Der Gehweg in Heimsheim gilt als zu schmal. Foto: Simon Granville

Die meisten Erledigungen machen die Heimsheimer mit dem Auto. Das soll sich ändern: Der Gemeinderat billigte jetzt ein umfangreiches Fußverkehrskonzept.

Von einem „absoluten Novum im Enzkreis“ ist die Rede gewesen und von einer „Leuchtturmfunktion in der Region“. Derart gelobt wurde ein Verkehrskonzept, das einen Schwerpunkt auf Barrierefreiheit und Sicherheit für Fußgänger legt. Das Enzkreis-Landratsamt bestätigte auf Nachfrage, dass ein solch umfangreiches Konzept erstmalig in einer Kommune im Landkreis erstellt wurde.

 

Seit Jahren beschäftigt sich Heimsheim mit diesem Thema. Mit der Billigung des umfangreichen Konzepts durch den Gemeinderat findet es einen vorläufigen Abschluss, der zugleich ein Auftakt ist. Denn die Liste von möglichen Verbesserungen im öffentlichen Raum besonders für Fußgänger ohne und mit Rollatoren, Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen ist lang.

Die Bushaltestellen im Ort sollen barrierefrei werden. Foto: Simon Granville

Begonnen hatte alles vor einigen Jahren, als der Stadtseniorenrat mit einer Tour durch die Stadt zusammen mit dem Rollstuhlfahrer Alexander Lang, der das Büro Barrierefreies Leben betreibt, allerhand Hindernisse und Gefahrenstellen für Verkehrsteilnehmer per pedes oder bewegungseingeschränkte Menschen ausmachte. Lang erarbeitete nach einer Bestandsaufnahme zusammen mit dem Karlsruher Fachbüro Koehler und Leutwein ein Konzept samt Handlungsleitfaden. Der Planer Andreas Holder betonte, dass dies kein fertiges Werk sei. Es könnten noch weitere Punkte dazukommen oder wegfallen. „Nichts ist in Stein gemeißelt“, sagte er.

Dank dieses Konzepts, dessen Erstellung vom Land Baden-Württemberg mit 20 Prozent bezuschusst wird, kann die Stadt für alle Maßnahmen zur Barrierefreiheit mit 75 Prozent Zuschüssen rechnen, wenn noch Umweltaspekte dabei sind, mit bis zu 90 Prozent. So wirken die von den Planern geschätzten Gesamtkosten für alle aufgeführten Maßnahmen von rund 3,5 Millionen Euro schon nicht mehr so gewaltig.

Für den Umweltschutz und eine Verringerung des CO2-Ausstoßes solle künftig idealerweise jeder zweite Weg zu Fuß oder per Rad zurückgelegt werden. Damit dies für alle Verkehrsteilnehmer möglich wird, brauche man mehr Flächen etwa für Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen. An etlichen Straßen in Heimsheim gebe es überhaupt keine Gehwege, vorhandene seien oft zu schmal oder würden von Autos zugeparkt. Poller und Abschrankungen stellen Hindernisse dar, von den Bushaltestellen in der Stadt sei keine einzige barrierefrei. Mehr Sitzgelegenheiten gerade für ältere oder bewegungseingeschränkte Menschen werden auch gewünscht.

Die Planer haben in Begehungen viele Stellen in der Stadt mit Verbesserungspotenzial ausgemacht. 54 Maßnahmenvorschläge, die überwiegend auf Barrierefreiheit abzielen, gibt es allein für den Fußgängerverkehr. So könnten Treppen- und Rampenanlagen normgerecht gestaltet und mit Handläufen versehen werden.

Als Beispiele dafür nennen die Planer etwa die Fußgängertreppen zwischen der Panorama- und der Lilienstraße, der Leonberger und Mozartstraße sowie der Graf-Eberhard-Straße und Mönsheimer Straße. Eingeschränkte Gehwege durch Gitter haben die Planer an der Heerstraße beim Eingang zum Kindergarten ausgemacht, am Drosselweg sowie entlang des Fußwegs am Kotzenbachsee.

Eine kritische Stelle sei der Bereich Hauptstraße/Leonberger Straße, weil hier der nördliche Gehweg durch das Waldhorn-Gebäude auf lediglich 80 Zentimeter eingeengt ist. Die Verbreiterung des Gehwegs und das Versetzen des Fußgängerüberwegs seien zu prüfen, um die Engstelle zu beseitigen.

Zentral von Bedeutung seien Fußgängerquerungen, wie die über die Leonberger Straße auf Höhe der Bushaltestelle. Diese müsse verbreitert werden, um den geltenden Richtlinien zu entsprechen.

Bürgermeister Jürgen Troll: „bemerkenswerter Meilenstein“

Nicht nur der Bürgermeister Jürgen Troll bezeichnete das Konzept als „bemerkenswerten Meilenstein, der jetzt erreicht wurde“. Auch aus dem Gemeinderat gab es viel Zustimmung für die Vorschläge der Planer. „Ein sehr gut ausgearbeitetes Konzept“, sagte zum Beispiel Ralf Rüth (CDU). „Aber wir müssen uns klar sein, dass wir in den nächsten Jahren nur einen Teil davon machen können, je nach Haushaltslage.“ Ihm sei wichtig, dass das Gremium bei jeder einzelnen Maßnahme abschließend entscheide, betonte Ralf Rüth.

Der Stadtbauamtsleiter Andor Varszegi erklärte, dass im Zusammenhang mit dem jetzt begonnenen Ausbau für Breitbandkabel mit einzelnen Maßnahmen schnell reagiert werden könne. Jürgen Gerhold (Bürger für Heimsheim) brachte den Wunsch nach einer „echten Bürgerbeteiligung“ vor. Der Bürgermeister griff den Gedanken auf mit dem Hinweis, dass es dabei in erster Linie um Barrierefreiheit gehen müsse.