Kapitän und Abwehrchef: Mats Hummels lässt nichts anbrennen. Foto: Getty

Der Nationalverteidiger Mats Hummels ist seit Monaten in bestechender Form – und freut sich über Vergleiche mit einem Giganten.

London - Das Denkmal von Franz Beckenbauer mag zusehends bröckeln – als Libero aber gilt er immer noch als ungekrönter Fußball-Kaiser. Kein Wunder also, dass sich Mats Hummels „sehr geschmeichelt“ fühlte, als er nun wieder einmal mit Beckenbauer verglichen wurde: „Das gefällt mir gut. Von der Spielweise her versuche ich das schon auch so zu machen.“

So legendär wie Beckenbauers Auftritt vor 45 Jahren in Wembley, als eine DFB-Elf erstmals in England gewann, wird das unspektakuläre 0:0 im Testspiel am Freitagabend zwar nicht werden. Doch beeindruckte zumindest Mats Hummels – auf ganz ähnliche Weise wie sein Vorbild: Als zentraler Abwehrspieler in der Dreierkette gab er einen modernen Libero, gewann fast mühelos jeden Zweikampf, dribbelte bei Gelegenheit elegant durchs Mittelfeld, spielte gepflegte Pässe mit dem Außenrist – und trug nicht nur die Rückennummer 5, sondern auch die Spielführerbinde.

In seinem 61. Länderspiel trägt Hummels erstmals die Kapitänsbinde

61 Länderspiele hat es gedauert, bis Hummels die deutsche Nationalmannschaft zum ersten Mal als Kapitän aufs Spielfeld führte. Das sei „definitiv ein schöner Moment, gerade an so einem Ort wie Wembley“, sagt er. Gleichzeitig war es das sichtbare Zeichen dafür, dass Hummels in der Weltmeisterauswahl nun endgültig in die Rolle des Chefs geschlüpft ist.

Zu Beginn seiner Länderspielkarriere (die 2010 gegen Malta mit der Einwechslung für den damaligen Stuttgarter Serdar Tasci begann), musste sich Hummels noch hinter Per Mertesacker anstellen. Anschließend galt lange sein Nebenmann Jérôme Boateng als Chef der deutschen Abwehr, vor allem zuletzt bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich. Doch ärgerte sich hinterher keiner mehr über das unnötige Aus im Halbfinale als Hummels, der die Niederlage gegen Frankreich zum Anlass nahm, noch eine Schippe draufzulegen.

Sein Nebenmann Jérôme Boateng hat regelmäßig mit Verletzungen zu kämpfen

Während Boateng seither regelmäßig mit Verletzungen zu kämpfen hat, befindet sich sein Münchner Vereinskollege Hummels mit 28 Jahren am Zenit seiner Leistungsfähigkeit. „Ich bin ganz zufrieden, wie das jetzt seit einigen Monaten läuft“, sagt der Weltmeister mit vornehmer Untertreibung und will „einfach in jedem Spiel daran anschließen.”

Also freut sich Hummels nun auch auf das nächste Duell mit Frankreich, „eine sensationelle Mannschaft und ein Topfavorit für das WM-Turnier“. Zwar hat Joachim Löw schon angekündigt, im letzten Länderspiel dieses Jahres am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in Köln einige personelle Änderungen vorzunehmen und einzelne Spieler schonen zu wollen – dass er freiwillig auf seinen überragenden Abwehrorganisator verzichtet, erscheint aber doch eher unwahrscheinlich.

Der Konkurrenzkampf um die WM-Tickets findet ohne Hummels statt

„Er ist unser großer Stabilisator“, sagt der Bundestrainer. Vom „härtesten Konkurrenzkampf“ seiner Amtszeit, den Löw mit Blick auf die WM in Russland schon vor einigen Monaten ausgerufen hat, ist Hummels ohnehin ausgenommen. Er gehört zum Kreis der Unantastbaren – nicht allein, weil er aufgrund seiner Leistung über jeden Zweifel erhaben ist.

Mats Hummels, ein kluger Kopf mit dem Aussehen eines Models, hat sich nie damit begnügt, nur sein eigenes Spiel zu optimieren. Er ist ein Spieler, der schon immer gern Verantwortung übernommen hat. In jungen Jahren ist ihm dies oft als Schlaumeierei ausgelegt worden – inzwischen hat seine Stimme großes Gewicht, in der DFB-Elf ebenso wie beim FC Bayern.

Hummels mischt sich auch in die Trainersuche des FC Bayern ein

Im September war Hummels der Erste, der in aller Schärfe die Naziparolen deutscher Fans beim WM-Qualifikationsspiel in Tschechien verurteilte. Er war auch der erste deutsche Spieler, der die Common-Goal-Initiative unterstützte und ein Prozent seines Gehalts für soziale Projekte spendete. Und bei der Münchner Suche nach einem neuen Trainer will er sich nicht damit begnügen, nur abzuwarten, wen die Bayern-Bosse als Nachfolger von Jupp Heynckes engagieren. Stattdessen gibt er als Vordenker in der in der „Bild am Sonntag“ öffentlich seine Meinung kund.

Bei Julian Nagelsmann sei er „hin- und hergerissen“, weil der Hoffenheimer Coach „nur zwei Jahre älter ist als ich. Aber ich halte es nicht für unmöglich“. Eine Verpflichtung von Thomas Tuchel hingegen, zu dem er einst in Dortmund ein nicht unbelastetes Verhältnis pflegte, würde er erst „dann kommentieren, wenn es so weit ist“. Der eloquente Hummels weiß: Nichts zu sagen, kann manchmal besonders vielsagend sein.