Auch beim VfB Stuttgart wurde in dieser Saison bereits ein Trainerwechsel vollzogen: Hannes Wolf musste gehen. Foto: Pressefoto Baumann

Trainer siegen oder fliegen. Sie arbeiten heute hier und morgen dort. Im Kampf ums sportliche Überleben können Trainerwechsel sinnvoll sein. Doch oft dient der Coach nur als willkommenes Opfer, meint Gunter Barner.

Stuttgart - Der Hang des Menschen zum Tausch ist zwar historisch verbrieft, beruht aber auf unterschiedlichen Gründen. Er wechselt Arbeitsplätze, Hemden, Geld – manchmal sogar den Partner. In der Fußball-Bundesliga trifft es amtlichen Erhebungen zufolge durchschnittlich 8,3 Mal pro Saison den Trainer. In der laufenden Spielzeit wurden sogar schon neun Übungsleiter von ihren Pflichten entbunden. Darunter Hannes Wolf, VfB Stuttgart. Als vorerst letztem wurde dem Bankangestellten des Hamburger SV gekündigt: Bernd Hollerbach.

15 Trainer in einer Saison – Rekord

Das ist zwar bedauerlich, aber kein Grund sich aufzuregen: Denn statistisch betrachtet liegt die Bundesliga noch auf Kurs. Die Chancen irgendwelche Rekorde zu brechen, stehen also schlecht. In der Saison 2011/12 feuerte die Liga sogar 15 Fußball-Lehrer. Und für die kürzeste Amtszeit steht unverändert Hans Eder: Er durfte 1974 die Berliner Hertha nur für sieben Tage trainieren.

Weil man nie wissen kann, wie die Vorstände der kickenden Kapitalgesellschaften reagieren, wenn ihnen beim Blick auf die Tabelle das Blut in den Adern gefriert, ist nicht auszuschließen, dass in den kommenden Wochen noch der eine oder andere Coach von der Bank auf die Couch wechselt. Hannover, Freiburg, Wolfsburg, Mainz, Köln und Hamburg stehen dicht am Abgrund. Nach den Begegnungen dieses Wochenendes könnten sie einen großen Schritt weiter sein. Die Trainer auch.

Siegen oder fliegen. Im Kampf gegen den Abstieg spekulieren die Kellerkinder der Liga auf kurzfristige Effekte, die der Tiefenpsychologe und VfB-Coach Christoph Daum einmal so beschrieben hat: „Das ist wie bei einem Elektriker, der hinkommt und nur einen Wackelkontakt beheben muss, weil eigentlich alles vorhanden ist. Er fügt die richtigen Stecker zusammen und plötzlich ist alles wieder unter Höchstspannung.“ Der Wechselstromexperte Tayfun Korkut hatte beim VfB zwar ein paar Widerstände zu überwinden, bestätigt seither aber die Ausnahme von der Regel: er hat Erfolg. Denn wissenschaftlichen Studien zufolge kommt es in der Mehrzahl nach wenigen Wochen zu neuerlichen Kurzschlüssen, weil auch dem nächsten Trainer partout kein Licht aufgeht. Wie sonst wäre der Fußball-Weise Winnie Schäfer zu verstehen, der mit Blick auf das Geschehen messerscharf erkannte: „Das einzige was klar ist, ist, dass es nachts draußen dunkel ist.“

Es sollen neue Impulse gesetzt werden

Es ist immer das gleiche Spiel: Bleibt die sportliche Erleuchtung in Form von Punktgewinnen aus, forscht die in die Kritik geratene Vereinsleitung nach frischen Impulsen. In seltenen Fällen reagiert der Coach schneller und wirft den Bettel von sich aus hin. So wie dieser Tage Paco Vaz beim Regionalligisten Stuttgarter Kickers. Das ist schlecht für die Abfindung des Trainers, aber gut für die irrlichternden Chef der finanziell schwindsüchtigen Blauen. Wer greift einem nackten Mann schon in die Tasche?

Nicht auszuschließen sind nach derlei Krisen posttraumatische Belastungsstörungen, die sich bei Erich Ribbeck einst in wilden Gedankenflüssen manifestierten: „Ich versuche zu erkennen, ob die subjektiv geäußerten Meinungen der Spieler subjektiv oder objektiv sind. Wenn sie subjektiv sind, dann werde ich an meinen objektiven festhalten. Falls nicht, werde ich ihre objektiven subjektiv geäußerten Meinungen in meine objektiven einfließen lassen.“

Objektiv betrachtet sind womöglich gar nicht die Trainer das Problem, sondern die Spieler oder auch die Funktionäre. Aber das ist eine ganz und gar subjektive Sicht der Dinge.

gunter.barner@stuttgarter-nachrichten.de