Mesut Özil (links) und Mario Götze stehen in der Kritik, lassen sich davon aber nicht unterkriegen. Foto: dpa

Mario Götze und Mesut Özil haben bei der EM bisher enttäuscht. Trotzdem setzt der Bundestrainer Joachim Löw weiter auf sie – an diesem Dienstag sollen die Filigrantechniker im letzten Gruppenspiel den nordirischen Abwehrriegel knacken.

Paris - Zum beliebten Streitthema „Führungsspieler in der deutschen Nationalelf“ haben in den vergangenen Tagen sehr viele Menschen ihren Beitrag geleistet, der vorerst letzte war Sami Khedira. Als „Comedy“ empfindet er es, dass überhaupt darüber geredet wird, schließlich sei ein DFB-Team in seiner Kommandozentrale „noch nie so breit aufgestellt“ gewesen. An Manuel Neuer erinnert Khedira im „Kicker“, an Jerome Boateng und Thomas Müller – und er selbst haben ja „auch schon ein bisschen was erreicht“.

Auch in der Vita von Mario Götze und Mesut Özil stehen neben dem Weltmeistertitel noch andere Erfolge, doch fallen ihre Namen in diesem Zusammenhang eher selten. Von strategischen Führungsaufgaben sind sie befreit – ihre Aufgabe besteht hauptsächlich darin, während eines Spieles für die magischen Momente zu sorgen. Weil sich der große Zauber bei der EM in Frankreich bislang aber nicht einstellen will, sind auch die beiden Fußball-Feingeister in den Mittelpunkt vieler Debatten geraten. Wann bringen Özil und Götze endlich ihre Kunst zur Aufführung?, so lautet vor dem letzten Vorrundenspiel gegen Nordirland an diesem Dienstag (18 Uhr/ARD) im Pariser Prinzenpark die Frage.

Die Kritik an Mesut Özil und Mario Götze ist groß

Sehr dezent war ihr Auftritt in den ersten beiden Spielen, als die deutsche Offensive an osteuropäischen Abwehrbollwerken abprallte. Als sogenannte falsche Neun blieb Götze, wie humorlose Statistiker errechneten, zum Auftakt gegen die Ukraine (2:0) während der ersten Hälfte 18 Minuten und 26 Sekunden lang ohne Ballberührung. Und Spielmacher Özil lieferte zwar die Vorarbeit zum 2:0, was ihn nach dem 0:0 gegen Polen aber nicht vor harscher Kritik des TV-Experten Mehmet Scholl bewahrte: „Die Teilnahmslosigkeit, diese Körpersprache – das funktioniert so nicht.“

Weder für Özil (27) noch für Götze (23), beide gesegnet mit überbordendem Talent, ist es eine neue Erfahrung, im Kreuzfeuer der Kritiker zu stehen. Von vermeintlichen Wunderspielern werden gerne Wunderdinge erwartet – und wenn diese Wunder nicht geschehen, ist die Enttäuschung besonders groß. „Es tut mir leid, aber ganz ehrlich: Es ist mir egal, was andere sagen, das prallt an mir ab“, sagt Özil. Und auch Götze weiß, dass gerade Hochbegabten gerne ans Bein gepinkelt wird: „Mal bist du der Hund, mal bist du der Baum.“

Ein stolzer deutscher Schäferhund ist Götze im WM-Finale 2014 gewesen, als er sich mit dem Siegtreffer schon im Alter von 21 einen Logenplatz in der Ruhmeshalle des deutschen Fußballs sicherte. Meist als Baum jedoch musste er in den beiden darauffolgenden Jahren herhalten, war ein besserer Reservist bei den Bayern, die ihn kurz vor der Europameisterschaft nur leicht verklausuliert zum Vereinswechsel aufforderten. Besser lief es für Özil, der beim FC Arsenal in dieser Saison 19 Tore vorbereitete, mehr als jeder andere Spieler in der englischen Premier League. Die Zweifel im eigenen Land haben jetzt aber auch ihn wieder eingeholt.

Die Brechstange bleibt auch gegen Nordirland im Werkzeugkoffer

Da ist es gut zu wissen, dass es einen Mann in Deutschland gibt, der keine Zweifel am Wert von Götze und Özil hat: Joachim Löw, den Bundestrainer. Schon vor Turnierbeginn hatte er ausgiebig von ihren Qualitäten geschwärmt – und verwahrte sich nach den beiden ersten Spielen entschieden gegen den Verdacht, seine Lieblingsspieler bevorzugt zu behandeln: „Trainerlieblinge gibt es nicht“, sagte Löw. Götze habe die Fähigkeit „mit einem Pass fünf oder sechs Gegner auszuspielen“; Özil sei „eh ein überragender Spieler“. Zwar ist auch der Bundestrainer mit ihren Leistungen bisher nicht zufrieden gewesen, „aber ich weiß, was sie können. Sie sind herausragend wichtig für unsere Mannschaft.“

Also wird das Löw auch gegen Nordirland die Brechstange im Werkzeugkoffer lassen und lieber der Filigrantechnik von Özil und Götze vertrauen. Elf ebenso kantige wie kampfeslustige Briten erwartet der Bundestrainer auf Seiten des Gegners und eine massive Abwehrkette, die nur mit flachem Kombinationsspiel zu durchbrechen sei: „Wenn wir glauben, wir könnten mit langen Bällen aus dem Halbfeld erfolgreich sein, dann spielen wir ihnen in die Karten.“

Er solle der Welt zeigen, dass er besser ist als Lionel Messi – mit diesem Auftrag hat Löw im WM-Finale gegen Argentinien Götze aufs Feld geschickt. Fürs Erste würde es schon reichen, wenn der Münchner besser wäre als in den ersten beiden Spielen.