Will drei Punkte beim BVB holen: Bayern-Trainer Pep Guardiola. Foto:  

Der Kampf um die Meisterschaft elektrisiert die Liga: Was vor dem Spitzenspiel für den BVB und was für den FC Bayern spricht.

Stuttgart/Dortmund - Stuttgart - Der FC Bayern München wankt, Verfolger Borussia Dortmund wittert seine Chance – es ist alles angerichtet für das Spitzenspiel der Bundesliga an diesem Samstag (18.30 Uhr/Sky). Was bis zuletzt fast schon undenkbar schien, ist jetzt eingetreten: Es gibt nach dem 1:2 der Bayern gegen den FSV Mainz einen echten Titelkampf. Aus fünf Punkten Vorsprung auf den BVB könnten bei einem Dortmunder Sieg nur noch zwei werden. Und das, was sich die Bundesliga so sehr wünschte, brachte der Mainzer Trainer Martin Schmidt nach dem Coup in München ziemlich treffend zum Ausdruck: „Ich bin glücklich, dass wir den Titelkampf noch einmal spannend machen konnten. Das ist gut für die Liga.“

Der BVB jedenfalls nimmt vor dem Gipfeltreffen in Dortmund seine Rolle als Bayern-Jäger an. „Jetzt wollen wir es noch einmal spannend machen“, sagte Weltmeister Mats Hummels, und Trainer Thomas Tuchel erklärte, jetzt sei endlich die Situation eingetreten, „für die wir viel geschuftet haben. Der Ball liegt jetzt bei uns. Und es liegt bei uns, den nächsten Schritt zu machen.“ Erik Durm meinte voller Vorfreude: „Wir wissen es, die Bayern wissen es: Wenn wir am Samstag gewinnen, wird es noch mal eng.“ Ja, die Bayern wissen es. „In Dortmund sollten wir besser nicht verlieren“, mahnte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

Später gab Trainer Pep Guardiola so etwas wie den Berufspessimisten: „Dieser BVB ist ein komplett anderer als in den vergangenen drei Jahren.“ Um die vierte Meisterschaft nacheinander zu gewinnen, müsse der FC Bayern bis zum Saisonende kämpfen, das Spiel gegen Mainz sei ein „klares Signal, dass es nicht einfach ist“.

Doch was spricht vor dem Duell der Giganten an diesem Samstag für den BVB und was für die Bayern? Ein Check vor dem Spitzenspiel, das die Bundesliga elektrisiert.

Das spricht für den BVB

Münchner Formschwäche: Es gibt Arjen Robben, es gibt Robert Lewandowski, es gibt Thomas Müller und, klar, es gibt Manuel Neuer hinten im Tor. Viermal Weltklasse für den FC Bayern, viermal Topform für den FC Bayern. Aber sonst? Flügelflitzer Douglas Costa etwa , der überragende Mann der Vorrunde, ist zurzeit nur noch ein Schatten seiner selbst und dribbelt eher mal ins Aus als am Gegner vorbei. Der Spanier Thiago ist weit von seiner Bestform entfernt und in diesen Tagen alles andere als ein dominanter Taktgeber, Franck Ribéry braucht nach langer Verletzungspause offenbar noch ein paar Wochen, um an sein altes Level heranzukommen – und hinten irrt der einzige fitte gelernte Innenverteidiger Medhi Benatia bisweilen durch den Strafraum, dass sich BVB-Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang im stillen Kämmerlein bestimmt schon diebisch auf den Samstag freut. Neuzugang Serdar Tasci ist aufgrund seines Fitness-Rückstandes keine Option für die Startelf. Dortmunder Offensivpower: Marco Reus, Pierre-Emerick Aubameyang, Henrich Mchitarjan und Taktgeber Ilkay Gündogan gegen – ja gegen wen eigentlich? Die Wucht, das Tempo und die Spielfreude der BVB- Offensive, die sich unter Trainer Thomas Tuchel zu einer flexiblen Angriffsmaschinerie entwickelte, trifft auf eine anfällige Bayern-Abwehr. Die Borussia beherrscht mittlerweile sowohl schnelle Konter als auch Ballbesitzfußball. Tuchels Team kann den Gegner mit Gegenstößen überfallen, es kann es aber auch geduldig auf die eine, entscheidende Lücke warten. Und die Bayern? Die Ausfälle der Innenverteidiger Jerome Boateng, Holger Badstuber und Javi Martínez sind nicht zu kompensieren.

Gegen Mainz offenbarte sich die Verwundbarkeit des Abwehrgespanns David Alaba/Medhi Benatia in der Rückwärtsbewegung. Benatia klagte hinterher, dass „es für uns häufig zu schnell ging hinten. Das müssen wir besser lösen.“ Arjen Robben sprach Tacheles: „Wir dürfen nicht solche Konter zulassen. Da müssen wir rigoroser sein.“ Die Münchner Gretchenfrage: Was nützen einem 80 Prozent Ballbesitz, wenn der Gegner über drei Stationen im „Zack-zack-zack-Modus“ zum Ziel kommt? Die Balance fehlt bisweilen im Bayern-Spiel – und die vor Selbstbewusstsein strotzende Dortmunder Offensive hat Blut geleckt.

Das Momentum und die unverhoffte Möglichkeit, den Rückstand auf den FC Bayern auf zwei Punkte zu verkürzen, sprechen ebenfalls für den BVB – und könnte der Offensive Rückenwind verleihen.

Das spricht für den FC Bayern

Die Drucksituation: Was ist eigentlich passiert? Eine Niederlage gegen Mainz – aber es sind noch immer fünf Punkte Vorsprung auf den BVB. Bei einem Dreier wären es wieder acht. Oft war es so, dass Niederlagen den FC Bayern wach rüttelten, dass Drucksituationen den ganzen Verein beflügeln. Dass die Profis an ihre Leistungsgrenze kommen, wenn es darauf ankommt. Das Topspiel in Dortmund wäre mal wieder so eine Gelegenheit für eine klassische Münchner Trotzreaktion. „Für mich ist Bayern nach wie vor Favorit“, sagt Ottmar Hitzfeld, ehemaliger Erfolgscoach beider Clubs, „bei Bayern werden die Sinne geschärft sein, man kann sich keine weitere Niederlage erlauben.“ Das Potenzial: Die Leistung des FCB im Achtelfinal-Hinspiel der Königsklasse bei Juventus Turin (2:2) in der ersten Stunde war fast schon atemberaubend. Das Team schnürte einen internationalen Topgegner bis zum Ersticken in der eigenen Hälfte ein – und machte aus der Not, keinen Innenverteidiger zur Verfügung zu haben, eine Tugend. Das Resultat: totale Dominanz. Und Panik bei Juve. Das könnte auch dem BVB am Samstag blühen – die Kunst aus Bayern-Sicht ist es dann, das Spiel über 90 Minuten lang durchzuziehen. Fakt ist: Guardiolas Team kann mit den gefühlt 300 Optionen im Offensiv- und Passspiel und der taktischen Flexibilität jeden Gegner dominieren – auch Borussia Dortmund. Im Hinspiel fieselten die Bayern den BVB mit 5:1 ab.

Dortmunds Innenverteidiger Mats Hummels war im Oktober dabei – nun liefert er dem FC Bayern eine Kampfansage. „Es wird ein heißer Ritt“, sagt er, „das wird ein geiles Spiel.“ Und: „Es wird brennen bei uns.“