Am Ende einer Ära: Das blamable Aus bei der WM 2018 bedeutet wohl auch den Abpfiff für Joachim Löw. Foto: AFP

Aus, vorbei! Es ist der schwerste K.o. der deutschen Fußball-Geschichte und wohl das Ende der Ära von Bundestrainer Joachim Löw. Jetzt braucht es das schnelle Ende seiner Selbstzufriedenheit.

Stuttgart - Nein, es ist kein Albtraum, es ist die knallharte Realität. 0:2 gegen Südkorea (lesen Sie hier die Einzelkritik). Die Fußball-WM in Russland spielt ohne den Titelverteidiger weiter. Der Weltmeister hat sich bis auf die Knochen blamiert. Zum ersten Mal in der WM-Geschichte ist ein deutsches Team schon in der Vorrunde ausgeschieden. Totenstille auf den deutschen Partymeilen. Ungläubige Gesichter, hängende Köpfe, quälende Fragen und Fassungslosigkeit unter den Fans. Heiliger Zorn, ätzende Kritik und beißender Spott fluten die sozialen Medien. Der Stimmen-Kanon spiegelt die Gemütslage wider: Man kann bei einer WM scheitern, aber nicht in einer Gruppe mit Mexiko, Schweden und Südkorea.

Fehler schonungslos aufarbeiten

Es wäre ein Leichtes, nun schweres Geschütz aufzufahren und auf alles zu zielen, was zur Jahrhundert-Blamage beigetragen hat. Klüger ist es, die Geschehnisse schonungslos aufzuarbeiten. Es war schon seit einiger Zeit nicht mehr alles Gold, was in Reihen des Titelverteidigers glänzte. Joachim Löw hat einem Kader vertraut, den er um den Kern der Weltmeisterelf von 2014 formierte, dabei den Konkurrenzkampf zwischen den Etablierten und den nachrückenden Talenten zu zögerlich geschürt. Gründlich unterschätzt hat er dabei die unterschiedlichen Motivationslagen und Leistungsvermögen. Sami Khedira ist über dem Zenit seiner Karriere, Thomas Müller, Jerôme Boateng und Joshua Kimmich steckte noch eine Spielzeit in den Knochen, in der sie die Erwartungen mit dem FC Bayern nicht erfüllen konnten. Der Ärger um die dreiste Fotosession von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit Recep Erdogan ging am Team auch nicht spurlos vorüber.

Joachim Löw wollte bei dieser WM von Anfang ein Zeichen setzen – und verzockte sich mit der Taktik gleich im ersten Spiel gegen Mexiko. Die DFB-Auswahl stand zu hoch, lockte den Gegner nicht aus der Defensive und lud stattdessen zu Kontern ein. Jetzt gibt es nur noch ein Signal, es steht auf Rot und bedeutet: Das Ende der Ära eines großen Bundestrainers. Auch wenn ihm der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Treue halten sollte, Löw wäre gut beraten, seinen Hut zu nehmen. Auch für die eine oder andere Stammkraft im Team wird der Weg enden.

Das Ende der Selbstzufriedenheit

Der deutsche Fußball steht trotz der Pleite nicht vor einem Scherbenhaufen, es gibt immer noch genügend Talente. Aber die Bundesliga muss ihre Ausbildungsstandards überprüfen, die Liga hat an Klasse eingebüßt, die internationale Konkurrenzfähigkeit hat sichtbar gelitten. Der deutsche Fußball braucht keine Revolution, aber das Ende der Selbstzufriedenheit. So schnell wie möglich.

gunter.barner@stuttgarter-nachrichten.de