem er für seine Hauptrolle in "Cyrano von Bergerac" eine Oscar-Nominierung erhalten hatte. In "Green Card" spielte er an der Seite von Andie MacDowell (66), für Ridley Scott (86) den Columbus in "1492".
Mittlerweile dreht Depardieu wieder nur in seiner Heimat. Dabei waren neben viel Dutzendware durchaus große Rollen wie 2022 in "Maigret". Der Detektiv aus der Feder des Belgiers George Simeon ist im französischsprachigen Raum wie sein Darsteller eine Ikone. Gérard Depardieus letzter größerer internationaler Film war bereits vor zehn Jahren in "Welcome in New York". Darin spielte er einen von Dominique Strauss-Kahn (75) inspirierten Geschäftsmann, der Frauen als Freiwild betrachtet und über einen Sexskandal stolpert. Die Rolle wirkt heute wie eine Vorausdeutung.