Lange Zeit war Torhüterin Almuth Schult die Nummer eins im deutschen Fußball-Nationalteam der Frauen. Nach ihrer Babypause ist jetzt Merle Frohms die Stammkraft – und macht ihre Sache gut
Fotos der Zwillinge sind für die Pressevertreter im Grashoppers Rugby Football Club im Londoner Stadtteil Brentford zwar absolut tabu – und doch sind die beiden zweijährigen Kinder der Torfrau Almuth Schult, ein Junge und ein Mädchen, auch während der heißen EM-Phase mit dem Viertelfinalspiel der deutschen Fußball-Nationalelf der Frauen am Donnerstag (21 Uhr/ARD) gegen Österreich ein Teil des Teams. Schult ist die einzige Mutter im DFB-Kader. Ihre Kinder wohnen daher quasi in Form eines Pilotprojektes mit Betreuungspersonal im Mannschaftshotel, und sie sind auch am Rande des Trainings häufig präsent.
Lange Zeit ist Almuth Schult die klare Nummer eins im Tor der DFB-Elf gewesen. Bei der Heim-WM 2011 noch Ersatz für Stammkeeperin Nadine Angerer, avancierte die heute 31-Jährige von 2015 an zur hechtenden Frontfrau – und war lange Zeit hinten drin eine echte Bank. Schult wurde mit dem DFB-Team unter anderem Olympiasiegerin in Rio, machte bislang 64 Länderspiele – und hält in der Frauen-Bundesliga, wo sie 266 Partien absolvierte, den Rekord mit 1051 Minuten ohne Gegentor.
Stets auch ein kritischer Geist
„Sie gibt uns mit ihrer Persönlichkeit viel Sicherheit“, sagt Außenverteidigerin Giulia Gwinn weiterhin über die Torfrau aus Dannenberg an der Elbe, die dem Mannschaftsrat angehört und ohne die etwa das Aushandeln der EM-Prämie mit Oliver Bierhof, dem Direktor Nationalmannschaften beim DFB, nicht denkbar wäre. Denn Schult gilt als kritischer Geist, der die Dinge hinterfragt – und sie hegt für die Zukunft auch Ambitionen, auf dem Funtionärsparkett Karriere zu machen.
Zunächst einmal ist Almuth Schult aber ihren Posten als Nummer eins zwischen den Pfosten beim achtmaligen Europameister los geworden – was auch mit ihren Zwillingen zu tun hat. „Meine Güte, das wird ein langer Weg“, erklärte Schult etwa, als die Torfrau des deutschen Branchenprimus und Doublesiegers VfL Wolfsburg nach der Babypause im Dezember 2020 wieder ins Training eingestiegen war. „Wenn die Hormonlage in deinem Körper eine andere ist, verändert sich auch das Leistungsvermögen“, erklärte Schult: „Das ist für einen Profisportler nicht optimal. Nach dem ersten Training war ich völlig fertig.“
Von der Statur her kleiner und zierlicher, was in puncto Strafraumbeherrschung gerade für Fußball-Torhüterinnen eine zusätzliche Herausforderung darstellt, ist derweil Merle Frohms. Sie ist die neue Stammkeeperin der Deutschen – und hat ihre Sache in den drei Vorrundenpartien gegen Dänemark (4:0), Spanien (2:0) und Finnland (3:0) bestens erledigt. Kein Gegentor hat Frohms bei ihrem ersten großen Turnier bislang kassiert – obendrein hat sie mit Reflexen und Ausstrahlung gepunktet.
„Es war für Merle ein toller Einstieg. Sie hat sich in sämtlichen technischen wie taktischen Bereichen weiterentwickelt – und ist auch in ihrer Persönlichkeit gereift“, sagt der DFB-Torwarttrainer der Frauen, Michael Fuchs, über die 27-Jährige von Eintracht Frankfurt, die Almuth Schult von der kommenden Saison an auch in der Bundesliga beim VfL Wolfsburg beerben wird. Nach insgesamt acht Spielzeiten am Mittellandkanal zieht es Schult derweil in die USA, zum Angel City FC. Dies ist ein Profiteam aus Los Angeles, an dem neben dem US-Soccer-Superstar Mia Hamm (einst 276 Spiele für die Nationalelf) und Tennis-Ikone Serena Williams auch die Schauspielerinnen Natalie Portman und Eva Longoria Anteile besitzen.
Auf dem Weg zum neunten EM-Titel?
Doch derzeit liegt der Fokus der Deutschen auf dem Viertelfinale gegen Österreich. „Das wird kein Spaziergang“, sagt die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg – trotz einer überzeugenden Vorrunde mit neun Punkten und neun eigenen Treffern ohne Gegentor auf dem Weg zum möglichen neunten EM-Titel.
„Was wir als Mannschaft bisher gezeigt haben, war der Wahnsinn“, resümierte Merle Frohms erleichtert die ersten Erfolgsetappen. Schließlich hatte gerade die Torhüterinnen-Frage im Vorfeld des Turniers für Diskussionen gesorgt. Zwar konnte Schult aufgrund von Schulter-OP und Babypause fast drei Jahre kein Länderspiel absolvieren; dennoch hatte die medial erfahrene, auch in Fragen der Emanzipation des Frauenfußballs stets kritische Torfrau zunächst offen ihre Ansprüche artikuliert.
Inzwischen steckt Almuth Schult im teaminternen Duell zurück, zumal Merle Frohms ihre Position als Stammkraft mit starken Leistungen gefestigt hat. Gerade im zweiten Spiel gegen Spanien hatte die 27-Jährige starke Momente. „Es war schön, dass ich ein Signal senden konnte“, sagte Frohms: „Falls ihr nicht alles verteidigt bekommt, bin ich auch noch zur Stelle. Ihr könnt euch auf mich verlassen.’“