Während der Spitzenreiter TSV Plattenhardt überraschend verliert, avanciert der Verfolger Spvgg Cannstatt zum Gewinner des Spieltags. Warum sich sein Trainer dabei selbst einwechselt – und was hinter der aktuellen Spielabsage des Schlusslichts Stammheim steckt.
Die Generalprobe ist missglückt. Eine Woche vor dem Hinrunden-Showdown in der Fußball-Bezirksliga Stuttgart/Böblingen zwischen dem Spitzenduo TSV Plattenhardt und Spvgg Holzgerlingen haben beide Platz-eins-Anwärter sich Ausrutscher erlaubt. Während den Filderstädtern ein Mecker-Platzverweis sowie ein Last-Minute-Gegentor zum Verhängnis wurden, ging ihr schärfster Titelrivale im Verfolgerduell bei der Spvgg Cannstatt unter. Letztere ist damit der große Gewinner eines Spieltags, an dem das Programm von neun auf lediglich sechs Begegnungen schrumpfte. Die Gründe: der Wintereinbruch – und ein Torhüterproblem.
Ausgefallene Spiele
Väterchen Frost machte in Oberjettingen und Oberjesingen einen Strich durch die Rechnung. Dort wäre am Samstag jeweils eine Schneeballschlacht möglich gewesen, aber kein Fußball. Das Spiel des SV Bonlanden an erstgenannter Stätte soll nun bereits am Donnerstag (19.30 Uhr) nachgeholt werden, inzwischen ja wieder unter anderen äußeren Bedingungen.
Gar keinen neuen Termin wird es dagegen für die ebenso kurzfristig abgesagte Partie zwischen dem TV Echterdingen II und dem SC Stammheim geben. In diesem Fall war nicht das Wetter schuld, sondern die Personalsituation der Gäste. Genauer gesagt: jene vor allem auf einer Position. Der Tabellenletzte stand ohne Torhüter da. Ein Schelm, wer sich denkt: kein Wunder. Vergnügsteuerpflichtig war es zuletzt ja nicht, für die Stammheimer zwischen den Pfosten zu stehen. Als Schießbude der Staffel haben sie bereits 91 Gegentore geschluckt, im Schnitt ziemlich genau sechs pro Spiel.
Aktuell jedenfalls waren laut dem Trainer Jusuf Karabegovic alle drei Aktivenkeeper des Vereins privat verhindert. „Wir hätten einen Feldspieler ins Tor stellen müssen“, sagt der Coach. Das wollten er und die Seinen nicht. Da es aber nicht zur stattdessen von ihnen erhofften Einigung mit dem Gegner auf eine Spielverlegung kam, wird die Begegnung nun am grünen Tisch in die Wertung gehen – und zwar als Echterdinger 3:0.
Immerhin: Vermutungen, die Stammheimer könnten den Spielbetrieb für diese Saison überhaupt einstellen, weist Karabegovic zurück. „Es ist gerade schwierig, klar“, sagt er. Aber: „Vorstand und ich sind uns einig, dass wir das durchziehen.“Auch dann, wenn in der Winterpause der ein oder andere Spieler des Kaders das Weite suchen sollte.
Sportvg Feuerbach – TSV Plattenhardt
Mit Torhüter-Sorgen waren die Stammheimer am Wochenende indes nicht allein. Auch der Tabellenführer TSV Plattenhardt kann bei diesem Thema mitreden. Für ihn verrichtete Kristian Grbic 85 Spielminuten lang zuverlässig seinen Dienst, ehe das dicke Ende kam. Einmal gemeckert, einmal höhnisch applaudiert – innerhalb von nur wenigen Sekunden schoss sich der 23-Jährige damit selbst ins Aus. Der Schiedsrichter zog nach Gelb auch gleich noch Gelb-Rot. Im erwähnten Gipfelduell am nächsten Sonntag mit der Spvgg Holzgerlingen wird Grbic also gesperrt fehlen. An seiner Stelle muss der Youngster Luca Flurer (19) ran.
Aber noch nicht genug: In der aktuellen Partie bei der Sportvg Feuerbach wurde der Meisterschaftsfavorit schließlich vollends durch ein Wechselbad der Gefühle geschickt. Gelang dem Kaderrückkehrer Mark Hörz (nach acht Wochen Schulterverletzungspause) erst noch trotz Unterzahl per Kopf der Ausgleich, so folgte in der Nachspielzeit der Knock-out. Endstand: 1:2 – die erste Niederlage unter dem Trainer Slobodan Markovic, nachdem dieser bislang auf eine annähernde Makellos-Bilanz von zehn Siegen und zwei Remis gekommen war. „Das tut weh, aber mehr hatten wir auch nicht verdient“, sagt der Coach. Seine Kritik: „Die Schärfe und das Feuer haben uns gefehlt.“
Der Gegner bot selbiges umso mehr. Oder, um es mit dem Markovic-Gegenüber Rocco Cesarano zu sagen: „Tolle Laufleistung, tolle Leidenschaft, tolle Zweikampfbilanz – tritt die Mannschaft so auf, kann sie in der Staffel jeden schlagen.“ Das Aber: Im bisherigen Saisonverlauf hat sie eben dies zu selten getan. Weshalb die Feuerbacher nun nicht wie ursprünglich erhofft im oberen Tabellendrittel stehen, sondern mitten im Abstiegskampf. Dort stellen die jetzigen Punkte einen ebenso unerwarteten wie höchst willkommenen Bonus dar. Zum definitiv rettenden zehnten Platz besteht immer noch eine Fünf-Zähler-Kluft.
Für den finalen Jubelsturm sorgte Amir Limani. Nach einem Slalomlauf seines Teamkollegen Numan Sensoy durch die Plattenhardter Abwehr netzte er flach ein. Zuvor hatte Hollyfild Bokilo die Cesarano-Elf mit einem Volleyschuss bereits sehenswert in Führung gebracht.
Spvgg Cannstatt – Spvgg Holzgerlingen
Fernapplaus erhalten die Feuerbacher dabei von der Spvgg Cannstatt. Für die Neckarstädter bedeutet das Ergebnis eine erfreuliche Zugabe zum eigenen Auftritt. Selbst starker 5:2-Sieger im Verfolgerduell mit dem Zweiten Holzgerlingen, ist ein drohendes Szenario abgewendet: von wegen vorzeitig praktisches Aus im Aufstiegsrennen. Bei nun nur noch vier Punkten Rückstand zur Spitze sind der Trainer Andreas Contino und sein Team dick zurück im Geschäft. Zugleich gelang ihnen nach dem vorangegangenen 3:4-Leistungsflop in Deckenpfronn die erhoffte Reaktion. „Die Mannschaft hat diesmal das gemacht, was ich von ihr verlangt habe. Sie hat ganz anders gekämpft und gearbeitet als zuletzt“, sagt Contino, der sich in der Schlussphase dann seinerseits nicht lumpen ließ. Als seinen Routinier Carsten Bauer Krämpfe plagten und auf der Cannstatter Ersatzbank aber bereits Ebbe war, wechselte der 36-Jährige sich kurzerhand selber ein.
Am Ende waren es fünf verschiedene Torschützen für Continos Elf, darunter der eigentliche Verteidiger Michael Ziegler nach einem furiosen Sprint übers komplette Feld, garniert mit zwei Doppelpässen und krönendem Torabschluss. Dass ein halbes Dutzend Leistungsträger fehlte, darunter der Ex-Profi Marcel Avdic (familiär bedingt in Polen) und der bisherige Topscorer Mehmet Karakus (Knöchelverletzung), steckte der Tabellendritte unbeeindruckt weg.
TSV Rohr – SV Vaihingen
Fünf Stück schenkte unterdessen auch der SV Vaihingen seinem Gegner ein. Opfer in seinem Fall: der Sportplatznachbar TSV Rohr. Im Schwarzbach-Derby feierten die Gäste einen 5:3-Erfolg, womit eine Serie hielt. Schief gegangen ist es für ihren Verein in dem Prestigeduell letztmals vor fünfeinhalb Jahren, damals, im Mai 2019, mit einem 2:4. Seitdem sind fünf Vaihinger Siege und drei Unentschieden gefolgt, was der Trainer Jeremiah Geywitz allerdings recht unaufgeregt sieht. Sein Kommentar zur aktuellen Partie: „Vom Tabellenstand her eine Pflichtaufgabe. Die haben wir gemeistert. Haken dahinter, fertig.“
Geywitz’ zwei Knipser vom Dienst klärten die Verhältnisse. Zweimal Fabijan Krpan mit seinen Saisontoren 21 und 22, zweimal David Hug mit seinen Saisontoren zehn und elf. Letzterer schnürte einen Strafstoß-Doppelpack und räumte so fürs Erste mit einem leidigen Kapitel auf. In ihren vorigen Pflichtspielen der laufenden Runde hatten die Vaihinger bereits drei Elfmeter versemmelt. „Bisher nicht gerade unsere Königsdisziplin“, sagt Geywitz.
Grimmig indes der Einwurf seines Rohrer Amtskollegen Klaus Kämmerer hierzu. „Am Ende waren wir am Drücker“, sagt er, „dann lässt sich der Gegner im Strafraum fallen und schreit – eine Fehlentscheidung.“ Freilich, allein darauf will Kämmerer die Niederlage nicht schieben. Fakt ist für ihn ebenso: „Wir haben gerade die Geschichte, dass wir uns durch individuelle Aussetzer immer wieder selbst um Punkte bringen.“ Symptomatisches Beispiel: Beim 1:1-Ausgleichsgegentor rannten sich seine Verteidiger Denis Antonov und Daniel Johne mehr oder weniger gegenseitig über den Haufen. Ein Slapstick-Crash, nach welchem die Begegnung kippte.
ABV Stuttgart – TSV Münster
In der Tabelle sind die Rohrer nun Viertletzter, gefolgt vom ABV Stuttgart, der für den Moment allerdings durchatmet. Beim 3:1-Sieg im Heimspiel gegen den TSV Münster waren für die Degerlocher nicht nur die drei Punkte wichtig, sondern auch die erkennbare Tatsache: „Mensch, wir können es ja doch noch“, wie der Kapitän Leon Pachonick sagt. Er trug sich ebenso wie Blessing Omoregie und Robin Köberle in die Torschützenliste ein. Nach fünf Spieltagen also wieder ein ABV-Erfolgserlebnis, das auch verdient gewesen sei. „Wir waren giftiger, hatten mehr Spielanteile und auch bessere Chancen“, sagt Pachonick.
Dem kann der Münsterer Coach Stefan Schuon nur zustimmen. Sein Team sei dieses mal deutlich schwächer aufgetreten als in den Vorwochen. Einzig in den zehn Minuten direkt nach der Pause konnte Schuon bei den Seinen die richtige Körpersprache erkennen. In dieser Phase hatte Awoundza Etogo Essama den Ausgleich auf dem Fuß, traf aber nur den Pfosten. „Das wäre vielleicht der Gamechanger gewesen, danach war aber wieder alles beim Alten“, hat Schuon erkannt.
VfL Herrenberg – Croatia Stuttgart
Bleiben aus Stuttgart/Filder-Sicht noch die zwei Mannschaften, bei denen die Formkurve gerade steil nach unten geht. Sowohl Croatia Stuttgart als auch der TSV Musberg kassierten nach vorherigen Hochphasen nun ihre dritte Pflichtspielniederlage in Serie. Der Aufsteiger musste beim VfL Herrenberg gar eine 1:6-Schlappe hinnehmen. Für den Croatia-Coach Mirko Sapina jedoch nicht verwunderlich, mahnt er den dünnen Kader doch schon seit Saisonbeginn an: „Die positive Serie von sechs Siegen hat die personelle Situation irgendwie übertüncht, nun schlägt sie voll durch“, konstatiert er. Konkret bezogen auf den aktuellen Spieltag: Die Partie der zweiten Mannschaft wurde verlegt, damit die Erste die Bank füllen konnte. In der Startelf standen zwar Spieler aus dem Kader des A-Teams, aber Leistungsträger wie Mario Mamusa (spielt mit Schmerztabletten), Nenad Stevanovic oder der Torjäger Duje Tokic quälten sich angeschlagen über den Platz.
Für Tokic war dann bereits nach 37 Minuten Schluss. Es ging nicht mehr. Zudem hat der ehemalige Junioren-Bundesliga-Spieler Dominik Kajinic aus beruflichen Gründen seit Wochen nicht trainiert. „Wir kommen auf dem Zahnfleisch daher, sind froh, wenn Winterpause ist“, sagt Sapina. Seine Beobachtung: „Alle Dämme brachen, wir hätten auch zehn Stück kassieren können.“
TSV Musberg – SV Deckenpfronn
Und der TSV Musberg? Der unterlag zuhause dem SV Deckenpfronn 1:4. Die Gründe liegen dabei auch für seinen Trainer auf der Hand. Die Geradlinigkeit und Gefahr im letzten Drittel seien seinem Team abhanden gekommen, sagt Denis Kühnle. Vor allem im ersten Abschnitt habe man Ball und Gegner kontrolliert. Jedoch: Mehr als der zwischenzeitlichen Ausgleich durch Marc Wiederoder sprang nicht heraus. Demgegenüber erkannte Kühnle beim Gegner eine „unheimliche Effizienz, die uns aktuell abgeht“. Oder anders gesagt: Die Gäste lauerten auf Musberger Missgeschicke – die dann auch folgten. Zwei Fehler, unter anderem verlor Ruben Pinheiro Martins im Dribbling den Ball, nahm der Vorjahresvizemeister der Bezirksliga Böblingen/Calw dankend an. Ein anderes Tor resultierte aus einem Eckball. Vermeidbar? „Schwer, die haben gleich mehrere Hünen in ihren Reihen“, staunt Kühnle. Der eigene K. o. erfolgte schließlich im Eilzugtempo – mit drei Gegentreffern innerhalb von neun Minuten.
Die Statistik zum 16. Spieltag
Sportvg Feuerbach – TSV Plattenhardt 2:1. Tore: 1:0 Bokilo (58.), 1:1 Hörz (88.), 2:1 Limani (90.+2). Besonderes: Gelb-Rot für Grbic (Plattenhardt, 85.)
SV Oberjesingen – Türkischer SV Herrenberg ausgef. Tore: – . Besonderes: Begegnung wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt
TSV Musberg – SV Deckenpfronn 1:4. Tore: 0:1 Wolf (29.), 1:1 Wiederoder (34.), 1:2 Christmann (52.), 1:3 Völler (58.), 1:4 Wolf (61.). Besonderes: –
Spvgg Cannstatt – Spvgg Holzgerlingen 5:2. Tore: 1:0 Maringolo (21.), 2:0 Caruso (30.), 3:0 Geidies (45.), 3:1 Kempf (45.+1), 4:1 Hasanaj (49.), 5:1 Ziegler (82.), 5:2 Hamann (85.). Besonderes: –
TSV Rohr – SV Vaihingen 3:5. Tore: 1:0 Lapeschi (18.), 1:1 Ferrari (19.), 1:2 Krpan (32.), 1:3 Hug (42., Foulelfmeter), 2:3 Schürg (45.), 2:4 Krpan (49.), 3:4 Schmidt (85.), 3:5 Hug (90., Foulelfmeter). Besonderes: –
ABV Stuttgart – TSV Münster 3:1. Tore: 1:0 Omoregie (18.), 2:0 Köberle (65.), 3:0 Pachonick (82.), 3:1 Jaus (90.+2). Besonderes: –
VfL Oberjettingen – SV Bonlanden ausgef. Tore: – . Besonderes: Begegnung wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt. Neuer Termin: Donnerstag, 28. November
VfL Herrenberg – Croatia Stuttgart 6:1. Tore: 1:0 Kennke (9.), 2:0 Özkan (27.), 2:1 Mamusa (43.), 3:1 Kennke (52.), 4:1 Lutz (60., Foulelfmeter), 5:1 Atis (67.), 6:1 Inanc (68.). Besonderes: –
TV Echterdingen II – SC Stammheim ausgef. Tore: – . Besonderes: Spielabsage von Stammheimer Seite aufgrund von Personalproblemen