Hat der Schiedsrichter die Gelbe Karte vergessen? Die rote Karte löst auf jeden Fall einen Eklat aus. Foto: dpa

Nachdem es bei einem Kreisligaspiel im Mai zu Tumulten gekommen ist, müssen sich nun Fußballer und Fans des FV Dersim Sport Ludwigsburg vor Gericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, den Schiedrichter verprügelt zu haben.

Ludwigsburg - Folgt man den Angeklagten und den Zeugen aus den Reihen von Mannschaft und Fanclub des FV Dersim Sport Ludwigsburg sind am 14. Mai 2017 lediglich „gesunde fußballerische Emotionen“ hochgekocht. Denn „der Schiedsrichter hat blöd gepfiffen“, darum sei es nur natürlich gewesen, dass Spieler und Zuschauer ihn umringten, um gegen seine Entscheidungen zu protestieren. Was dann passiert ist, will keiner von ihnen gesehen haben. Aktenkundig aber ist, dass der Unparteiische mit Fäusten traktiert wurde, wobei er mehrere Prellungen im Gesicht erlitten und einen Zahn verloren hat. Er selbst sagt: „Ich hatte Todesangst.“

Ein ehemaliger Spieler des TSV Grünbühl, gegen den der FV Dersim an dem betreffenden Sonntag gespielt hat, berichtet indes von „ungesunden Emotionen“. Die Atmosphäre sei von der ersten Minute an vergiftet gewesen, sagte er am Donnerstag am Amtsgericht Ludwigsburg, wo sich drei Männer im Alter von 24 bis 42 wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen. Möglicherweise habe es einige Fehlentscheidungen des Schiedsrichters gegeben. Vieles davon aber sei der aggressiven Grundstimmung geschuldet gewesen, meinte der 30-jährige Exfußballer.

Gewalt eskaliert in der 66. Minute

In der 66. Minute seien Wut und Ärger übergekocht, glaubt die Staatsanwaltschaft. Da nämlich hat der Schiedsrichter einen FV-Spieler nach einem Foul mit Gelbrot vom Platz geschickt. Ein krasser Fehler, meinten die Dersim-Spieler und bestürmten den Schiri: Zu dem Zeitpunkt habe es schon so viele Verwarnungen auf beiden Seiten gegeben, dass er den Spieler verwechselt habe, sagte der FV-Trainer im Zeugenstand. „Unsere Nummer Drei hatte noch keine Gelbe Karte.“ Der Platzverweis sei somit nicht rechtens gewesen.

Bei allem Verständnis für diese Situation, so könne doch davon niemand für sich das Recht ableiten, „den Schiedsrichter wie ein Tier in die Ecke zu treiben“, sagte die Vorsitzende Richterin. Genauso aber schildern die Staatsanwaltschaft, das Opfer und einige an jenem Tag als Ordner eingesetzte Helfer das weitere Geschehen: Demnach fühlte sich der Schiedsrichter nach dem Platzverweis so heftig attackiert und beleidigt, dass er das Spiel abbrach. Daraufhin mussten die Ordner und andere Personen vom Gastgeberverein den Unparteiischen mit ihren Körpern abschirmen. Im Nu waren sie von 40 bis 50 Personen umringt und wurden so im Pulk über den Spielfeldrand hinaus gegen einen Zaun gedrängt.

„Ich pfeife seit 15 Jahren Fußballspiele“, sagte der 41 Jahre alte Schiedsrichter, „aber so etwas habe ich noch nie erlebt.“ Er habe keinen Ausweg mehr gesehen. Als er mit dem Rücken zum Zaun gestanden habe, hätten immer wieder welche versucht, an den Ordnern vorbei nach ihm zu greifen und zu schlagen. Irgendwann sei es einigen gelungen, ihn mit Fäusten auf dem Kopf und im Gesicht zu treffen. Einmal sei er kurz bewusstlos zu Boden gegangen, aber bald wieder aufgestanden. „Die Menge war einfach zu groß“, sagte auch einer der Ordner. „Man konnte gar nicht alle abwehren.“ Psychisch sei er noch immer angeschlagen, sagte der Schiedrichter: „Ich hatte solche Angst, ich habe mir in die Hose gemacht.“

Hetzjagd auf dem Fußballplatz

Diese Hetzjagd sei erst zu Ende gewesen, als die Polizei nach etwa zehn Minuten eingetroffen sei, berichteten Zeugen vom Gastgeberverein TSV Grünbühl. Eine Polizeibeamtin meinte, „das Tohuwabohu war so groß, dass wir vor Ort niemand vernehmen konnten“. Die Streife habe lediglich die Namen von Verdächtigen notieren können. Nach weiteren Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft drei Personen angeklagt, obwohl die Zahl der mutmaßlichen Täter größer sein dürfte. Das Gericht muss nun nachweisen, wer von ihnen wie zugeschlagen hat, während die Verteidiger versuchen, die Aussagen über die Identität der mutmaßlichen Täter zu erschüttern.

Auch nach der Vernehmung von 15 Zeugen war das Gericht nicht überzeugt. Der Prozess wird im Januar fortgesetzt. Dann werden weitere sechs Zeugen angehört.