Am 20. November startet die Fußball-WM in Katar. Foto: IMAGO/Laci Perenyi

Die WM-Organisatoren werben mit einem demontierbaren Stadion und der „nachhaltigsten WM der Geschichte“. Doch Katar verursacht den höchsten Ausstoß klimaschädlicher Emissionen weltweit – und setzt noch wenig auf erneuerbare Energien.

Das Organisationskomitee der Fußball-WM 2022 hat in seinem Hauptquartier einen Vorführraum eingerichtet. In einer Vitrine sind die Bewerbungsunterlagen für das Turnier ausgestellt, daneben stehen Modelle der Stadien. „Wir haben das erste komplett demontierbare Stadion bei einer WM“, sagt Bodour al-Meer, die im Organisationskomitee für Nachhaltigkeit verantwortlich ist. „Mich erinnert das ein bisschen an mein Lieblingsspielzeug aus der Kindheit, an Lego. Auch unser Stadion wurde mit vielen Einzelbausteinen zusammengesetzt.“

Bodour al-Meer steht im Vorführraum neben dem Modell des Stadions 974. Benannt nach der internationalen Telefonvorwahl Katars. Und benannt nach der Zahl der Schiffscontainer, die angeblich zum Baumaterial des Stadions gehören. „Es ist das nachhaltigste Stadion von allen“, sagt al-Meer. „Ein bisschen wie ein Zirkuszelt, bloß komplizierter. Wir bauen es auf und können es an einem anderen Ort später wieder aufbauen.“ Mit diesem Vorzeigemodell möchte Bodour al-Meer belegen, dass es sich um die „nachhaltigste Weltmeisterschaft der Geschichte“ handelt. Auch andere Stadien im Radius von 50 Kilometer rund um die Hauptstadt Doha sollen teils zurückgebaut werden. Doch hinter diesem Marketing drängt sich eine andere Frage auf, die auch nächste Woche auf der UN-Klimakonferenz in Ägypten diskutiert werden dürfte: Kann die Fußball-WM am Persischen Golf zu einem stärkeren Bewusstsein für die Klimakrise führen?

Über die drohende Gefahr scheint man sich in Doha nicht im Klaren zu sein

Seit Jahrzehnten verdankt Katar seinen Wohlstand lukrativen Gasexporten. Die rund 300 000 Staatsangehörigen, die rund zehn Prozent Bevölkerung ausmachen, brauchen für Strom und Wasser fast nichts bezahlen. Der Ausstoß klimaschädlicher Emissionen ist allerdings einer der höchsten weltweit. Einkaufszentren werden mit riesigen Klimaanlagen ebenso heruntergekühlt wie so manches Stadion. Viele Katarer fahren große Autos und meiden die neue Metro. Über die Gefahr scheint man sich in Doha noch nicht im Klaren zu sein. Bei fortschreitender Erderwärmung könnte die Arabische Halbinsel bis zum Ende des 21. Jahrhunderts unbewohnbar sein. „Katar setzt bislang kaum auf erneuerbare Energien“, sagt der Islamwissenschaftler Tobias Zumbrägel, der sich mit der Klimapolitik der Golfstaaten befasst. „Es gibt zwar eine neue Solarstromanlage, aber dabei handelt es sich um ein Prestigeprojekt für die WM.“ In den vergangenen Jahren hat Katar zwar strengere Umweltregularien erlassen, allerdings werden diese oft von lokalen Baufirmen unterlaufen.

Es kann sein, dass die Hotelkapazitäten in Katar nicht ausreichen

Katar muss langfristig seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren und will neue Wirtschaftszweige etablieren. Das Herrscherhaus wirbt um Investitionen, Fachkräfte, Touristen. Lange vor der Fußball-WM sollten Großereignisse diese Strategie bekannter machen. So fand Ende 2012 die UN-Klimakonferenz in Doha statt. Aber: „Die ganze Infrastruktur in Katar ist eher für das Autofahren ausgelegt“, sagt Tobias Zumbrägel. „Es wurden strukturell die falschen Anreize gesetzt, die man jetzt nicht mehr so schnell ändern kann.“

Und es gibt noch ein weiteres Problem: Es ist gut möglich, dass die Hotelkapazitäten in Katar nicht für 1,5 Millionen WM-Touristen ausreichen werden. Viele Fußballfans werden daher in mehr als 160 Pendelflügen pro Tag aus Nachbarstaaten anreisen. Der Deutsche Fußball-Bund hat für seine Anhänger ein Camp in Dubai geplant. Von Nachhaltigkeit kann dabei keine Rede sein.