Keylor Navas ist Costa Ricas Rückhalt und Ratgeber. Foto: Imago// Mutsu Kawamori

Mit fast 36 Jahren ist Keylor Navas die wichtigste, auffälligste und eigenwilligste Figur beim Deutschland-Gegner Costa Rica. Auf ihn wartet nun wohl Schwerstarbeit.

Die meisten Schalensitze im Al-Ahli-Stadion sind bereits vergilbt. Was kaum verwundert, weil es in einem der ältesten Fußballstadien von Katar kaum Schattenplätze gibt. Einen aber hatte Keylor Navas am Montag gefunden, als sich die meisten Nationalspieler von Costa Rica bereits in praller Sonne die Bälle zuspielten. Der Keeper lehnte derweil mit gespreizten Beinen am Tisch des Analysten Gabriel Trejos, der hinter dem Beobachtungsturm seinen Laptop aufgeklappt hat. Angeregt plauschten die beiden miteinander, und natürlich war nicht zu ermitteln, ob es bereits um das Gruppenspiel Costa Rica gegen Deutschland (Donnerstag 20 Uhr/ARD) oder eher um Belanglosigkeiten des Lebens ging.

Blond auf Schwarz

Vielleicht ja um beides, denn auch der Keeper und Kapitän spielt eine Doppelrolle: Er ist beim nächsten Gegner der DFB-Auswahl Rückhalt und Ratgeber. Und: ihre auffälligste Figur. Gegen Japan (1:0) kleidete sich der 35-Jährige ganz in Schwarz, nachdem er gegen Spanien (0:7) noch bunte Kluft getragen hatte. Selbst seine Schuhe kamen am Sonntag ohne jeden Farbtupfer aus, sodass die blondierten Haare noch mehr hervorstachen. Für eine Rolle in der amerikanischen Filmreihe „Men in Black“ wollte Navas sich zwar nicht bewerben, aber die Auszeichnung zum „Man of the Match“ hätte eigentlich ihm gehört.

Vorbild mit Strahlkraft

Dabei dürfte es dem Schlussmann von Paris Saint-Germain nach einem tadellosen 109. Länderspiel ganz recht gewesen sein, dass die Wahl auf Siegtorschütze Keysher Fuller fiel. Navas hatte eine solche Trophäe beim Triumphzug bis ins Viertelfinale der WM 2014 gleich dreimal erhalten, was ihm stets Pflichttermine vor der Weltpresse einbrachten, die ihm nicht wirklich zusagen. Selbst beim sehr entspannten Medientross aus seiner Heimat wird die Torwart-Ikone als „eigenwilliger Typ“ verortet. Aber dafür redet sein Trainer Fernando Luis Suarez gerne von einem Vorbild, dessen Strahlkraft weit über das kleine Land mit seinen vielen Naturschönheiten hinausreiche: „Er ist im Fußball weiter gekommen als jeder andere Mittelamerikaner. Er hat dreimal die Champions League gewonnen! Wenn er zur Nationalelf kommt, bringt er ein PSG-Trikot mit allen Autogrammen mit und verlost es unter den drei jüngsten Spielern der Nationalelf“, verriet der Kolumbianer in der „Süddeutschen Zeitung“.

Navas hatte zuletzt keine einfache Zeit mehr in Europa. Bei Real Madrid brach der bei den Königlichen sehr beliebte Ballfänger seine Zelte 2019 ab, weil ihm der Belgier Thibaut Courtois den Rang abgelaufen hatte; bei Paris Saint-Germain hat sich der Italiener Gianluigi Donnarumma durchgesetzt. Beide sind jünger und größer als der mit 1,85 Meter für einen Torhüter eher nicht so imposant gebaute Costa-Ricaner, dem der Mangel an Spielpraxis aber nichts ausmacht. Und seinem Coach erst recht nicht.

„Er ist ein Krieger“

„Keylor ist ein Krieger. Es ist nicht das erste Mal, dass er derart kämpfen muss, bei Real Madrid war das auch schon so. Natürlich wäre es besser, wenn er spielen würde“, sagt Suarez. Der 62-Jährige trat seinen Job erst an, als die „Ticos“ in der Concacaf-Qualifikation schon fast hoffnungslos im Hintertreffen lagen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen baute er ein enges Vertrauensverhältnis zu seinem Anker unter der Latte auf. „Bei meinem Gespräch mit Keylor Navas sagte er als Erstes: ‚Ich glaube, das wird meine letzte WM sein – und ich will dabei sein. Sie können immer auf mich zählen.’“

Gute-Laune-Garant

Navas gehört genau wie Joel Campbell, Bryan Ruiz oder Celso Borges – die alle noch weit mehr Länderspiele gemacht haben – zu jenen Veteranen, die sich vor acht Jahren bei der WM in Brasilien einen Legendenstatus erworben haben.

Allüren zeige seine Nummer eins aber nicht, betont der Trainer. „Die Leute glauben, er säße in einem Olymp, irgendwo dort oben, aber so ist es nicht.“ Dass sich der Torwart nun ein bisschen schonte, wirkte vor der Herausforderung im Al-Bayt-Stadion nur allzu verständlich: Auf ihn dürfte Schwerstarbeit zukommen. Gerade die physische Überlegenheit der Deutschen bereitet dem Außenseiter einiges Kopfzerbrechen. Aber die gute Laune, das ist offenkundig, kann der Delegation niemand nehmen.

Als ihr Anführer verspätet in die Aufwärmrunde beim Kreisspiel einstieg, dauerte es nicht lange, bis alle sich wegen einer Banalität auf die Schenkel klopften. Das Gelächter dröhnte bis über die Straße. An der Zufahrt zum Trainingsgelände gleich neben einem Minarett steht in weißen Versalien auf rotem Grund das Motto, unter dem Costa Rica diese WM angeht: „Pura Vida en Catar 2022“. Pures Leben in Katar 2022. Die Schattenseiten müssen ja nicht ausgeklammert werden. Manche brauchen sie sogar – wie Keylor Navas.