Miroslav Klose könnte schon am Montag in den Zirkel der WM-Legenden aufsteigen, die mindesten vier Weltmeisterschaften absolviert haben. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: dpa

So alt wie Miroslav Klose ist kein anderer Nationalspieler im deutschen Team – doch das soll nichts heißen. Der 36-Jährige hat in Brasilien noch viel vor. Persönlich und mit dem DFB-Team.

Santo André - Es ist viel passiert um Miroslav Klose in jüngster Zeit. Da war sein Treffer im letzten WM-Testspiel gegen Armenien, sein 69. im 132. Länderspiel, mit dem er den großen Gerd Müller als Rekord-Torjäger im Trikot mit dem Bundesadler ablöste. Da war die Vorfreude auf sein siebtes und vermutlich letztes Turnier, und weil er am Tag der Ankunft in Brasilien 36 Jahre alt wurde, musste er sich ein wenig Spott anhören, als er sagte: „Jetzt freue ich mich auf die WM in Italien.“ Er sei halt nicht mehr der Jüngste, hieß es, da könne man schon mal etwas durcheinanderbringen. Gut, dass der Stürmer von Lazio Rom seinen Lapsus wenig später selbst bemerkte: „Ich habe Italien gesagt, oder? Da war ich zuletzt wohl zu lange!“ Genau seit drei Spielzeiten, um genau zu sein, bei Lazio Rom, mit dem er den italienischen Pokal gewonnen hat.

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Brasilien, Italien? Hauptsache WM. 2002, beim Turnier in Japan und Südkorea, hatte er sich zum ersten Mal mit den Besten auf diesem Globus gemessen. Wenn er daran denkt, muss er sich fast kneifen, so unwirklich mutet das an. Es dürfte die Zeit gewesen sein, in der Teampsychologe Hans-Dieter Hermann die letzten Spieler verortet, die auf Dienstreisen mit der Nationalmannschaft über Heimweh geklagt hätten. „Damals haben wir vom DFB jeder ein Handy bekommen, um nach Hause telefonieren zu können“, erinnert sich Klose, „das Internet hat da noch niemanden interessiert. Deshalb wussten wir damals ja auch nicht, was für eine Euphorie in Deutschland war. Heute gehst du auf Reisen und hast ein Handy, iPad, Musikplayer und was weiß ich noch dabei. Ich glaube, gerade die jungen Spieler können sich gar nicht vorstellen, wie das früher mal war. Wahnsinn.“

Als Einziger im deutschen Team ist der „ewige Miro“, wie er ehrfurchtsvoll genannt wird, noch immer dabei. Die Gründe sind schnell ausgemacht: Bescheidenheit, sportlicher Ehrgeiz und die Kunst, sich dem Wandel der Zeit anzupassen. Klose, zu seinen Bundesligazeiten beim 1. FC Kaiserslautern, Werder Bremen und Bayern München vor allem ein gefürchteter Kopfballspezialist, hat sich zu einem Kombinationsspieler gewandelt, der dennoch nie seinen Instinkt verloren hat.

„In seinem Alter noch auf einem so hohen Niveau zu spielen, das schafft ganz gewiss nicht jeder“, sagt der brasilianische Ex-Torjäger Ronaldo. Dem ist nicht zu widersprechen. Und es gibt Beweise für diese Besonderheit.

Lediglich 22 Profis weltweit, genau zwei Fußballmannschaften, waren vor dem Turnier in Brasilien bei mindestens vier WM-Turnieren aktiv am Ball. Klose ist einer der Nächsten, womöglich steigt er schon im Auftaktspiel gegen Portugal an diesem Montag (18 Uhr/ARD) in den erlesenen Zirkel der WM-Legenden auf. Oder in einer der nächsten Partien, dafür reicht ihm ja schon eine Minute Einsatzzeit. Doch Miroslav Klose will mehr.

Er will spielen, spielen, spielen. Und immer noch mehr Tore erzielen. Denn er hat schon den nächsten Rekord im Visier. Insgesamt 14-mal hat er bei den WM-Turnieren 2002 (fünf), 2006 (fünf) und 2010 (vier) getroffen, einmal weniger als ebendieser Ronaldo (37), der nun um seine Bestmarke zittert. Er hatte ja gedacht, sie gelte für die Ewigkeit. Deshalb ist seine Bewunderung für Klose eher vordergründig. Auf dem sportlichen Altenteil kann er wenig dagegen tun, dass Klose ihm den Rekord abknöpft, weshalb ihm die Sache nicht ganz geheuer vorkommt. Und was tut da ein Brasilianer? Er bemüht höhere Kräfte und will Klose verhexen lassen.

Aberglaube ist im WM-Gastgeberland weit verbreitet. „Ich bitte euch um einen Gefallen“, rief der als „El Fenomeno“ berühmte Torjäger seinen Landsleuten zu, „verhext Klose doch ein bisschen, das wäre sehr gut.“

Dumm nur, dass er Klose dann doch zu wenig kennt. Denn solche verbalen Spitzen wertet der Torelieferant als zusätzlichen Anreiz, seine großartige Laufbahn vollends der Vollendung zuzuführen: „Der Rekord würde mir sehr viel bedeuten und treibt mich an.“ Sein alleiniges Ziel ist das aber nicht: „An oberster Stelle steht immer die Mannschaft.“ Der er vieles zutraut, aber nicht zwangsläufig den WM-Titel. „Das zu behaupten“, sagt Klose, „wäre vermessen. Die Südamerikaner sind für mich die Favoriten, aber wir haben eine Mannschaft, die weit kommen kann.“ Und je länger sie im Turnier bleibt, desto mehr Tore kann Klose noch erzielen. Der große Gerd Müller drückt ihm jedenfalls beide Daumen: „Wenn Miro den Rekord von Ronaldo knackt, dann hat er auch international seinen Platz in der Fußballgeschichte.“

Dann kann Klose auch getrost über seinen Abschied nachdenken. Bei Lazio Rom hat er noch mal für eine Saison verlängert, im DFB-Trikot könnte schon sein letztes Spiel bei diesem Turnier das letzte seiner Karriere sein. Was danach kommt? Nach seiner aktiven Laufbahn will Klose den Trainerschein erwerben und mit seiner Familie nach München zurückkehren. Und dann will der passionierte Angler sich noch einen Traum erfüllen, der ihm bei dieser WM verwehrt bleibt: Fische fangen im Amazonas. „Das hätte mich schon gereizt. Aber unser Quartier liegt am Atlantik. Und am Meer finde ich es nicht so spannend.“ Gut, wer sich immer neue Ziele im Leben bewahrt.

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