Die Zahl der Kandidaten für die Aufstiegsrelegation wächst. Derweil hadert der Cannstatter Trainer Eisenhardt mit sich selbst und widerfährt dem Toptorschützen der Staffel etwas mit Seltenheitswert.
Das Wort zum Sonntag sprach Mirko Sapina, der Trainer von Croatia Stuttgart: „Diese Liga ist verrückt.“ Und das nicht nur wegen des Plattenhardter 8:0-Ausrufezeichens im Gipfelduell (Spielbericht: siehe hier). Auch sonst hatte es der aktuelle Spieltag in sich. 49 Tore in den neun Begegnungen bedeuten die Einstellung des bisherigen Saisonrekords. Die großen Gewinner im Schatten des enteilenden Spitzenreiters sind dabei eben Sapinas Kicker sowie der SV Vaihingen. Bei beiden darf spätestens seit diesem Wochenende gerechnet werden: Was geht in Richtung Platz zwei? Welche Rolle liegt damit noch im Aufstiegsrennen drin?
Croatia Stuttgart – Spvgg Cannstatt
Für Croatia Stuttgart sind es jedenfalls nur noch drei Punkte Abstand, nachdem der Aufsteiger das Verfolgerduell mit der Spvgg Cannstatt 2:1 gewonnen hat. Auch das gehört für Sapina zu den verrückten Sachen, hat seine Mannschaft auf der Achterbahn der Gefühle doch gerade mal eine Woche zuvor noch ganz anderes erlebt. Aber dem „ärgerlichen und unnötigen“ 3:4 von Oberjettingen folgte nun „eine gute Reaktion“, wie Sapina es nennt. Der Neuzugang Dino Dzakmic sowie Duje Tokic mit seinem 15. Saisontor drehten die aktuelle Partie letztlich verdient für die Gastgeber, während auf der Gegenseite der Sapina-Amtskollege Christopher Eisenhardt Asche übers eigene Haupt streut. Für ihn steht fest: „Die Niederlage muss ich ein Stück weit mir selbst zuschreiben.“
Hätte er doch mal besser auf sein Bauchgefühl gehört. Jenes sagte Eisenhardt: schon zur Pause wechseln, was er dann aber doch noch um einige Minuten verschob – mit verhängnisvollen Folgen. Der gelb-belastete Hani Ajolbek, von seinem Coach bereits zum Austauschkandidaten bestimmt, leistete sich ein weiteres Foul und sah die Ampelkarte. „Das“, sagt Eisenhardt, „hat alles über den Haufen geworfen“. Fortan in Unterzahl, nahm das Verhängnis für die Cannstatter seinen Lauf. Und wenn es dann schon mal am glücklichen Händchen fehlt, auch noch dies: Der schließlich tatsächlich eingewechselte Al Baara Al Hariri war noch keine 60 Sekunden auf dem Platz, als er einen Fehlpass in die Füße des Croatia-Torschützen Tokic spielte. Jener nutzte dieses Geschenk eben zum Siegtreffer.
Ironie des Schicksals: In der Tabelle verbessern sich Eisenhardt und die Seinen dennoch auf den erwähnten zweiten Rang. Die nun bessere Tordifferenz gegenüber der spitzenspielgeschädigten Spvgg Holzgerlingen macht es möglich.
SV Vaihingen – Sportvg Feuerbach
Eher heimlich, still und leise aus der Tiefe des Geschehens kommt derweil der SV Vaihingen. Der ist nach seinem 5:2 gegen die Sportvg Feuerbach zwar weiterhin „nur“ Sechster. Aber: Die Schwarzbachkicker haben noch das inzwischen für den 25. März terminierte Nachholspiel gegen den TSV Musberg. Rollt der einstige Landesligist das Feld also von hinten auf? Der Trainer Jeremiah Geywitz hätte nichts dagegen. „Wir wollen noch rankommen. Dafür arbeiten wir“, sagt er. Und damit auch für eine Rückkehr in die sportliche Normalität, so schwer es auch unverändert fällt.
Das Liga-Heimspiel am Sonntag war das erste seit dem Tod des Torhüters Lukas Moser vom November. Die Vaihinger traten mit Trauerflor an. Es gab eine Gedenkminute.
Fußballerisch wurde es dann erst in der Endphase eine klare Angelegenheit. Nach einer halben Stunde noch überraschend in Rückstand, drehte der Favorit zuletzt auf. Und das auch ohne die Leistungsträger Max Schilling (krank) und Nick Rudloff (Bänderverletzung im Sprunggelenk). Und, eine Begebenheit mit Seltenheitswert: zudem ohne Treffer von Fabijan Krpan. Der Führende der Schützenliste ging im 19. Saisonspiel seiner Mannschaft erst zum dritten Mal leer aus. „Eine Durststrecke“, witzelt Geywitz, „aber ich bin zuversichtlich, dass er sie bald wieder beendet“. Vielleicht ja schon am nächsten Sonntag, wenn es zum Tabellenführer nach Plattenhardt geht.
Halb Zufriedenheit, halb Hadern dagegen beim Gegner. „Wir haben alles investiert und einen guten Fight abgeliefert“, sagt der Feuerbacher Trainer Rocco Cesarano. Aber: was wäre wohl möglich gewesen, hätte Marin Pranjic beim Stand von 2:3 nicht die laut Cesarano „1000-prozentige“ Ausgleichschance vergeben? Der Youngster zielte daneben.
TV Echterdingen II – TSV Rohr
Das eigentliche Team der Stunde heißt indes weder Plattenhardt noch Croatia oder Vaihingen – sondern TV Echterdingen II. Der Klassenneuling steht inzwischen bei sechs Siegen in Serie. Den TSV Rohr degradierte er beim aktuellen 6:0 zum Sparringspartner. „Eine super konzentrierte Leistung der Mannschaft – und ein entspannter Tag für unseren Torhüter“, konstatiert der Trainer Martin Kittelberger, der in einem Reservisten der vergangenen Monate seinen diesmal Besten hatte. Sutpaseat Mischa Inthasane, seit August zum ersten Mal wieder in der Startelf, traf doppelt und holte zudem den Elfmeter zur Führung heraus.
Mit eben diesem, verursacht von Chris Brucker, ging es für die Gäste erneut bergab. Passend zu deren momentaner Situation das folgende Missgeschick von Denis Antonov, der den Ball beim Abwehrversuch in die eigenen Maschen grätschte. In zwei Spielen seit der Winterpause haben die Rohrer nun 13 Gegentore kassiert. In Anbetracht zehn krank oder verletzt fehlender Kicker sagt der Trainer Klaus Kämmerer: „Fürs Erste geht es nur noch darum, dass die Jungs den Spaß nicht komplett verlieren.“ An ein erneutes Happy End namens Klassenverbleib können an der Dürrlewangstraße selbst größte Optimisten kaum mehr glauben. Der Rückstand zu Platz zwölf, voraussichtlich der Relegationsrang, ist auf elf Zähler angewachsen.
SV Bonlanden – TSV Musberg
Für die einen spielt die Liga verrückt, für Carmine Napolitano vom SV Bonlanden und seinen Trainerkollegen Denis Kühnle vom TSV Musberg der Fußball im Allgemeinen. So lautet das gemeinsame Fazit nach dem 4:1-Sieg der Bonlandener im Filderduell. Während Napolitano „einen schlechteren Auftritt mit glücklicherem Ausgang“ der Seinen im Vergleich zur Vorwoche sah, als man klar besser gewesen sei, beim ABV Stuttgart aber 1:3 unterlag, haderte Kühnle mit der Chancenverwertung und dem Verhalten in der Defensive. Vorne hätten sich seine Akteure einige gute Chancen erarbeitet, aber nur ein Tor erzielt – Schütze war Marius Nita – und hinten sich durch einfache Fehler „selbst auf die Verliererstraße gebracht“, ärgert sich Kühnle, der auf die Zug-Brüder (Lukas im Urlaub, Elischa gesperrt) sowie Manuel Rath (Zerrung) verzichten musste. Zudem wurde zwischen den Pfosten improvisiert. Pascal Runge fehlte urlaubsbedingt, Marius Balle winkte wegen einer Oberschenkelzerrung beim Warmlaufen ab. Die Lösung hieß Fabian Zink aus der zweiten Mannschaft. Dieser kassierte dann auch noch ein Eigentor von Georgios Kessapidis zum 0:3. Übrigens das einzige Hausherren-Tor, bei dem Jonathan Baur seine Füße nicht im Spiel hatte. Die Führung besorgte er per 18-Meter-Freistoß, bei den Toren von Agonis Berisha und Daniele Sinesi war er als Zulieferer beteiligt.
TSV Münster – SV Oberjesingen
Mit viel Engagement weiter von der Abstiegsregion entfernen, das war der Plan des TSV Münster im Heimspiel gegen den bisherigen Vorletzten SV Oberjesingen. Bei der Last-Minute-2:3-Niederlage ging der Plan auch lange auf, bis „nach dem Anschlusstreffer der Gäste in der 71. Minute plötzlich gar nichts mehr bei uns zusammenlief“, sagt der Co-Trainer Volker Seyfert, der seinen grippekranken Chef Stefan Schuon vertrat. Durch einen Doppelschlag von Kevin Sholabomi waren die Gastgeber auf Kurs zweiten Sieg in Serie, hatten alles im Griff, bauten aber nach dem Gegentor in ähnlicher Weise ab wie die Gäste zulegten. Ihnen gelang in der sechsten Minute der Nachspielzeit per Foulelfmeter der Lucky Punch. Ein gerechtfertigter Strafstoß? „Ein Kann-, aber Muss-Nicht-Elfer, so wie unserer auch“, sagt Seyfert.
VfL Herrenberg – ABV Stuttgart
Rückschlag auch für den ABV Stuttgart. Die Degerlocher verpassten durch die 2:3-Niederlage beim VfL Herrenberg, bis auf vier Punkte zum Relegationsplatz aufzuschließen. Die Zuversicht in Sachen Klassenverbleib überwiegt beim Blick auf die bisherigen drei Pflichtspiele in 2025. „Sechs Punkte sind eine gute Ausbeute“, sagt der Kapitän Leon Pachonick. Ärgerlich in der hitzigen Partie sei eine ungeahndete Tätlichkeit eines Herrenberger Akteurs in der Anfangsphase gewesen. Bei einem Einwurf habe dieser ihm den Ball aus der Hand schlagen wollen und ihn im Gesicht getroffen. „Ich habe einen blutigen Kratzer davongetragen, die zwingende Rote Karte blieb aber aus“, konstatiert der Kapitän. Pachonick war es auch, der für den ABV ausglich, ehe jener durch Robin Köberle sogar in Führung ging. Dann aber nutzten die Gastgeber einen Fehler von Schlussmann Christopher Smith und drehten das Spiel noch.
SC Stammheim – VfL Oberjettingen
Nichts Neues beim SC Stammheim, zumindest was das Resultat anbelangt. Das 3:6 zuhause gegen den VfL Oberjettingen bedeutete die 20. Niederlage im 20. Spiel. Wobei der Trainer Stefan Diesing „viel Positives“ gesehen hat und es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis der erste Punkt geholt werde. Dieses Mal waren die Seinen schon nah dran. Durch Tore von Diem Palenfo, Nikitas Skordoulis und Arlind Tuzi führten sie mit 2:0 sowie 3:2 und verpassten es dann, den Vorsprung auszubauen. Gegen Ende ließen die Kräfte nach, und so gelangen den Gästen ab der 87. Minute noch drei Treffer.
Die Statistik zum 20. Spieltag
TV Echterdingen II – TSV Rohr 6:0. Tore: 1:0 Smiljic (13., Foulelfmeter), 2:0 Antonov (17., Eigentor), 3:0 Smiljic (48.), 4:0 Inthasane (69.), 5:0 Inthasane (76.), 6:0 Gaspar (87.). Besonderes: –
SV Vaihingen – Sportvg Feuerbach 5:2. Tore: 1:0 Ferrari (7.), 1:1 Potsou (20.), 1:2 Benakovic (27.), 2:2 Stockbauer (43.), 3:2 Lucas Moser (60.), 4:2 Huhnke (90.), 5:2 Hug (90.+3). Besonderes: Gelb-Rot für Nyamuisi (Feuerbach, 87.)
TSV Münster – SV Oberjesingen 2:3. Tore: 1:0 Sholabomi (45.+2, Foulelfmeter), 2:0 Sholabomi (50.), 2:1 Vogel (71.), 2:2 Kotte (86.), 2:3 Metzger (90.+6, Foulelfmeter). Besonderes: –
SV Bonlanden – TSV Musberg 4:1. Tore: 1:0 Baur (10.), 2:0 Berisha (30.), 3:0 Kessapidis (44., Eigentor), 3:1 Nita (50.), 4:1 Sinesi (85.). Besonderes: –
Croatia Stuttgart – Spvgg Cannstatt 2:1. Tore: 0:1 Hasanaj (10.), 1:1 Dzakmic (10.), 2:1 Duje Tokic (60.). Besonderes: Gelb-Rot für Ajolbek (Cannstatt, 54.)
VfL Herrenberg – ABV Stuttgart 3:2. Tore: 1:0 Egeler (5.), 1:1 Pachonick (13.), 1:2 Köberle (48.), 2:2 Inanc (59.), 3:2 Egeler (69.). Besonderes: rote Karte für Omoregie (ABV Stuttgart, 90.+2/grobes Foulspiel). Köberle (ABV Stuttgart) verwandelt selbst geschossenen Foulelfmeter im Nachschuss (48.).
SC Stammheim – VfL Oberjettingen 3:6. Tore: 1:0 Diem Julien Palenfo (6.), 2:0 Skordoulis (26.), 2:1 Kravoscanec (37.), 2:2 Seeger (39.), 3:2 Tuzi (50.), 3:3 Seemann (57.), 3:4 Seeger (87.), 3:5 Flister (90., Foulelfmeter), 3:6 Flister (90.+2). Besonderes: –
SV Deckenpfronn – Türkischer SV Herrenberg 1:0. Tore: 1:0 Wunsch (53.). Besonderes: –
Spvgg Holzgerlingen – TSV Plattenhardt 0:8. Tore: 0:1 Göcer (3.), 0:2 Servi (4.), 0:3 Perhanidis (23.), 0:4 Perhanidis (27.), 0:5 Servi (43.), 0:6 Moll (74.), 0:7 Moll (77.), 0:8 Gyselincks (79.). Besonderes: Gelb-Rot für Trainer Slobodan Markovic (Plattenhardt, 50.)