Diese Männer wollen richtige Kerle sein: Trump, Erdogan, Putin (von links). Foto: dpa

Erdogan, Putin, Trump – mit diesen drei Männern dürfte es die Bundeskanzlerin in Hamburg besonders schwer haben. Eine Vorschau auf den G20-Gipfel.

Hamburg/Berlin - Wenn Angela Merkel gegen etwas immun ist, dann ist dies das Machogehabe geltungssüchtiger Herren. Vielleicht gerade deshalb versteht sich die Kanzlerin darauf, ebensolchen Zeitgenossen Zugeständnisse abzutrotzen. Beim G-20-Treffen kann sie dieses Talent gleich bei drei Prachtexemplaren dieser Spezies zur Anwendung bringen. US-Präsident Donald Trump, Russlands Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan werden erwartet.

Merkel kann den US-Präsidenten am schlechtesten einschätzen. Deshalb will sie in Hamburg unter anderem ein Gespür dafür bekommen, wie hart Trump beim angekündigten Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzvertrag agieren will. Bei ihrer Regierungserklärung hat Merkel klargemacht, dass das Abkommen für sie „nicht verhandelbar“ ist. Der Regierungssprecher bestätigte Pläne, wonach die Kanzlerin den US-Präsidenten schon im Vorfeld des Gipfels treffen will, „höchstwahrscheinlich“ am Donnerstagabend. Merkel hat allerdings am Montag Erwartungen gedämpft, dass es eine Einigung in Streitfragen geben wird. Spannend dürfte auch ein Treffen Trumps am Rande des Gipfels mit Putin werden. Die beiden hätten viel zu besprechen. Zumindest eine engere militärische Abstimmung im umkämpften Syrien wäre dringend geboten, wo sich die beiden Weltmächte militärisch zuletzt bedenklich in die Quere gekommen sind. Ob es zu einem Austausch in weiteren heiklen internationalen Fragen kommt, etwa beim Thema Ukraine, ist fraglich, denn dafür wäre es von Vorteil, wenn Trump sich für Details interessieren würde. Merkel wiederum wird sich überlegen müssen, wie sie ein Unterwerfungsritual Trumps meistert, dem man nur schwer entkommen kann: seinem brachialen Händedruck. Bei ihrem Besuch in Washington entfiel diese Bewährungsprobe, weil Trump ihr den Handschlag verweigerte.

Er ist der gewiefteste des Trios, steckt Trump vor allem in außen- und sicherheitspolitischen Fragen locker in seine Westentasche. Der cholerische Twitter-Ritter aus dem Weißen Haus bietet Putin beim G-20-Gipfel die einmalige Chance, Russland als vergleichsweise verlässlich zu positionieren und Moskau trotz seiner Ukraine- und Syrienpolitik zurück ins Spiel zu bringen. Außerdem weiß Putin als ehemaliger Geheimdienstchef die menschliche Schwächen, in diesem Fall Trumps Gier nach Anerkennung, überaus zu schätzen. Putin wird sich allerdings nicht der Hoffnung hingeben, Merkel in ähnlicher Weise manipulieren zu können. Die beiden kennen sich ewig, und Merkel zählt zu den wenigen Spitzenpolitikern, die Putin respektiert – wegen ihrer Detailkenntnisse, ihrer zähen Verhandlungsführung und eben ihrer Eigenheit, sich weder von Charme noch von Großspurigkeit beeindrucken zu lassen. Unvergessen sein Versuch, Merkel im Jahr 2007 in Sotschi mit seiner Labradorhündin Koni einschüchtern zu lassen. Merkel fürchtet sich vor großen Hunden – und Putins Quellen sind gut genug, so etwas zu wissen. Genutzt hat es ihm am Ende nichts. Auf ähnliche Experimente hat er fortan verzichtet.

Nimmt man Äußerungen Erdogans aus dem Frühjahr zum Maßstab, dann genießt er in Hamburg die Gastfreundschaft von Nazis, die Terroristen hofieren. Denn so hat Erdogan die Bundesregierung im Streit über Auftritte türkischer Minister, die in Deutschland für sein umstrittenes Verfassungsreferendum werben wollten, beschrieben. Derlei Vergleiche hat er zuletzt zwar vermieden, doch das Verhältnis hat sich nicht entspannt, zumal die Bundesregierung Erdogan einen Auftritt vor Anhängern am Rande des G-20-Treffens untersagt hat. Die Bundesregierung hat ihn am Montag sogar nachdrücklich gewarnt, vor Anhängern öffentlich zu reden. Das gelte auch in Hinblick auf „Gerüchte“, dass Erdogan etwa von einem Generalkonsulat aus sprechen und dies dann als Videobotschaft verbreitet werden könnte. Das Verhältnis war nicht immer so schlecht. Zu Beginn von Merkels Amtszeit hatte Erdogan sie noch in den höchsten Tönen gelobt. Aber nun treffen die beiden aufeinander wie erbitterte Feinde, die einzig die wechselseitige Abhängigkeit dazu treibt, im Gespräch zu bleiben. Vor dem Hintergrund dessen, dass kein Frieden im Mittleren und Nahen Osten ohne die Türkei möglich ist und Ankara Flüchtlinge und IS-Terroristen aus Syrien entweder nach Europa durchwinken oder stoppen kann, muss Merkel jede Gelegenheit nutzen, um Erdogan zu bearbeiten. Und Erdogan braucht Deutschland und Europa, weil die Türkei sonst wirtschaftlich bald absäuft. Merkel wird Erdogan vermutlich in der gebotenen Freundlichkeit daran erinnern, dass sie dessen Achillesferse präzise im Blick hat.