Beim jüngsten Heimspiel des VfB am 6. März hatte die Polizei alle Hände voll zu tun – am Cannstatter Bahnhof gerieten die Beamten selbst ins Visier von Krawallmachern. Foto: 7aktuell.de

Die Polizei schlägt zurück: Ein 20-Jähriger, der bei den Fußball-Krawallen am 6. März in Bad Cannstatt massiv Beamte angegriffen haben soll, sitzt seit Mittwoch hinter Gittern. Ihm wird ein versuchtes Tötungsdelikt vorgeworfen.

Stuttgart - Etwa drei Kilo soll die Parkhausschranke wiegen, die am 6. März zum Wurfgeschoss wurde. Das Teil flog auf zwei Polizisten zu, die beim Cannstatter Bahnhof plötzlich auf verlorenem Posten standen, verfehlte die Beamten aber, traf deren Streifenwagen. Der beispiellose Angriff von Krawallmachern nach dem VfB-Heimspiel gegen Hertha BSC wurde erst gestoppt, als ein 44-jähriger Beamter die Dienstpistole zückte und in die Luft schoss. Jetzt hat der Fall erste Konsequenzen: Ein 20-Jähriger, der die Schranke geworfen haben soll, sitzt in Untersuchungshaft.

Der junge Mann aus Leinfelden-Echterdingen war bisher nicht wegen Gewaltdelikten aufgefallen. Lediglich bei Kontrollen von Ultragruppierungen im Umfeld von VfB-Spielen wurde sein Name registriert. Das reichte aber aus, um ihn bei der Auswertung eines dreieinhalbminütigen Videos, das die Krawallszenen in der Eisenbahnstraße zeigt, und beim Abgleich mit anderem Bildmaterial zu identifizieren. „In seiner Wohnung wurde umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt“, sagt Polizeisprecher Olef Petersen. Der Haftrichter war am Mittwoch ebenfalls überzeugt: Wegen des Verdachts eines versuchten Tötungsdelikts schickte er den 20-Jährigen hinter Gitter.

Sturmhauben, Böller, Pyrotechnik - und fünf Handys

Mittendrin soll auch ein 19-Jähriger gewesen sein. Bei ihm zu Hause im Stuttgarter Westen fand die Kripo Sturmhauben, über 100 Böller und pyrotechnische Gegenstände, dazu fünf Mobiltelefone. Der 19-Jährige hat erheblich mehr auf dem Kerbholz, ist in der Datei Gewalttäter Sport gelistet und mehrfach wegen Körperverletzung bei der Polizei registriert. Ein Stadionverbot hat der 19-Jährige gleichwohl nicht. In der Mercedes-Benz-Arena sah er das 0:0 gegen Hertha BSC Berlin. Jetzt prüfen die Ermittler, ob die vielen Handys bei diversen Randalen als Kommunikationsmittel eingesetzt wurden.

„Weitere Verdächtige sind identifiziert und müssen nun mit polizeilichen Maßnahmen rechnen“, sagt Polizeisprecher Petersen. Immerhin sind da noch mindestens zwei kiloschwere Pflastersteine, die auf die beiden Beamten der Hundeführerstaffel geschleudert wurden. Ein Beamter musste mit einer Kopfplatzwunde ins Krankenhaus.

Aggressionen erreichen eine neue Qualität

Die Fußball-Randale hatte auch in der Politik für einen Aufschrei gesorgt. Die Polizeigewerkschaften forderten höhere Strafen, nachdem die Aggression rund um Fußballstadien eine neue Qualität erreicht habe. Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) kündigte verschärfte Maßnahmen an, die bei der Innenministerkonferenz im Juni vom Bund beschlossen werden sollen. Dazu gehörten lebenslange Stadionverbote, personalisierte Tickets, Platzverweise für alkoholisierte Rowdys in Bus und Bahn.

Der VfB Stuttgart hat sich bisher zurückhaltend geäußert. Es sei mehr als deutlich gewesen, dass Grenzen überschritten wurden, hatte es VfB-Präsident Bernd Wahler formuliert. „Es muss alles getan werden, dafür zu sorgen, dass sich derartige Vorfälle nicht wiederholen.“ Nach den Erfolgsmeldungen der Polizei ergänzt ein VfB-Sprecher: „Als Verein werden wir alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um vereinsrechtliche Maßnahmen gegen identifizierte Täter einzuleiten.“ Gemeint seien Haus- und Stadionverbote, aber auch Vereinsausschlüsse, sofern es sich um Mitglieder handele. „Dazu müssen wir aber erst einmal die Namen der Beschuldigten haben“, so der Sprecher, „dann können wir auch agieren.“

Allgemein sei es aber schwierig, die komplexen Gruppen im Umfeld der Anhänger könnten nicht über einen Kamm geschert werden. Zur Nagelprobe kommt es freilich schon am Samstag beim nächsten VfB-Heimspiel. Eintracht Frankfurt gilt als brisantes Spiel, bei der die Polizei in der Vergangenheit immer wieder Fankrawalle verhindern musste.