Vor 50 Jahren verspielten die Fußballer des VfL Sindelfingen trotz guter Ausgangslage die Meisterschaft in der 2. Amateurliga in letzter Sekunde. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Einen Spieltag vor Saisonende 1974/1975 war die Ausgangslage eindeutig: Der VfL Sindelfingen, der im Jahr zuvor in Sachen Meisterschaft knapp der SpVgg Aidlingen den Vortritt hatte lassen müssen, war mit zwei Punkten Vorsprung Tabellenführer der 2. Amateurliga. Die Mannschaft um Herbert Rotter, Willi Mathe, Gerhard Mayer, Alfred Tausch, Horst Kohler, Siegfried Mauritz, Helmut Kurtz, Heinrich Bartetzko und Dieter Wylezich fuhr extra ins Trainingslager nach Waldorfhäslach, um für den Schlussspurt gewappnet zu sein. „Unser Trainer Hans Gries hatte alles probiert, um uns zu motivieren“, sagt der frühere Halblinke Gerhard Rinder.
Dabei hatten er und seine Teamkollegen sieben Partien vor Schluss sogar noch acht Zähler mehr als der ärgste Rivale, die Amateure der Stuttgarter Kickers. Nach einem 0:1 gegen den FC Winnenden waren es noch sechs, nach dem 0:3 beim drittplatzierten VfL Nagold kurz darauf noch vier. Am vorletzten Spieltag patzten die Daimlerstädter erneut, dieses Mal zu Hause mit 0:3 gegen den Nachbarn GSV Maichingen. Der Kontrahent rückte mit einem 1:0 bei der SpVgg Stuttgart-Ost wieder näher heran.
„Wir hatten lange Zeit so souverän gespielt. Aber in dieser Phase ist es uns nicht gelungen, den Hebel umzulegen“, erinnert sich Gerhard Rinder. „Vielleicht hatten wir das Gefühl, schon durch zu sein. Wenngleich ich keine Überheblichkeit feststellen konnte“, so der heute 76-Jährige. Es gab stattdessen Störfeuer von außen, indem Gerüchte kursierten, die Truppe hätte schon gefeiert.
Beim Saisonfinale ging es ausgerechnet zu den nun lediglich zwei Pünktchen dahinter lauernden Blauen aus Degerloch, gegen die bereits das Hinspiel daheim 4:5 verloren wurde. Weil beide Teams ein fast identisches Torverhältnis hatten, konnte sich der Spitzenreiter eine 0:1-Niederlage erlauben. In der Nachspielzeit führte der Verfolger mit eben jenem Ergebnis – 1:0. Dann gab es einen umstrittenen Strafstoß für ihn, den Gäste-Libero Rolf Steeb verursacht hatte. „Aus unserer Sicht war es kein Elfer. Steeb hatte im Fünfmeterraum Rudi Hirsch nur leicht berührt“, beschreibt Gerhard Rinder.Beim Saisonfinale ging es ausgerechnet zu den nun lediglich zwei Pünktchen dahinter lauernden Blauen aus Degerloch, gegen die bereits das Hinspiel daheim 4:5 verloren wurde. Weil beide Teams ein fast identisches Torverhältnis hatten, konnte sich der Spitzenreiter eine 0:1-Niederlage erlauben. In der Nachspielzeit führte der Verfolger mit eben jenem Ergebnis – 1:0. Dann gab es einen umstrittenen Strafstoß für ihn, den Gäste-Libero Rolf Steeb verursacht hatte. „Aus unserer Sicht war es kein Elfer. Steeb hatte im Fünfmeterraum Rudi Hirsch nur leicht berührt“, beschreibt Gerhard Rinder.
Sein Kamerad Helmut Silbernagel zwischen den Pfosten wehrte das Leder vor 1000 Zuschauern zunächst ab, doch der Nachschuss saß. Danach pfiff der Schiedsrichter ab.„So ein Negativereignis, das macht was mit einem“, war für Gerhard Rinder in diesem Moment das letzte Selbstvertrauen flöten gegangen. „Wir hatten ein recht gutes Spiel gemacht und nicht nur verteidigt.“
Die Folge: Beide Titelanwärter waren nun punktgleich und hatten zudem die gleiche Tordifferenz von plus 31. Entscheidungsspiele waren zwar fünf Jahre zuvor eigentlich abgeschafft worden, aber vier mehr geschossene Tore des VfL sollten nicht über Wohl und Wehe entscheiden. Deswegen gab es Mitte Juni 1975 ein Duell auf neutralem Platz, um den Meister zu ermitteln. 1:4 unterlag der langzeitige Primus vor 3300 Zuschauern in Leinfelden, wobei Gerhard Rinder kurz vor Schluss der Ehrentreffer gelang.
Laut dem damaligen KRZ-Bericht wirkten die Akteure beim Verlierer „müde und ausgebrannt“, während die des Gewinners „nur so vor Selbstvertrauen strotzten und läuferisch überlegen waren“. Außerdem stand da zu lesen: Die Sindelfinger wirkten gehemmt, und nur selten kamen flüssige Kombinationen zustande.“ So erklärt sich auch das klare Ergebnis. „Wir waren chancenlos und nicht auf der Höhe“, gibt Gerhard Rinder freimütig zu. „Das war ein tragisches Ende der Saison.“
Bei den Stuttgartern spielten damals übrigens unter anderem Walter Kelsch, der später zum VfB Stuttgart wechselte und über 200-mal in der Bundesliga auflief, und Heinz-Jürgen Voise, der Anfang der 90er-Jahre für ein paar Monate Coach des TV Darmsheim wurde. „Für ihn war diese Saison 74/75 der Durchbruch“, weiß Gerhard Rinder.
Es wäre übertrieben, zu behaupten, dass sich die Unterlegenen von diesem Nackenschlag nicht mehr erholten. Aber Fakt ist, dass sie über mehrere Jahr nicht mehr so nah am Aufstieg dran waren und schließlich 78/79 sogar aus der neu gegründeten Landesliga, Staffel III, abgestiegen sind. Die Vermutung liegt nahe, dass es nie soweit gekommen wäre, wenn sie in jener denkwürdigen Saison den Aufstieg in die 1. Amateurliga gepackt hätten.
Gerhard Rinder
Fast zehn Jahre:
Er kickte von 1969 bis 1978 beim VfL Sindelfingen, unterbrochen von einem Engagement beim FC 04 Singen in der Schwarzwald-Bodensee-Liga, und wechselte danach zu seinem Heimatverein FC Unterjettingen zurück, wo er 78/79 prompt Meister der Kreisliga A wurde. In der Bezirksliga kreuzten sich somit für zwei Spielzeiten die Wege mit seinem Ex-Verein aus der Daimlerstadt.
Weg nach oben:
Bereits in der Jugend hatte er beim FCU gespielt. Über Einsätze in der Bezirksauswahl war er ins Visier der Stuttgarter Kickers geraten, für die er bei den Junioren und auch bei den Aktiven auflief, zumal er in der Landeshauptstadt auch arbeitete. In Unterjettingen schaut Rinder, dessen Herz für den VfB Stuttgart schlägt, aktuell nur noch sporadisch bei den Kreisliga-B-Spielen vorbei.