Rund 220 Kicker mit geistiger Beeinträchtigung haben am Wochenende am Hallenfinale der Special Olympics in Fellbach-Schmiden teilgenommen. Unter den 24 Teams war auch die Kooperation SG Weinstadt und Diakonie Stetten – deren erste Mannschaft in ihrer Kategorie den Titel errang.
Dabei sein ist alles. Dieses Motto wird gern dem Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, Baron Pierre de Coubertin, zugeschrieben. Doch so ganz ohne triumphale Endspurts oder Tore, Tore, Tore ist die reine Teilnahme auch nichts. Schließlich gilt seit 1894 als eigentlicher Olympia-Leitspruch ja auch „citius, altius, fortius“, also „schneller, höher, weiter.“
Das Runde muss auch in Schmiden ins Eckige
Darum wird es auch in diesem Sommer vom 26. Juli bis 11. August in Paris gehen. Was für die Olympischen Spiele in der französische Hauptstadt zutrifft, hat für die Special Olympics allemal seine Berechtigung. Speziell im Fußball heißt das: das Runde muss ins Eckige, egal ob man in der Champions League oder wie am vergangenen Wochenende im Soccer Olymp in Schmiden gegen den Kunststoffball tritt.
Die mit mehreren Spielfeldern ausgestatteten Location im Fellbacher Stadtteil ist Schauplatz des Fußball-Hallenfinales der Special Olympics Baden-Württemberg. „Wir sind zum ersten Mal mit dem Finale in Schmiden“, berichten Florian Rauch und Gerhard Sohst vom Organisationskomitee.
220 Fußballer und auch ein paar wenige Fußballerinnen sind samt 45 Trainern angereist, vor der Halle parken Busse aus dem Unterland, aus Pforzheim oder vom Bodensee. Mal sind die Namen der in vier Kategorien aufgeteilten 24 Mannschaften eindeutig, etwa SV Zimmern Inklusion, Offene Hilfen Heilbronn oder Johannes-Diakonie. Mal eher verschlüsselt wie bei Dynamo Lukas (Klinik Liebenau) oder den Esther-Weber-Kickers (aus Emmendingen).
Kooperation der SG Weinstadt und der Diakonie Stetten seit 2019
Einzige Vertreter aus dem Rems-Murr-Kreis sind die zwei Mannschaften der SG Weinstadt/Diakonie Stetten. Die Kooperation zwischen der Diakonie und dem Verein in Weinstadt gibt es seit 2019, betreut werden sie vom Trainerduo Sebastian Müller und Jan Bauer. Rund 30 Spieler sind beim anderthalbstündigen Training der inklusiven Fußballmannschaft einmal die Woche auf dem Sportplatz in Benzach mit dabei.
Bewusst wollte die zuvor diakonieinterne Fußballmannschaft eine Kooperation mit einem richtigen Fußballverein eingehen. Da Sebastian Müller in der betreuten Wohngemeinschaft in Strümpfelbach arbeitet und die Diakonie zudem eine Dezentralisierung anstrebte, damit sich nicht alles in Stetten konzentriert, kam es zur Zusammenarbeit mit der SG Weinstadt. Etliche der Fußballer arbeiten in den Remstal-Werkstätten, andere kommen aus Schornbach oder Bittenfeld zum Training oder gehen tagsüber auf die Fröbelschulen in Schorndorf oder Schmiden.
„Wir wollen keine guten Kicker, sondern gute Charaktere“, sagt Jan Bauer. „Allererste Voraussetzung ist natürlich die Lust am Fußball“, ergänzt Sebastian Müller. Linker Verteidiger im Team ist Kim Vatter. Der 28-Jährige stammt aus dem Kreis Göppingen, zum Turnier in Schmiden ist auch seine Mutter angereist. „Ich muss die gegnerischen Stürmer, wenn sie auf mich losrennen, am Toreschießen hindern“, benennt er sein Anforderungsprofil – nämlich, den Bereich vor Torwart Caillou Deckert abzuräumen. Das Training sei zwar ganz schön anstrengend, „aber direkt danach freue ich schon wieder aufs Training am nächsten Montag.“ Kürzlich hat sein Trainer ihn zur Sportschule Ruit mitgenommen, wo Kim Vatter eine Ausbildung zum Übungsleiterassistenten absolviert hat und die Trainer nun etwa bei den Aufwärmübungen unterstützen darf.
Das anfängliche 0:2 wird in ein 5:2 gedreht
Ebenfalls seit Anfang mit dabei sind Benjamin Schick und Christian Hägele. Schick besetzt den linken vorderen Flügel, Hägele ist der Wusler auf der rechten Außenbahn. Der Turnierauftakt gegen die Esther-Weber-Kickers verläuft jedoch so gar nicht nach dem Matchplan von Trainer Müller: Trotz Feldüberlegenheit liegt die erste Mannschaft nach zwei Schludrigkeiten mit 0:2 hinten. „Aber wir sind eine geile Truppe und kommen immer zurück“, sagt der 45-jährige Hägele später nach dem 5:2-Kantersieg.
Im zweiten Spiel wird dann sogar der Verteidiger zum Knipser: Kim Vatter gelingt am Samstagmittag ein fulminanter Sonntagsschuss in den gegnerischen Dreiangel. Und so geht es grade weiter. Am Ende sind es sechs Siege in sechs Spielen und ein Torverhältnis von 26:13 – Kapitän Maximilian Reinhold kommt allein auf zehn Treffer. Das bedeutet den Titel in der Gruppe C.
Trainer Müller ist begeistert: „Die Mannschaft hat klasse kombiniert und ist geschlossen aufgetreten. Alle haben die eingeübten Abläufe und die Vorgaben des Trainerteams super umgesetzt. Sie sind zurecht baden-württembergischer Meister.“ Er habe es noch nie erlebt, dass alle eingesetzten Feldspieler mindestens ein Tor geschossen haben, sagt Müller. „Das bildet unsere geschlossene Mannschaftsstärke perfekt ab.“
Ein Lob gibt es von den Trainern auch für die zweite Mannschaft, die mit Heike Bach die einzige Torhüterin des Turniers vorweisen kann: Das Team erreichte in der Kategorie D den dritten von sechs Plätzen. „Eine unglaublich starke Leistung“, sagt Jan Bauer.
Und abends live beim VfB-Sieg in der Cannstatter Arena
Der Jubel kennt am Samstag übrigens keine Grenzen. Denn am frühen Abend folgt die schnelle Weiterfahrt von Schmiden nach Cannstatt: Schick, Hägele und Vatter haben Tickets ergattert oder sind ohnehin Dauerkartenbesitzer. Sie dürfen nach der Freude über die eigene phänomenale Leistung nun in der Arena auch das 3:0 ihres Lieblingsvereins VfB gegen die Frankfurter Eintracht bejubeln. Es gibt Tage, da läuft’s eben in der geilen Truppe aus dem Remstal.
Finale dauerhaft in Fellbach?
Gestärktes Selbstwertgefühl
Special Olympics Baden-Württemberg (SOBW) ist der Landesverband für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung. Der Verband feiert heuer sein 20-jähriges Bestehen, die Gründungsversammlung fand am 24. Oktober 2004 statt. „Wir wollen so das Selbstwertgefühl und die Gesundheit von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung stärken“, heißt es in den Grundsätzen des Verbands, „das ist unser großes Ziel.“ In 24 Sommer- und Wintersportarten können die Athletinnen und Athleten ihr Bestes geben. Die Landesspiele sind die sportlichen Höhepunkte.
Vier Leistungsklassen
Der Soccer Olymp im Industriegebiet von Fellbach-Schmiden war jetzt Schauplatz des Fußball-Hallenfinales der Special Olympics Baden-Württemberg. Die Teams spielen in vier Leistungsklassen von A bis D. In den Kategorien A und B, in denen die Akteure in der Regel schneller und wendiger sind, treten vier Feldspieler und ein Torwart an. In den Kategorien C und D sind es fünf Feldspieler und ein Torwart. Antreten durften die Bestplatzierten der Vorentscheide in den Bezirken Baden-Süd, Baden-Nord, Württemberg-Süd und Württemberg-Nord. Angesichts der guten Bedingungen gibt es Überlegungen, dieses Landesfinale im Hallenfußball dauerhaft im Soccer Olymp auszutragen.