Immer schön den Blick gesenkt: Bodenampeln sollen Smartphone-Nutzer davor bewahren, überfahren zu werden Foto: Przybilla

Können Bodenampeln abgelenkten Fußgänger das Leben retten? Köln, Augsburg und Karlsruhe haben sie getestet. Dabei hat sich eine völlig neue und andere Idee entwickelt.

Köln - Am Rautenstrauch-Kanal in Köln ist viel los. Eine Entenfamilie tapst über das Gras, links und rechts schwitzen Jogger, dazwischen Radfahrer, Rollatoren, Hunde. Und eine Straßenbahn, die die Spaziermeile vom nahe gelegenen Stadtwald trennt. Die Verlockung ist groß, hier einfach rüberzugehen, und manche Fußgänger zahlen dafür einen hohen Preis: Fast jedes Jahr werden in Köln mehrere Menschen tödlich verletzt, wenn sie ein Gleis unachtsam überqueren. Im Rheinland gilt die Quote der „Rotläufer“ als besonders hoch.

Das sollte sich durch ein neues Lichtsignal ändern, die sogenannte Bodenampel. Dabei handelt es sich um mehrere kreisrunde LED-Lichter, die in den Bürgersteig eingelassen werden. Sie dienen – neben der traditionellen Ampel – als zusätzliches Warn-Element auf dem Boden. Als Nebeneffekt sollen die „Bompeln“ auch noch den Smartphone-Nutzern entgegenleuchten. Immerhin starren viele von ihnen gedankenverloren auf ihre Displays, und damit nach unten.

Verkehrsforscher in aller Welt setzen ihre Hoffnung auf die Bodenampeln

Die Bodenampeln sind ein neues Instrument, in das Verkehrsforscher in aller Welt ihre Hoffnungen setzen. Immerhin beschäftigen sich Experten seit Langem mit der Frage, wie sich notorische Rotläufer zu pflichtbewussten Rotstehern umerziehen lassen. Die Kölner Verkehrsbetriebe haben in den vergangenen Jahren ihre Haltestellen und Gleisüberquerungen regelrecht aufgerüstet. Piktogramme, Markierungen, Andreaskreuze, Noppen, Drängel- und Randgitter sollen die Aufmerksamkeit von Fußgängern und Radfahrern erhöhen – und jetzt noch die Bodenampeln.

Gebracht hat all das bislang kaum etwas, wie ein Bericht des Forschungsinstituts Stuva zeigt. Die Wissenschaftler zählten die Zahl der Rotläufer an zwei Kölner Haltestellen, einmal vor der Installation der Bodenampeln, einmal danach. In beiden Fällen lag die Rotläuferquote bei über 80 Prozent. „Wir konnten keine Wirksamkeit feststellen“, sagt Stuva-Bereichsleiter Dirk Boenke. An einer Stelle seien sogar mehr Personen über Rot gegangen als vorher. Bei der anschließenden Befragung gaben die Fußgänger an, die Bodenampeln durchaus wahrgenommen zu haben. „Manche sagten, sie gingen deshalb vorsichtiger über die Gleise“, sagt Boenke. „Aber dieser Eindruck ist natürlich subjektiv.“

Das Problem: Die Fußgänger sind von optischen Reizen überflutet

Auch Michael Schreckenberg, Professor für Transport und Verkehr an der Universität Duisburg-Essen, ist skeptisch. „Ich habe von Anfang an vermutet, dass das nichts bringt“, sagt Schreckenberg. Die Menschen seien schon jetzt von optischen Reizen überflutet. „Überall blinkt es und leuchtet es. Da macht ein kleines Licht im Boden keinen Unterschied.“ Für Smartphone-Nutzer schlägt der Verkehrsexperte eine „direkte Rückmeldung auf dem Gerät“ vor, also eine Textnachricht, die dazu auffordert, stehen zu bleiben. Wie das technisch und rechtlich funktionieren könnte, weiß allerdings auch Schreckenberg nicht. „Vielleicht wären akustische Signale noch eine Möglichkeit, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wenn die Bahn losfährt, könnte eine Warnung aus dem Lautsprecher kommen.“

Die Kritik an den Bodenampeln ist bei den Verantwortlichen angekommen. „Wir hatten uns mehr erhofft“, räumt Patric Stieler ein. Der Amtsleiter für Verkehrsmanagement in Köln spricht von „allerlei Gimmicks“, die die Industrie an seine Behörde herantrage – von 3D-Zebrastreifen bis hin zu Bodenampeln. „Vieles davon ist am Ende Spielerei“, sagt Stieler. Natürlich könne man die technische Aufrüstung nicht ins Unendliche treiben. „Aber wir mussten etwas tun. Jeder Tote ist einer zu viel.“ So sieht es auch die Kölner Polizei, die zwar keine eigenen Daten zur Wirksamkeit der Bodenampeln erhoben hat. Man unterstütze aber generell jede Maßnahme, die der Verkehrssicherheit diene.

Die bestehenden Bodenampeln dürfen im Boden bleiben

Bislang hat die Stadtverwaltung in Köln nach eigenen Angaben etwa 75 000 Euro für die Bodenampeln an den drei Gleisübergängen ausgegeben. Nach dem gescheiterten Versuch sollen nun keine weiteren mehr hinzukommen. Die bestehenden dürfen aber im Boden bleiben, solange die Kreuzungen nicht umgebaut werden. „Wir haben außerdem noch einmal die Rot-Zeiten optimiert“, ergänzt Stieler. „Wenn eine Bahn durchgefahren ist, können Fußgänger direkt weitergehen. Bleibt die Ampel trotzdem Rot, heißt das, dass eine weitere Bahn aus einer anderen Richtung kommt.“

Doch es gibt noch eine weitere Idee, wie man Fußgänger zum Anhalten motivieren kann: hellere Ampeln. An fast allen Stadtbahn-Haltestellen haben die Kölner Verkehrsbetriebe die Schablonen der Fußgänger-Ampeln umgedreht. Das Männchen leuchtet also nicht mehr Rot auf schwarzem Hintergrund, sondern umgekehrt. Ein knalliger roter Hintergrund beleuchtet ein schwarzes Männchen. Außerdem ist der Durchmesser der Schablonen größer und es gibt an allen Ampeln gleich zwei davon. Diese simple Methode scheint erfolgreicher zu sein als alle Bodenampeln. Bei einer weiteren Untersuchung ging die Zahl der Rotläufer von 86 Prozent auf 58 Prozent an der entsprechenden Stelle zurück.

Bleibt die Frage, ob sich die Ergebnisse auf andere Städte übertragen lassen

„Die Wartebereitschaft war deutlich höher“, sagt Forscher Boenke – und das bei einem relativ geringen Aufwand. Boenke vermutet, dass es bei zusätzlichen Warnsignalen auf die richtige Dosierung ankommt. „Wenn es überall blinkt und klingelt, haben wir zu viel Kirmes.“ Die umgedrehten Ampelschablonen seien hingegen gut sichtbar und selbsterklärend. „Wer die übersieht, geht ganz bewusst über Rot. Da nützt auch die beste Technik nichts mehr.“

Bleibt die Frage, ob sich die Ergebnisse von Köln auf andere Städte übertragen lassen. In Augsburg wurden im Jahr 2016 ebenfalls Bodenampeln installiert. Laut Stadtwerke-Sprecher Jürgen Fergg sind diese an zwei Straßenbahn-Übergängen noch immer im Einsatz. Wobei sich das Ergebnis mit dem in Köln deckt: „Die Menschen sind aufmerksamer“, sagt Fergg, „aber sie gehen trotzdem bei Rot.“ Eine wissenschaftliche Begleitung gab es in Augsburg nicht; trotzdem sollen keine weiteren Bodenampeln mehr hinzukommen. „An anderen Stellen sehen wir derzeit keinen Bedarf dafür“, sagt Fergg.

Auch in Karlsruhe gibt es eine Bodenampel

Auch in Karlsruhe gibt es eine Bodenampel. An der Straßenbahn-Haltestelle „Mühlburger Tor“ ist seit 2014 ein Signalstreifen im Boden eingelassen, der blau aufleuchtet, sobald eine Tram heranrollt. Allerdings ist das Ergebnis ebenso ernüchternd wie in Köln: „Die Leuchtstreifen erfüllen nicht ihren Zweck“, sagt Sarah Fricke, Sprecherin der Karlsruher Verkehrsbetriebe. Gerade bei starkem Sonnenschein leuchteten die Streifen einfach nicht hell genug. „Wir werden nun wieder verstärkt auf andere Maßnahmen setzen“, sagt Fricke. Die Bodenampel bleibe bis auf Weiteres trotzdem in Betrieb.

Der Fußgänger-Schutzverein Fuss e.V. hält sich mit klaren Forderungen zurück. „Es gibt leider keine Patentlösung“, meint Geschäftsführer Stefan Lieb. Er persönlich halte die umgedrehten Signalschablonen für „eine gute Idee, die einen Versuch wert ist.“ Dass das Risiko durch abgelenkte Smartphone-Nutzer insgesamt zunimmt, glaubt Lieb unterdessen nicht. „Unfälle mit Fußgängern, die nicht auf die Fahrbahn achten, sind in den letzten Jahren stark zurückgegangen.“ Das Problem mit den Smartphone-Zombies erscheine ihm dann doch „arg übertrieben“.