Premiumprodukt Fußball – mit weltweitem Vermarktungs-Potenzial Foto: dpa

Von 2026 an wird die Fußball-Weltmeisterschaft mit 48 Teams ausgespielt. „Das ist gut fürs Geschäft, aber schlecht für den Sport“, kommentiert StN-Autor Gunter Barner, nimmt aber auch die Bundesliga aufs Korn. „Wer sich mit Macht weltweit vermarkten will, darf sich nicht wundern, wenn er global Begehrlichkeiten weckt, das Geschäft lieber selber zu machen.“

Stuttgart - „Ätsch“, täte man gern rufen und den Spießgesellen aus der Liga der Heuchler beschwichtigend ihre zornesroten Wangen tätscheln: „Dann dürft ihr halt selbst nicht immer nur die Hand aufhalten!“ Das Geschrei zwischen München und Hamburg ist groß, weil der Weltfußballverband (Fifa) von 2026 an die WM vergrößert: von 32 auf 48 Teams. Das bringt schätzungsweise 600 Millionen Euro mehr in die Kasse, was ein Segen für die Fifa ist – und für ihren Präsidenten Gianni Infantino. Weil doch das FBI noch immer wegen mafiaähnlicher Strukturen ermittelt, einige Großsponsoren abgesprungen sind und die vielen Rechtsanwälte ein Heidengeld kosten. Und weil Infantino vielleicht bald schon eine Gehaltserhöhung kriegt. Sein Jahressalär von rund 1,86 Millionen Euro soll er als „Beleidigung“ bezeichnet haben. Außerdem ist seine Wiederwahl in drei Jahren beschlossene Sache. Die Kleinsten unter den 209 Fifa-Mitgliedsländern sind ihm zu tiefstem Dank verpflichtet.

Zwar ist noch nicht ganz sicher, dass die Marshallinseln, die Malediven oder St. Kitts und Nevis bis 2026 eine Mannschaft zusammenbekommen. Falls ja, stehen die Chancen aber nicht schlecht, dass sie dabei sind, wenn sich das globale Hochamt des Fußballs in neun Jahren endgültig den Zwängen des Turbokapitalismus ergibt. Das ist mit Sicherheit gut fürs Geschäft, aber schlecht für den Sport. Wer quält sich als Zuschauer schon gern durch eine Vorrunde, die vom Reiz des Fußballs so gut wie nichts zu bieten hat.

Selbstbewusst, aber aussichtslos

Schuld, schimpft etwa Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, sind die grauen Herren von der Fifa, denen das Geld so viel wichtiger ist als die Spielkultur. Christian Seifert, Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL), fürchtet sogar die Verwässerung seines Premiumprodukts, das Jahr für Jahr neue Umsatzrekorde meldet. Und Reinhard Grindel, neuer Präsident des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), hatte in Zürich selbstbewusst, aber aussichtslos hinterlegt, dass die XXL-WM die armen Spieler auf keinen Fall stärker belasten dürfe. Grindel selbst war bei der Fifa-Entscheidung ja leider nicht dabei. Er darf erst ab Mai an den Tisch des hohen Fifa-Rats. Der DFB forscht noch immer nach ein paar Milliönchen, die im Werben um die WM 2006 irgendwo in der arabischen Wüste versickerten. Weshalb Wolfgang Niersbach, sein Amtsvorgänger, zurücktreten musste und von der Fifa-Ethik-Kommission gesperrt wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Bayern in ihrer Rolle als Lordsiegelbewahrer deutscher Fußballkunst überlegen jetzt, wie sie so eine Mammut-WM zwischen dem Beckenbauer-Cup, dem Audi-Pokal, dem Kick gegen die Paulaner-Traumelf und dem Marketing-Tingeltangel durch Asien während der Sommerpause noch irgendwie unterbringen können. Vielleicht spielen sie die WM dann doch wieder lieber im Winter. Wie in Katar 2022. Da waren ja auch alle dagegen – bis sich die Fifa mit großzügiger Entschädigung die Zustimmung erkaufte.

China mit im Spiel

Wer den Fußball mit Macht weltweit vermarktet, darf sich eben nicht wundern, wenn er weltweit auch Begehrlichkeiten weckt, das Geschäft lieber selbst zu machen. Eben erst hat die Bundesliga eine Kooperation mit China besiegelt. Mit freundlicher Unterstützung der Bundesregierung. Chinesische Clubs locken die Stars aus dem alten Europa mit astronomischen Gehältern, Investoren kaufen sich ein bei Manchester City, bei Inter und AC Mailand und Atletico Madrid. Schon gilt China neben den USA als heimlicher Favorit für die WM-Vergabe 2026. Wer sonst könnte so ein Mammut-Turnier stemmen?

gunter.barner@stuttgarter-nachrichten.de