Die deutsche Fußball-Nationalelf der Frauen verliert das EM-Finale – doch dies war nicht das Ende, das ist erst der Anfang einer Ära, findet Sportredakteur Jürgen Kemmner.
Zur Krönung hat es nicht gereicht. Die deutschen Fußballerinnen müssen mit dem wenig erstrebenswerten Titel „Vize“ Vorlieb nehmen – passend zur britischen Monarchie blieb auch die EM-Krone auf der Insel. Endlich hatte es die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes wieder einmal in ein Finale bei einem wichtigen Turnier geschafft, aber weil es für den Fünften der Weltrangliste (noch) nicht ganz auf den Thron gereicht hat, bleibt der letzte große Triumph Olympia-Gold bei den Spielen 2016 in Rio.
Dieses EM-Ende schmerzt alle deutschen Fans, aber es ist ein gesunder Schmerz, der belegt, dass die Mannschaft von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sich titelreif präsentiert hat – und dass diese Niederlage im Finale kein Schlusspunkt einer auslaufenden Epoche, sondern ein Startschuss in eine hoffnungsfrohe Ära gewesen ist. Die deutschen Frauen haben nicht nur einen erfrischenden Fußball gespielt und damit für Rekordeinschaltquoten daheim an den Fernsehgeräten gesorgt, sie haben auch taktisch wie technisch überzeugt. Die Mischung im Team hat gestimmt wie bei einem erquickenden Cocktail – das routinierte Schlitzohr Alexandra Popp (31) blühte auf, wie es kaum jemand erwartet hätte, die freche Alleskönnerin Lina Magull, die unermüdliche Arbeiterin Lena Oberdorf oder der neue Star Giulia Gwinn waren die weiteren Zutaten für diese Entwicklung, und auch der Rest der Gefolgschaft erledigte seine Aufgaben famos.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat mit diesem EM-Kader ein Fundament gelegt, auf das sie in den nächsten Jahren ein stattliches Gebäude errichten kann – bleibt nur die spannende Frage, ob die Baustoffe lediglich für eine ansehnliche Villa reichen oder ob sie tatsächlich geeignet sind, einen mondänen Palast zu gestalten, in dem ein international wichtiger Pokal präsentiert wird. Vielleicht gar die WM-Trophäe 2023.