Aus der Löchgauer Talentschmiede: Julian Schuster (li.) vom SC Freiburg Foto: Baumann

Beim FV Löchgau, einem Verein mit 780 Mitgliedern, werden Fußball-Bundesliga-Spieler von morgen ausgebildet. Das Geheimnis des Clubs ist seine besondere Philosophie.

Löchgau - Sportclub-Bundesliga-Profi Julian Schuster wohnt längst in Freiburg. Doch an der Haustüre seines Elternhauses im beschaulichen Löchgau ist er noch allgegenwärtig. Dort prangt neben der Klingel und dem Schildchen mit den Namen der Eltern noch eine zweite Plakette mit der Aufschrift: „Robin und Julian“. Im Treppenhaus hängen gerahmte Trikots der Schuster-Sprösslinge.

Julian und Robin haben einst beim FV Löchgau das Fußballspielen gelernt und schnürten in allen Altersklassen die Kickstiefel für ihren Heimatverein. Der ältere der Schuster-Brüder ist im Breisgau beim SC Freiburg mittlerweile zum Führungsspieler gereift und trägt die Kapitänsbinde. Schuster ist aber längst nicht der einzige Löchgauer, der den Sprung zu den Profis gepackt hat. Schusters Cousin, Benedikt Röcker, ist beim VfB Stuttgart kein Unbekannter und versucht momentan mit der SpVgg Greuther Fürth in die höchste deutsche Spielklasse zurückzukehren. Marco Pischorn wechselte zusammen mit Schuster 2005 zum VfB II und unterschrieb wie Julian 2010 einen Profivertrag. Nach dem Aufstieg in die zweite Liga mit dem SV Sandhausen im Jahr 2012 zog es Pischorn zu Preußen Münster in die dritte Liga. Julians jüngerer Bruder Robin, der ebenfalls schon das Trikot der Reserveteams des VfB Stuttgart und des SC Freiburg trug, spielt derzeit bei Regionalliga-Spitzenreiter SG Sonnenhof Großaspach.

Der Weg der Löchgauer Spieler in den Profibereich über die eigene Jugend und mit dem späten Wechsel zu einem Bundesliga-Verein ist so eigentlich nicht mehr üblich. Heute werden die Kinder, dank dichtem Scoutingnetz bereits in jungen Jahren in die Jugend-Akademien der Bundesliga-Clubs gelotst. Die Löchgauer Talente nutzten das Sprungbrett VfB erst später. Als sie ihre fußballerische Ausbildung praktisch beendet hatten, wechselten sie nach Cannstatt. „Es gehört natürlich Willensstärke dazu und auch ein bisschen Glück, den Weg so zu gehen – das darf man nicht ganz außer Acht lassen“, sagt Hermann Schuster, Vater von Julian und Robin.

Papa Schuster ist mitverantwortlich für den Löchgauer Aufschwung im Jugendbereich. Zur Saison 1999/2000 initiierte er die Gründung einer A- und B-Jugend – die gab es zuvor nicht. Fortan setzte man auf junge Spieler. Ziel der neuen Ausrichtung war es, jedes Jahr genügend Sportler aus den Jugendteams in die Herrenmannschaft zu integrieren, um sich nicht von externen Neuzugängen abhängig zu machen. Diese Philosophie besteht immer noch: Zur Saison 2013/14 rückten sieben Mann aus der A-Jugend ins Landesliga-Team. Die Mannschaft hat einen Altersdurchschnitt von unter 23 Jahren. Die meist lange Vereinszugehörigkeit führt in Löchgau dazu, dass es eine besondere Identifikation der Sportler mit dem Club gibt. Wenn es die Spiel- und Trainingspläne zulassen, dann besuchen auch Julian Schuster und Benedikt Röcker die Partien ihres ehemaligen Vereins. „Wenn ein Spieler alle Stationen im Jugendbereich durchläuft, dann hat er natürlich ein ganz anderes Verhältnis als einer, der wegen des Geldes kommt“, sagt der aktuelle Landesliga-Coach des FV, Evangelos Sbonias.

Das Jugendkonzept der Löchgauer setzt sich bei der Wahl der Trainer fort. Walter Thomae, der beim VfB II als Co-Trainer arbeitet und sich neuerdings DFB-Fußball-Lehrer nennen darf, war der erste Jungspund, der in Löchgau auf dem Trainerstuhl saß. Mit der Ernennung von Evangelos Sbonias zum Trainer der ersten Mannschaft ging der FV diesen Weg weiter. Sbonias war erst 26, als er das Amt übernahm. Zuvor war er eine Saison für die zweite Mannschaft in Löchgau verantwortlich. Er verkörpert den Jugendstil des Vereins.

Dass der FV regelmäßig seine besten Spieler irgendwann abgeben muss, stört die Verantwortlichen nicht. „Wir wollen den Talenten keine Steine in den Weg legen, wenn sie in eine höhere Liga wechseln wollen“, betont Hermann Schuster, „das ist in gewisser Weise eine Auszeichnung für unseren Verein.“

Auch im aktuellen Kader gibt es Spieler mit guter Perspektive. Talent ist aber lange nicht alles. Auch im Jahrgang von Julian Schuster habe es begabtere Jungs gegeben, meint sein Vater Hermann. „Es ist sicherlich auch eine Frage, wie viel die Spieler bereit sind, in der Jugend zu opfern“, sagt FV-Trainer Sbonias, „Julian und Benedikt, das waren halt Jungs, die waren verbissen und wollten unbedingt ins Profigeschäft.“

Bei der aktuellen Spielergeneration stellt Sbonias einen Trend zur Zufriedenheit fest: „Wenn man mal fünf Spiele in Folge gewinnt, sind viele mit dem Kopf schon ganz woanders. Und da entscheidet es sich dann: arbeite ich hart weiter an mir, oder schalte ich zwei Gänge zurück. Das ist halt der Unterschied.“