Auf Sophia Kleinherne könnte eine neue Rolle als Linksverteidigerin zukommen. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Im letzten Gruppenspiel gegen Finnland kommt vermehrt die zweite Reihe aus dem deutschen EM-Kader zum Einsatz. Das könnte auch dem Lagerkoller vorbeugen.

Sophia Kleinherne kann sich noch sehr gut an das Gespräch erinnern, dass Martina Voss-Tecklenburg mit ihr im Vorlauf zu der EM in England führte. Die Bundestrainerin wollte nicht den Fehler von vor drei Jahren bei der WM in Frankreich wiederholen, als Rollen und Erwartungen an die einzelnen Spielerinnen im Vorlauf nicht klar definiert waren.

Nun bekam die Innenverteidigerin von Eintracht Frankfurt zu hören, dass sie beim Turnier in England ausschließlich links hinten in der Viererkette eingeplant sei. Kleinherne rutschte vor dem letzten Gruppenspiel gegen Finnland an diesem Samstag (21 Uhr/ZDF) heraus, dass diese Botschaft ein „kleiner Schock“ gewesen sei. Die Korrektur folgte noch auf dem Podium der Pressekonferenz: Chance statt Schock muss es für sie eigentlich heißen. Denn Linksverteidigerin zu spielen sei sicherlich etwas ungewohnt, „aber ich nehme die kleine Challenge für mich an“, versicherte die 22-Jährige: „Es ist auch ein Mehrwert für mich und die Mannschaft, dass ich auf mehreren Positionen spielen kann.“

Auftritt der zweiten Reihe

Zumal sie bei den DFB-Frauen ja als Linksverteidigerin debütierte, als sie am 9. November 2019 in Wembley vor 77 768 Fans bei einem prestigeträchtigen Sieg gegen England von Anfang bis Ende die spezielle Atmosphäre erlebte. Gegen Finnland wird die selbstbewusste Kleinherne („es ist unser Anspruch und unser Ziel, die EM zu gewinnen“) für die gesperrte Felicitas Rauch auflaufen.

Wie überhaupt die Startelf kräftig durchgeschüttelt wird. Lena Oberdorf ist ebenfalls gesperrt, Lea Schüller an Corona erkrankt, Lina Magull angeschlagen – wenn sich nicht jetzt die zweite Reihe zeigen darf, wann dann?

Die Mittelfeldspielerinnen Linda Dallmann, trickreiche Allzweckwaffe vom FC Bayern, und Lena Lattwein, robuste Alleskönnerin vom VfL Wolfsburg, können mit einem Startelfeinsatz rechnen. Dallmann möchte ungeachtet des geringen sportlichen Stellenwerts „eine perfekte Gruppenphase rundmachen“, Lattwein empfand es als Einwechselspielerin zweimal recht einfach, sich in die Startelf einzufinden. Hoffen können auch Jule Brand und Tabea Waßmuth, die nächste Saison in Wolfsburg zusammenspielen und erste Optionen für die Offensive bilden. Statistische Daten des DFB-Teams belegen, dass durch die bisherigen Einwechslungen die Zahl der intensiven Läufe sprunghaft angestiegen ist.

„Wollen wieder dominant sein“

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die sich einen Tag nach ihrem Migräne-Anfall im Quartier in Brentford wieder fit zeigte, möchte für das Match in Milton Keynes keinen Spannungsabfall erleben. Ihr Co-Trainer Patrik Grolimund forderte mit seinem schweizerischen Zungenschlag: „Wir wollen wieder dominant sein, wir wollen wieder das Publikum mitnehmen, wir wollen wieder feiern und tanzen in der Garderobe.“

Ein Hoch auf Frohnatur Laura Freigang

Das wichtige Gefühl, gebraucht zu werden, würde im deutschen Aufgebot auch einem möglichen Lagerkoller vorbauen. Partner oder Partnerinnen, Familienangehörige und Freunde sollen neuerdings nur noch draußen getroffen werden. Ein Familiennachmittag wurde im Teamhotel aus Furcht vor Corona bereits abgesagt. Die vielleicht größte Gefahr auf dem Weg nach Wembley könnte das Virus werden.

Mit Blick auf den Teamspirit dankte Lattwein explizit der Frohnatur Laura Freigang, „die sich in jedem Spiel für uns das Herz aus der Seele schreibt“. Die Frankfurter Stürmerin gehört wie ihre Vereinskolleginnen Sara Doorsoun (die vielleicht die verwarnte Marina Hegering vorsorglich vertritt) und Nicole Anyomi (die für Rechtsverteidigerin Giulia Gwinn spielen könnte) zu den drei Feldspielerinnen, die noch ohne einen einzigen EM-Einsatz sind.