Jugend forsch: Die Rasselbande von Bayer Leverkusen um Kai Havertz und Florian Wirtz mischt die Bundesliga auf – hier hat Werder Bremen das Nachsehen. Foto: gumzmedia / nordphoto / Pool

Fußball-Bundesligist Bayer 04 Leverkusen setzt auf talentierte Nachwuchskräfte – und will den Tanz auf drei Hochzeiten in dieser Saison krönen.

Stuttgart/Leverkusen - Peter Bosz geht die Dinge auf dem Platz gerne offensiv an – vor den Spielen dagegen gibt sich der Trainer von Bayer Leverkusen eher defensiv. Der Niederländer entwickelt dann eine pragmatische Sicht auf die Dinge. So wie jetzt, vor dem Gastspiel bei Borussia Mönchengladbach an diesem Samstag (15.30 Uhr). „Auf die Puppen bin ich gespannt, ich habe das noch nicht gesehen“, sagte der Coach also vor dem Verfolgerduell und ergänzte nüchtern: „Es ist besser vor Puppen zu spielen als gar nicht.“

Was Bosz meinte: Zum Preis von 19 Euro konnten Gladbach-Fans mit einem Foto von sich auf Pappfiguren den Platz wählen, den sie sonst im vollen Stadion hätten. Mehr als 12 000 Pappkameraden (oder, im Bosz-Duktus: Puppen) sind nun auf den Tribünen aufgestellt und sollen für ein bisschen Atmosphäre im leeren Stadion sorgen.

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Die Puppen tanzen lassen will nun allerdings Peter Bosz – auf dem Platz. Der Niederländer will mit seiner Rasselbande von Bayer Leverkusen da weitermachen, wo er zuletzt aufgehört hat. Zwölf Siege aus den 14 Pflichtspielen im Jahr 2020 holte der aktuelle Tabellenfünfte wettbewerbsübergreifend in der Bundesliga, der Europa League und im DFB-Pokal, wo das Bosz-Team im Halbfinale steht.

Attraktive Erfolgsformel

Die Erfolgsformel ist dabei so einfach wie attraktiv: Man nehme ein paar hochbegabte junge Kräfte, lässt sie mit bedingungslosem Offensivfußball der Marke Bosz von der Leine – und fertig ist das Erfolgsrezept unterm Bayer-Kreuz. Der jüngste Coup aus dem Versuchslabor am Rhein hört auf den Namen Florian Wirtz, ist seit dem 3. Mai 17 Jahre alt und feierte im Auswärtsspiel bei Werder Bremen (4:1) sein Bundesliga-Debüt. Wirtz, der im Winter vom 1. FC Köln kam, wirbelte auf der rechten Seite und löste mit seinen 17 Jahren und 15 Tagen einen gewissen Kai Havertz als jüngsten Debütanten in der Leverkusener Bundesliga-Historie ab.

Wirtz und Havertz wirbeln

Wirtz und das Offensivjuwel Havertz (20) stehen sinnbildlich für die Leverkusener Jugendkultur, die ein vielschichtiges Bild abgibt – und die Bayer schon seit Jahren sportlichen Erfolg und auf Sicht hohe Transfereinnahmen bringt. Havertz ist der klassische Fall von früher Entdeckung und nachhaltiger Förderung eines Talents aus der Region in der eigenen Jugend. Als zehnjähriger Knirps kam Havertz im Jahr 2010 aus seiner Heimat Aachen in die Bayer-Jugend und startete durch. Bei Wirtz gestalteten sich die Dinge anders. Erst in diesem Winter kam er mit einigem Tamtam und Misstönen vom verärgerten Lokalrivalen 1. FC Köln nach Leverkusen – was nur die Vehemenz unterstrich, mit der Bayer auf die Karte namens Jugend setzt.

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Das zeigte sich auch schon beim heutigen Nationalspieler Julian Brandt, der Anfang 2014 mit 17 Jahren vom VfL Wolfsburg zu Bayer kam, dort ebenfalls durchstartete und im Sommer vergangenen Jahres für 25 Millionen Euro gewinnbringend an den BVB verkauft wurde. Brandt lief heiß bei Bayer – und steht stellvertretend für zwei Leverkusener Merkmale. Der Club ist zum einen eine Art Durchlauferhitzer für hochbegabte Talente, die bei einem Stammgast im internationalen Wettbewerb den berühmten ersten (oder zweiten) Karriereschritt auf dem Weg zum Star machen können.

Brandt steht für Bayer-Phänomen

Auf der anderen Seite steht Brandt für das nächste Bayer-Phänomen, das da heißt: Im Jugendbereich und im Schwellenalter zu den Profis ist uns das Beste gerade gut genug. So lässt Bayer keine zweite Mannschaft im Erwachsenbereich an den Start. Wer also aus der eigenen Jugend kommt und sich nicht in kurzer Zeit als Profi etabliert, hat keine Zukunft im Verein. Und Neuverpflichtungen auf der Ebene der entwicklungsfähigen Kräfte gibt es bei Bayer nur, wenn es sich um Top-Talente der Kategorie Julian Brandt handelt.

So griff Bayer auch in diesem Winter tief in die Tasche und gab 35 Millionen Euro für den Abwehrmann Edmomd Tabsoba (21/kam für 18 Millionen von Vitoria Guimaraes) und den ebenfalls 21-jährigen Mittelfeldspieler Exequiel Palacios (kam für 17 Millionen von River Plate) aus.

Stabiles Gerüst

Ehemalige Leverkusener Jungspunde wie Jonathan Tah, Wendell, Karim Bellarabi oder Kevin Volland, die allesamt seit mehreren Jahren im Verein sind, geben ihre Erfahrungen wiederum an die aktuellen Talente weiter und bilden nun das stabile Bayer-Gerüst. Der Kreislauf in Leverkusen also ist irgendwie eine runde Sache– und soll im Saisonfinale vollends in Schwung kommen.