Wo immer die Klänge der Dudelsäcke ertönen (wie hier in München), ist gute Laune. Foto: dpa/Bradley Collyer

Wo Schotten auftauchen, herrscht gute Laune, selbst wenn sie ein Spiel verlieren. Und wo Schotten sind, wird das Bier knapp. Wir haben uns umgehört, wie sich Brauereien und Kneipen aufs Spiel am Sonntag in Stuttgart von Schottland gegen Ungarn vorbereiten.

Ohne Schottland keine Party, sagen die Schotten, die bei der Fußball-EM bisher kein Spiel gewonnen haben. In München haben sie gegen Deutschland verloren (1:5), in Köln gab es ein Unentschieden gegen die Schweiz (1:1). Da wie dort sind ihnen auch ohne Sieg die Herzen zugeflogen. Sobald die Dudelsack-Parade der Kilt-Träger einmarschiert, stehen die Städte Kopf, bei der „Tartan-Army“ bleibt alles friedlich, und die Wirte freuen sich über Rekordumsätze beim Bier. Denn Schotten haben Durst, sehr viel Durst.

Schon die Dänen haben es geschafft, in einer Nacht vor dem Spiel gegen Slowenien sämtliche Bierfässer von Sonja Merz im Biergarten im Schlossgarten leer zu trinken. Nach dem Bericht in unser Zeitung verbreitete sich die Nachricht vom „Biernotstand in Stuttgart“ europaweit in den Medien. „Deres skål“ heißt auf Dänisch Prost. Jetzt darf die Stadt noch was lernen. „Slaan-dsche-wah“, so klingt es, wenn sich Schotten zuprosten, von denen es heißt, sie seien noch viel trinkfreudiger als Dänen, falls es da noch eine Steigerung geben sollte.

Kommen 30.000 oder gar 100.000 Schotten am Wochenende zum Spiel in Stuttgart gegen Ungarn? So genau weiß das niemand. Michael Schmücker, einer der Gastronomen in der Fanzone des Schlossplatzes, hofft jedenfalls, dass nicht alle Schotten dem Fanmeeting-Point im Stadtgarten zugeführt werden, sondern auch etliche in die City durchkommen. Da jedenfalls werde das Bier nicht ausgehen. Bei ihm steht ein Riesentank mit 250.000 Liter Bitburger, dank moderner Technik immerzu gut gekühlt.

Auch Rico Becker, Gastronom des Marktplatzes, hat die Biervorräte ziemlich erhöht, aber auch Wein geht bei ihm gut. „Die Stimmung ist super in den EM-Tagen“, freut er sich, „das macht richtig Spaß.“ Ob sich der Einsatz auch finanziell lohnt? „Abgerechnet wird zum Schluss“, sagt Becker.

Zwei zusätzliche Bierkühlwagen im Biergarten von Sonja Merz

Sonja Merz hat nach dem Besuch der Dänen gelernt. Auf zwei Parkplätzen stehen bei ihr nun zwei zusätzliche Bierkühlwagen, die einspringen können, wenn die bis zum Rand aufgefüllten Bestände im Haus ausgehen. In ihrem Biergarten gibt es bei ihr Stuttgarter Hofbräu, beim offiziellen Fanmeeting-Point im Schlossgarten, den sie auch versorgt, muss sie Bitburger ausschenken, weil diese Brauerei Sponsor der EM ist und daher Vorrechte hat (da wie dort verlangt sie 6,50 Euro für den halben Liter). Diesmal werden sich die Ungarn im Schlossgarten versammeln. „Die sind auch sehr nett“, sagt die Wirtin, „ungarische Hooligans waren bei mir noch nicht.“

Erinnerungen an die Bierrekorde des Sommermärchens von 2006

Hofbräu-Chef Martin Alber sagt, seine Brauerei könne am Wochenende kurzfristig Bier per Laster liefern, falls es irgendwo knapp werden sollte. Die personellen Voraussetzungen dafür sind geschaffen. Gern denkt er an die Fußball-WM 2006 zurück. „Wir waren auf der einen Seite des Schlossplatzes, unser Mitbewerber auf der anderen“, erinnert sich Alber. Nur im Stadien hatte damals Budweiser aus den USA, als offizielle Biermarke der WM, die alleinige Hoheit beim Zapfen. Die Stuttgarter Brauereien steigerten beim Sommermärchen ihren Umsatz um das Sechsfache.

Bei der EM allerdings reichen die Arme der Uefa viel weiter. Nicht nur in der Arena ist nur Bitburger erlaubt, sondern auch in den vier Fanzonen von Stuttgart (Schlossplatz, Schillerplatz, Karlsplatz, Marktplatz). Die Brauerei aus Rheinland-Pfalz hat sich für viel Geld einen Exklusivvertrag gesichert. Regionale Biere gibt es also nur in den Gaststätten, Biergärten und in den Clubs außerhalb der offiziellen EM- Bereiche – da aber meist billiger. Auch die regionalen Brauereien profitieren jetzt von den Spielen. „Bier braucht Trinkanlässe“, heißt es.

„Viele Fans schauen sich mit Freunden die Fußballspiele daheim an“, sagt Hofbräu-Chef Alber, „und wenn sie dafür Bierkästen kaufen, greifen sie nach regionalem Bier.“ Die „Fernsehbiere“ stünden im Einzelhandel nicht so hoch im Kurs. Auf der Königstraße haben jetzt die Betreiber von mehreren Läden, in denen sonst keine Getränke angeboten werden, Kühlschränke aufgestellt, um Bier zu verkaufen. Da gibt es dann etwa die Dose Wulle für vier Euro.

Die Brauerei Dinkelacker/Schwabenbräu richtet „Bier-Notlager“ ein

Hat Dinkelacker/Schwabenbräu gar die Bierproduktion für die Schotten erhöht? „Das müssen wir gar nicht, was auch so kurzfristig gar nicht geht, weil gutes Bier Zeit braucht, bis es fertig ist“, sagt Prokurist Til Odenwald. Seine Brauerei habe schon vor der EM „das Lager gut gefüllt“ und sei „in jedem Falle lieferfähig“. Man habe die Keller der Kunden „bis zum Anschlag voll gepackt“.

Zudem hätte Dinkelacker/Schwabenbräu die Vorlaufzeiten für die Bestellungen reduziert und sei in der Lage, „sehr kurzfristig auf erhöhte Nachfrage in einzelnen Objekten zu reagieren“. Man habe obendrein ein Notlager eingerichtet, „mit dem wir in der Lage sind, innerhalb kürzester Zeit die Kunden mit einem schmalen Sortiment zu versorgen“. Bisher sei noch keiner seiner Kunden leer gelaufen – und dies werde auch weiterhin so bleiben.

Die ganze City wird zur Partyzone

Auch der Palast der Republik, dank eines Bierpreises von 4,80 Euro ein Hotspot vor und nach den EM-Spielen, hat den Keller noch mal vollgemacht mit Bier. Wirt Stefan Schneider sagt, die Uefa habe ihm untersagt, Fernsehgeräte im Freien aufzustellen. Doch das sei nicht schlimm. Denn kaum ist ein Spiel beim Public Viewing auf dem Schlossplatz vorbei, ziehen die Massen zu ihm. Schneider schwärmt von der „Wahnsinnsstimmung“ nach dem Deutschland-Sieg am Mittwoch. Aber nicht nur deutsche Fans seien gekommen, ebenso Ungarn und Schotten. Vereint ist die Freude am Fußball gefeiert worden. Die ganze City war eine Partyzone.