Angriffslustig und fokussiert: Bundestrainer Joachim Löw Foto: dpa

Vor dem wegweisenden zweiten Gruppenspiel bei der Fußball-WM gegen Schweden nimmt Joachim Löw sein Team mit markanten Worten in die Pflicht. Mats Hummels fällt wohl aus.

Sotschi - Joachim Löw, das zeigte sich recht schnell auf der Pressekonferenz am späten Freitagnachmittag in Sotschi, war angriffslustig. Der Bundestrainer war fokussiert, fordernd, gestenreich. Und er war energisch. Zu Beginn der Pressekonferenz aber war von dem noch nichts zu sehen gewesen – denn da teilte Löw die schlechte Nachricht vor dem so wichtigen zweiten WM-Gruppenspiel der deutschen Elf gegen Schweden an diesem Samstag (20 Uhr/ARD) mit: Der Bundestrainer muss wohl seine Innenverteidigung umbauen. Mats Hummels wird sehr wahrscheinlich nicht spielen können. Denn, so berichtete Löw: „Er hat sich den Halswirbel verrenkt und konnte nicht in die Kopfballduelle gehen.“

Für Hummels dürfte nun Niklas Süle, sein Clubkollege vom FC Bayern, zum Zuge kommen, Antonio Rüdiger vom FC Chelsea ist eine weitere Option. Für Süle allerdings spricht das Eingespieltsein im Münchner Abwehrverbund mit Manuel Neuer, Joshua Kimmich und Jérôme Boateng. Hummels selbst hat die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben. Er schrieb bei Twitter: „Habe immer noch ein wenig Hoffnung für morgen, so ein wichtiges Spiel will man einfach nicht verpassen.“

Wie auch immer: Die Personalfrage in der Innenverteidigung war bei Weitem nicht die einzige Thematik am Rande der Pressekonferenz in den Katakomben des Fisht-Stadions. Im Fokus stand vor allem der Bundestrainer – und damit sein Auftreten und sein Handeln vor dem wegweisenden zweiten deutschen Gruppenspiel.

Für Gomez spricht, dass seine Wucht gegen die bulligen Schweden sicher gefragt sein könnte

Das wird Löw ändern: Viel wurde spekuliert über die deutsche Aufstellung – in die Karten schauen ließ sich Löw nicht. Es gilt allerdings als gesichert, dass der Offensivmann Marco Reus von Beginn an auflaufen wird, für ihn müssten entweder Julian Draxler oder Mesut Özil weichen. Zudem drängt Mario Gomez in die Startelf. Der Stürmer des VfB Stuttgart saß ebenfalls auf dem Podium bei der offiziellen Pressekonferenz – und antwortete auf die Frage, ob das ein Indiz für einen Startelfeinsatz sei, dies: „Es kann sein – es kann aber auch ein Bluff sein.“ Gomez grinste und sagte dann noch: „Die Chancen stehen bei 50 zu 50. Es ist ein bisschen wie beim Roulette.“

Für Gomez spricht, dass seine Wucht gegen die bulligen Schweden sicher gefragt sein könnte. Gegen ihn wiederum spricht, dass Löw am Freitag explizit betonte, dass man sicher nicht nur lange Bälle vorne rein spielen wolle. Denn dann, so Löw, passiere das: „Dann sagen die Schweden uns ‚Herzlichen Dank‘.“ Als gesichert gilt, dass der nach grippalem Infekt wiedergenesene Jonas Hector die Linksverteidigerposition von Marvin Plattenhardt übernehmen wird.

Darauf kommt es Löw an: Das Schlusswort am Freitag war eindeutig und offenbar gut vorbereitet. Joachim Löw sprach bewusst mit leiser Stimme. So, dass auch wirklich jeder genau hinhörte. „Im Training“, sagte der Bundestrainer, habe die Mannschaft nach dem schwachen Auftakt gegen Mexiko eine Reaktion gezeigt. Kurze Pause: „Das ist aber auch eine Selbstverständlichkeit.“ Abermalige Pause: „Aber jetzt muss die Reaktion auf dem Platz zu sehen sein. Und ich bin mir sicher, dass es diese Reaktion geben wird.“ Sprach’s, stand auf und ging. Löws Kernbotschaft zum Abschluss, sie war platziert.

Löw sprach auch von den Waffen, die sein Team einsetzen müsse

Löws Rhetorik war eindeutig. Er sprach von der Einstellung und der Power, auf die es ankomme. Und davon, dass seine Mannschaft endlich ihre Stärken auf den Platz bringen müsse.

Löw sprach auch von den Waffen, die sein Team einsetzen müsse – und meinte damit vor allem das Tempospiel in der Offensive und die Läufe in die Tiefe, die gegen Mexiko so sehr gefehlt haben.

Dann wurde Joachim Löw grundsätzlich – und was er sagte, war im Grunde ein verspätetes Armutszeugnis für seine Elf im ersten Vorrundenspiel gegen Mexiko. Der Bundestrainer betonte: „Die zwei wichtigsten Waffen sind Siegeswille und eine andere Körpersprache, die anders sein muss als gegen Mexiko. Das sind die Grundvoraussetzungen. Es ist ein Match der absoluten Hingabe und Aufopferung.“ So geht Löw mit seinen Spielern um: Die Mannschaft scheint die Botschaften ihres Trainers verstanden zu haben – Mario Gomez etwa gab sich am Freitag schon mal hoch motiviert: „Es wird die Mannschaft gewinnen, die den Sieg mehr will, und das werden wir sein“, sagte der Stürmer.

Joachim Löw verfolgte diese Aussagen noch in einem Nebenraum des Fisht-Stadions – und wurde später grundsätzlich. Es ging um das Vertrauen in seine Jungs, allen voran in seine Weltmeister von 2014, die jetzt zum Auftakt gegen Mexiko fast alle einen schwarzen Tag erwischten. Denn bei allen Forderungen an seine Profis – wegen eines schlechten Spiels, so Löw, „geht das über Jahre erarbeitete Vertrauen doch nicht verloren. Jetzt stellen wir nicht alles infrage, das wäre fatal.“ Der Bundestrainer ergänzte jedoch, dass jeder dem Leistungsgedanken unterliege: „Einer kann auch mal auf der Bank sitzen, weil man im Turnier auch mehr als elf Spieler braucht.“

Jetzt, an diesem Samstag, gilt es für die deutsche Elf

So präsentiert sich Löw: Die Strandpromenade von Sotschi, das ist Löws Wohlfühlzone. Jeden Tag ging er da zuletzt frühmorgens am Ufer der Schwarzmeerküste joggen. Löw gibt sich betont locker, er ist zum Gespräch bereit, er macht Selfies mit den Fans. Und er posiert lässig für die Fotografen an den Laternen – und löst so auch kontroverse Diskussionen aus in der Öffentlichkeit. Darf der das, soll der das tun in dieser sportlich prekären Lage? Joachim Löw versucht für sich selbst den Mix herauszufinden zwischen totaler Konzentration und Lockerheit. Klar ist: Intern zog Löw die Zügel an. Und extern auch. Was sich am Freitagmittag eindrucksvoll zeigte.

Jetzt, an diesem Samstag, gilt es für die deutsche Elf. Siegen oder Fliegen, das ist zugespitzt die Frage beim Weltmeister. Für Löw ist die Arbeit ist nun größtenteils getan. Jetzt ist die Mannschaft am Zug. Oder, wie der Bundestrainer betont: „Die Jungs müssen liefern.“