Forscher Auftritt: Leonie Maier (re.) überzeugt bei der WM als rechte Außenverteidigerin Foto: dpa

Sie sind professionell und zielstrebig, sie sind jung und bringen trotzdem Erfahrung mit: Die vielen Talente in der Frauen-Nationalmannschaft emanzipieren sich bei der WM in Kanada.

Winnipeg - Nadine Angerer fühlte sich während der EM in Schweden 2013 von einem „Kindergarten“ umgeben. „Nun sind die Kleinen im Vorschulalter“, sagt die 36-Jährige schelmisch. Die Kapitänin meint das natürlich liebevoll: „Wir haben super Charaktere in unserer Mannschaft – sehr lustig, unbefangen und total lernwillig. Für jeden Trainer ist das ein Traum.“

Wer vor dem abschließenden Gruppen-spiel gegen Thailand an diesem Montag (22 Uhr/ZDF) die kanadarote DFB-Broschüre zur WM durchblättert, entdeckt bei den 23 Spielerporträts ein Küken nach dem anderen. Der Altersdurchschnitt liegt bei 25,09 Jahren – der des ältesten WM-Teilnehmers USA beträgt 29,37. Die drei Jüngsten aus Silvia Neids Auswahl – Pauline Bremer (19/bisher Turbine Potsdam, künftig Olympique Lyon), Sara Däbritz (20) und Lena Petermann (21/beide SC Freiburg) – wurden 2014 schon U-20-Weltmeisterinnen in Kanada. Aus der derzeitigen deutschen Vorzeige-Talentschmiede SC Freiburg stammt auch die dritte Keeperin Laura Benkarth (22), beim traditionellsten Ausbildungsverein Turbine Potsdam spielt Jennifer Cramer (22). Und dann ist da noch das starke Trio vom deutschen Meister FC Bayern München: Melanie Leupolz (21), Lena Lotzen (21) und die gebürtige Stuttgarterin Leonie Maier (22).

Sie alle haben die U-Nationalteams durchlaufen, die DFB-Nachwuchsarbeit funktioniert auch bei den Frauen. Kein anderes WM-Team hat derart viele Junge Wilde und eine solche Ausgeglichenheit im Kader. „Wir haben den absoluten Mix aus Jung und Alt. Das ist ein ganz guter Cocktail“, meint Linksverteidigerin Tabea Kemme (23). „Viele der Jungen haben nun eine Turniererfahrung auf dem Buckel – ein großes Plus“, sagt Top-Stürmerin Celia Sasic (26).

Eine der Entdeckungen bei der EM in Schweden war die offensivstarke Außenverteidigerin „Leo“ Maier. Die Schwäbin verpasste keine Spielminute. Ohne ihren Kreuzbandriss im März 2014 hätte sie längst mehr als 27 Länderspiele, auch in Kanada bestritt sie als Rechtsverteidigerin die beiden ersten Gruppenspiele über 90 Minuten. Stürmerin Anja Mittag nannte sie liebevoll einen „Terrier“. „Ich finde Terrier ganz cool. Auf dem Platz ist es ja unangenehm, gegen einen Terrier zu spielen“, sagt Maier. Sie ist genauso wie Leupolz und Lotzen durch den überraschenden deutschen Meistertitel mit dem FC Bayern München weiter gereift.

Die neue Generation ist also ganz schön kess. Andererseits zeichnen sie hohe Professionalität und Zielstrebigkeit aus. Das sieht man an Pauline Bremers Wechsel zum zweifachen Champions-League-Sieger Lyon. Und das mit 19. „Ich habe intensiv alles abgewogen. Es passt perfekt, weil ich gerade mein Abitur gemacht habe. Ich wollte schon immer ins Ausland, um eine neue Sprache zu lernen“, sagte die Stürmerin.

„Die heutige Generation ist viel weiter als wir damals“, sagt Nadine Angerer. In ihrem Buch („Im richtigen Moment“) beschreibt die Team-Älteste, wie sie einst eine Einladung zur Nationalelf verpasste, nur weil sie den Einladungsbrief nicht öffnete. Amüsiert sieht sie, wie sich die Jungen auch im traditionellen Ausschießen vor Spielen immer mehr emanzipieren: „Die werden immer aufmüpfiger und feiern jeden Sieg gegen uns Alte, als gäbe es kein Morgen.“