Verständnis für besorgte Fußball-Fans: DFL-Boss Christian Seifert Foto: Bongarts

Die deutschen Proficlubs müssen die Mehrheit an ihrer Profifußballabteilung halten. Kapitalanleger dürfen allerdings an die Macht, wenn sie einen Verein 20 Jahre lang gefördert haben.

Stuttgart - Als der Wechsel von André Schürrle für 32 Millionen Euro Ablöse zum VfL Wolfsburg besiegelt war, trat Ralf Rangnick vor die Kameras. „Schürrle“, sagte der Sportdirektor von RB Leipzig, „hätten wir uns auch leisten können – wir wollten ihn aber nicht.“ Wohlgemerkt: RB Leipzig ist Zweitligist, und das Gesamtvolumen des Wechsels beträgt mehr als 50 Millionen Euro. Das verschlägt dem einen oder anderen Experten dann doch die Sprache. Heribert Bruchhagen beispielsweise. „Ja, wo sind wir denn?“, fragte der Vorstandschef von Eintracht Frankfurt, „mir ist das ein bisschen unheimlich.“ Da ist er nicht allein.

Den Traditionalisten sind Investorenclubs wie RB Leipzig, der VfL Wolfsburg oder die TSG Hoffenheim ein Gräuel. Vor allem: Sie unterhöhlen die 50+1-Regel, die besagt, dass jeder Verein die Mehrheit an seiner Profifußballabteilung halten muss. So verhindert sie einen bestimmenden Einfluss von Kapitalanlegern auf die Vereine. Investoren dürfen zwar die Mehrheit des Kapitals halten, aber nicht die Stimmenmehrheit in der jeweiligen Kapitalgesellschaft übernehmen. Hübsche Idee – wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. Ausnahmen wie Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz.

Dessen Club RB Leipzig, in den Mateschitz angeblich rund 100 Millionen Euro investiert hat, widerspricht dem Grundgedanken der 50+1-Regel zutiefst. Er verstößt allerdings nicht dagegen, weil es keine ausgelagerte Profiabteilung gibt, über die ein Investor Macht erlangen könnte. RB Leipzig ist Red Bull, einzig zu dem Zweck gegründet, um das Marketing des Getränke-Giganten anzukurbeln. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat dieses Modell mittels Kompromissen auch deshalb akzeptiert, um den darbenden Ostfußball am Leben zu halten.

VfL Wolfsburg: 100 Prozent Volkswagen AG

RB Leipzig ist zu 100 Prozent Red Bull, wie Bayer Leverkusen zu 100 Prozent im Besitz der Bayer AG ist und der VfL Wolfsburg zu 100 Prozent der Volkswagen AG gehört. Die 50+1-Regel hatte die DFL schon vor längerem an Bayer (Lex Leverkusen) und VW angepasst. Laut Satzung durfte ein Investor die Mehrheit an einem Verein übernehmen, wenn er „vor dem 1. Januar 1999 seit mehr als 20 Jahren den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat“.

Später strich die DFL das Datum und erweiterte die Klausel auf Mäzene – prompt war die Tür für Dietmar Hopp geöffnet. Der Gründer der Softwarefirma SAP hat über 25 Jahre rund 350 Millionen Euro in die TSG Hoffenheim gesteckt und so deren Aufstieg von der Kreisklasse in die Bundesliga maßgeblich unterstützt. Zum 1. Juli übernimmt er mit 96 Prozent die Stimmenmehrheit – dies entspricht exakt seinem Stammkapital, das er am Verein hält.

Martin Kind, der Präsident von Hannover 96, hat obige Klausel 2011 vor dem Ständigen Schiedsgericht erstritten. 2018 profitiert er selbst davon: Dann übernimmt er die Stimmenmehrheit bei Hannover 96 – 20 Jahre nach Beginn seines Engagements.

Die DFL kann an der steigenden Zahl der Investoren nichts Anstößiges finden, sie appelliert lediglich an das Verantwortungsbewusstsein der Investoren und Vereine. „Ich kann die Sorge von Fans verstehen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Bundesliga als gesellschaftliche Institution turbokapitalisiert wird“, sagt Geschäftsführer Christian Seifert, „doch wir waren in den vergangenen zehn Jahren sechsmal die profitabelste Liga Europas. Obwohl die englische Premier League signifikant mehr Geld erlöst, hat die Bundesliga dennoch erfolgreicher gewirtschaftet.“