Die in der thailändischen Höhle eingeschlossenen Jungen Foto: AFP

Nachdem Retter die verschollenen Jungen eines Fußballteams in einer Höhle in Thailand entdeckt haben, steht ein weiterer schwieriger Teil bevor: Die Bergung der Gruppe könnte Wochen bis Monate dauern.

Mae Sai - Sie sind am Leben, und es geht ihnen den Umständen entsprechend gut. Das ist die gute Nachricht, die am Dienstagmorgen der zuständige Provinzgouverneur von Chiang Rai, Narongsak Osottanakorn, nach der medizinischen Untersuchung verkünden konnte. „Vielleicht haben einige Jungen leichte Verletzungen“, sagte Osottanakorn. Aber keiner sei in Lebensgefahr. Das bestätigen auch die ersten Videobilder der Marine, die nun nach außen drangen: Es zeigt die Jungen still in der Höhle Tham Luang-Khun Nam Nang Non sitzend – erschöpft, aber überglücklich. „Ihr seid sehr stark“, sagte ein Retter und erklärte ihnen, sie seien seit dem vergangenen Montag festgesessen. Ein Junge erblickte die Kamera und sagte auf Thai: „Oh, sie wollen ein Foto machen. Sag ihnen, wir sind hungrig. Ich hatte nichts zu essen.“ Im einfachen Englisch rief er: „Essen, essen, essen!“

Das Essen ist bereits auf dem Weg zu den Jungen. Sehr viel Essen. So meldete die BBC unter Berufung auf das Militär, dass Vorräte in die Höhle geschafft werden, die für mindestens vier Monate reichen werden, ebenso Medikamente. Denn so lange muss die Jugendgruppe schlimmstenfalls weiter ausharren. „Wir müssen zu hundert Prozent sicher sein, dass sie gefahrlos herauskommen können“, sagt der Gouverneur.

Das Problem ist das Wasser, bestätigt Andreas Kücha von der Höhlenforschungsgruppe Ostalb-Kirchheim am Ries. Der 49-jährige Höhlentaucher ist bekannt durch die Erforschung des Blautopfs und kennt auch die Bedingungen in der Tham Luang-Khun Nam Nang Non. Vor zehn Jahren war er selbst in dem südostasiatischen Höhlensystem unterwegs und weiß: „Der Wasserpegel in der Höhle kann gerade zur Regenzeit innerhalb weniger Minuten ansteigen.“ Ohne entsprechende Ausrüstung und Erfahrung gäbe es da kein Durchkommen.

Die Jugendlichen wurden von einer Sturzflut überrascht

Tatsächlich waren die sintflutartigen Regenfälle auch der Grund, warum die Jugendgruppe überhaupt in die missliche Lage geraten ist. Die zwölf Jungen im Alter von elf bis 16 Jahren waren am 23. Juni nach einer Trainingseinheit mit ihrem Trainer in die Höhle eingestiegen. Dort wurden sie dann von einer Sturzflut überrascht und hatten sich vor dem ansteigenden Wasser immer tiefer in die Höhle gerettet.

Zwar wird seit Tagen versucht, Wasser aus dem Höhlensystem abzupumpen. Aber für den Experten Andreas Kücha sind das eher Behelfslösungen. Tatsächlich deuteten auch die Rettungsmannschaften vor Ort schon an, dass die 40 Pumpen, die Tausende Liter von Wasser aus der Höhle auf die umliegenden Reisfelder pumpen, angesichts der neuen Niederschläge bereits an ihrer Leistungsgrenze angekommen sind.

„Die Gruppe wird nicht umhinkommen, durch einige Passagen tauchen zu müssen, um ins Freie zu kommen“, sagt Kücha. Zwar haben die Helfer schon angekündigt, die Jugendlichen und den Trainer so weit aufzupäppeln, dass sie in der Lage sind, diese Passagen zu meistern. Auch ein Tauchtraining werde vorbereitet. Dennoch hält der Experte Kücha es für möglich, dass man den Höhepunkt der Regenzeit abwarten will, um einen einigermaßen stabilen Wasserpegel zu haben. „Für Laien ist es machbar, überflutete Passagen von 30 bis 40 Metern zu durchtauchen“, sagt er. Je länger die überfluteten Gänge sind, desto stärker ist die Strömung. Hinzu kommt, dass die Sichtweite unter Wasser sehr schlecht ist. „Um solche Tauchgänge zu meistern, braucht es sehr viel Erfahrung.“ Das könnten die Jungen in kurzer Zeit eigentlich nicht lernen.

Die Dunkelheit mache einen fertig, sagt Höhlenforscher Andreas Kücha

Dass die Jungen die elftägige Gefangenschaft so gut überstanden zu haben scheinen, grenzt für den Höhlenforscher Kücha an ein Wunder: „Zwar sind die klimatischen Bedingungen einigermaßen okay.“ So herrschen in der Höhle Temperaturen von um die 27 Grad Celsius, auch das Wasser sei nicht kälter als rund 25 Grad. „Aber die Dunkelheit macht einen fertig, das geht an die Psyche“, sagt Kücha. Die Gruppe habe sicher nur einfache Taschenlampen dabeigehabt. „Irgendwie müssen es die Kids geschafft haben, damit sehr sparsam umzugehen.“

Hinzu komme der Hunger. Es gebe zwar genügend Insekten, die man zur Not essen könne. „Dennoch ist es erstaunlich, dass die Jungs nicht in Panik geraten sind.“ Denn tatsächlich sei das stets die größte Gefahr, die in den Höhlen lauert. Kücha sagt: „Wenn etwas bei Höhlenexpeditionen passiert, ist es meist, dass jemand die Kontrolle über sich verliert – und dann unüberlegt etwas tut, was ihn letzten Endes in Gefahr bringt.“ Vor Ort sind die erfahrenen britischen Höhlenretter Rick Stanton und John Volanthen. „Wir kennen uns gut“, sagt Kücha. „Ich bin mir sicher, wenn es jemand schaffen kann, die Kinder zu retten, dann die beiden.“