Wer hätte es gedacht? Sechsmal Vaihinger Torjubel im Duell der Mitfavoriten. Zweiter von links: der Doppeltorschütze Niko Kemner. Foto: Günter Bergmann

Der TSV Jahn Büsnau und der SV Vaihingen lassen es am 6. Spieltag krachen. Derweil verliert der TSV Musberg auch wegen eines Blitzgenesenen seine Tabellenführung.

Das Wort zum Sonntag sprach der Botnanger Trainer Alexander Schweizer: „Völlig verrückt. Sehr, sehr komische Ergebnisse.“ Wohl wahr. Auch am sechsten Spieltag ist die Fußball-Bezirksliga Stuttgart/Böblingen ihrem Ruf als Überraschungsei gerecht geworden. Wer hätte gedacht, dass der SV Vaihingen im Mitfavoritenduell der Spvgg Cannstatt gleich sechs Stück einschenkt? Oder dass der vermeintlich angriffsgeschwächte Aufsteiger TSV Jahn Büsnau gar einen Achterpack schnürt? Schon eher erwartbar dagegen die verlorene Tabellenführung des TSV Musberg nach Saisonniederlage Nummer eins – und dass es für den erwähnten Coach Schweizer und dessen Mannschaft ein ganz besonderes Wochenende geworden ist. Stichwort 5635 Tage.

 

ASV Botnang – VfL Herrenberg

15 Jahre und fünf Monate oder umgerechnet eben 5635 Tage – so lange war es her, dass der ASV Botnang in der Bezirksliga letztmals ein Spiel gewonnen hatte. 2. Mai 2010, ein 1:0 gegen den TSV Plattenhardt II, ehe damals der Abstieg folgte. Nun, nach gefühlter Endlos-Durststrecke, hat sich der Kreis geschlossen. Im sechsten Anlauf seit der diesjährigen Liga-Rückkehr hat es endlich geklappt, und zwar mit dem gleichen Resultat. „Erleichterung bei allen“, sagt der Trainer Schweizer nach dem aktuellen Sieg gegen den VfL Herrenberg, verbunden mit der Hoffnung, „dass der Dominostein damit umgekippt ist“. Sprich: seine Mannschaft nun überhaupt ins Rollen kommt.

Es ist ja nicht so, dass sich Schweizers Kicker in den vorangegangenen Spielen schlecht präsentiert gehabt hätten. Gefehlt hatte immer nur ein Tick. Diesmal aber verteidigten sie einen knappen Vorsprung laut Coach „mit viel Leidenschaft“ über die Zeit. Ein Elfmetertreffer aus der ersten Hälfte sollte reichen. Ari Ilhan wurde als Schütze zum Matchwinner, nachdem der Gästetorhüter Ilyasse Hibaoui zu Fall gebracht hatte.

TSV Jahn Büsnau – TV Echterdingen II

Egal sein konnte es den Botnangern unter diesen Umständen, dass es einer ihrer Mitaufsteiger noch ganz anders krachen ließ, wenn auch begleitet von Schweizers ungläubigem Blick aufs Ergebnis-Tableau. TSV Jahn Büsnau gegen TV Echterdingen II: 8:2. Nein, kein Druckfehler. Die Begegnung endete tatsächlich so. Kneifen dürfen sich all jene, die gedacht hatten, dem Klassenneuling vom Adolf-Engster-Weg drohte ein Angriffsproblem. Schließlich hatte der Verein im Sommer seinen Toptorjäger Cedric Hornung (zum Landesligisten SV Böblingen) verloren und kehrt der zweite Ballermann, Sebastian Lenhardt, erst an diesem Montag aus dem Neuseeland-Urlaub zurück.

Die Realität aber lautet: sechs Spiele, insgesamt schon 22 Tore, Tabellenplatz zwei. Die Büsnauer rocken die Liga. Und die Torfabrik der vorigen Meistersaison produziert auch in personell anderer Besetzung einfach weiter. „Ein megageiler Kick“, jubelt der sportliche Leiter Ralf Lenhardt nach dem Offensivspektakel vom Sonntag. Schon Marc Hetzels Traumtreffer deutete an, dass etwas gehen wird. Der 26-Jährige krönte einen Slalomlauf durch die gegnerische Abwehr mit einem Flachschuss ins Netz. Dann, als Philipp Neils nur Sekunden nach Wiederanpfiff Tor Nummer vier nachlegte, spielte die Mannschaft sich in einen Rausch.

Oder, umgekehrt betrachtet, „sind bei uns alle Dämme gebrochen“, wie Sascha Blessing, Teil des Echterdinger Trainertrios, bedröppelt konstatiert. „Dass wir uns so gehen lassen, ist bitter und tut weh“, sagt er mit Blick aufs eigene Team. Da war auch das Fehlen des Knipsers Flon Ajvazi keine ausreichende Entschuldigung mehr. Letzterer half bei der ersten Mannschaft aus – und setzte dort seine Torserie fort.

Auch bei der Frage, wann eine Echterdinger „Zweite“ in einem Ligaspiel zuvor einmal eine solche Schlappe erlitten hatte, muss man in den Statistikbüchern weit zurückblättern. Zwar keine 15 Jahre wie in Botnang, aber immerhin sieben. Im November 2018 gingen die Gelb-Schwarzen im Derby gegen den TSV Musberg mit 0:7 unter, seinerzeit noch in der Kreisliga A.

TSV Musberg – Spvgg Holzgerlingen

Besagter TSV Musberg gehört nun ebenfalls zu den Verlierern des Wochenendes. Nach sieben niederlagenlosen Pflichtspielen (Liga plus Pokal) unter seinem neuen Trainer Christopher Eisenhardt hat es den bisherigen Überraschungsspitzenreiter erwischt. Im Heimspiel gegen den seinerseits schlecht in die Runde gestarteten Vizemeister Spvgg Holzgerlingen kosteten zwei späte Gegentore den nächsten Sieg. Endstand: 1:2, Tabellenführung damit futsch. Neuer Erster ist der Landesliga-Absteiger TV Darmsheim.

Doch hält sich die Enttäuschung am Turnerweg in Grenzen. „Uns war klar, dass wir irgendwann auch mal wieder verlieren“, sagt Eisenhardt. So etwas gehöre in einem Entwicklungsprozess dazu. Und so geerdet waren im Verein trotz sportlichem Höhenflug alle Beteiligten geblieben. Ärgerlich freilich schon, dass die Begegnung nach Manuel Raths bereits siebtem Saisontreffer noch kippte. Zuletzt wurden eine einzige Strafraum-Unaufmerksamkeit, als Franc Cagalj seinen Gegenspieler aus den Augen verlor, und ein Gästekonter zum Verhängnis.

„Holzgerlingen hat da halt auch die nötigen Qualitätsspieler“, weiß Eisenhardt. Beispiel Julius Hamm, der zum Ausgleich traf. Eigentlich war der 29-Tore-Akteur der vergangenen Saison nach einer Schulteroperation als Langzeitausfall angekündigt, tendenziell für die komplette Hinrunde. Nun mischt er doch bereits wieder mit.

SV Vaihingen – Spvgg Cannstatt

In puncto Blitzgenesung ist Hamm indes nicht allein. Auch die Spvgg Cannstatt hat einen Schnellrückkehrer in ihren Reihen, quasi vom Krankenhausbett auf den Fußballplatz. Eine zweite Untersuchung hat für den Keepers Rafael Busic Entwarnung gebracht: kein Fingerbruch, nur ein Haarriss. Dass es für ihn und seine Kollegen dennoch ein schwarzer Nachmittag wurde, hat einen anderen Grund: Im Spiel beim SV Vaihingen schlug es sechsmal in Busics Kasten ein. Das mit Spannung erwartete Mitfavoritenduell entpuppte sich als einseitige Angelegenheit. Die Gäste gingen mit 2:6 unter. Nur schwacher Trost dabei für den Mann im Tor: An ihm lag es nicht. „Der Gegner war auf den Punkt da, wir nicht“, bilanziert der Cannstatter Trainer Damian Nagler knapp.

Galligkeit, Aggressivität, Siegeslust – am Ende war es ein klarer Vaihinger Sieg in allen Rubriken. Oder besser gesagt: eine Machtdemonstration? Ein Signal an die Spitzenplatz-Konkurrenz? Eine solche Interpretation hielte der Gewinner-Coach Tim Schumann für verfrüht. „Drei, vier weitere Spiele noch, dann wir man sehen, wo es hinläuft“, sagt er. Einstweilen stimmt die Richtung wieder, nachdem Schumann sein Team nach der vorherigen 2:5-Pleite in Echterdingen auf Basiswerte wie „Zweikampfwillen und hohe Laufbereitschaft“ getrimmt hatte.

Zwischendurch zeichnete sich sogar ein noch größeres Debakel für den Gegner ab. Nach gut einer halben Stunde stand es bereits 4:0. Die spielfreudigen Zugänge Niko Kemner (USA-Rückkehrer) und Rüchan Pehlivan (vom FV Neuhausen) trugen sich je zweimal in die Schützenliste ein.

SV Deckenpfronn – SV Bonlanden

Eine Ausbeute, ob der man andernorts neidisch werden könnte, zum Beispiel beim SV Bonlanden. Aufseiten des ursprünglichen Titelkandidaten hält die Suche nach dem Leistungsdurchbruch an. Immerhin aber erkennt der Trainer Carmine Napolitano im 0:0 beim SV Deckenpfronn einen Fortschritt. Diesmal defensiver ausgerichtet, hielten die Seinen dicht. „Wir hatten uns vorgenommen, dass die Null stehen muss“, sagt der Coach. Auftrag insoweit erfüllt. Augenzwinkender Zusatz: „Vielleicht hätte ich explizit sagen müssen, dass nur hinten.“

Nach vorne war Flaute. Die beiden besten Chancen vergab Lukas Tschentscher frei vor dem Tor. Zum ersten Mal wieder in der Startelf stand der Ex-Profi Giancarlo Pinna. Er hat eine Mittelfußprellung auskuriert.

SV Rohrau – Croatia Stuttgart

In der Tabelle, wer hätte auch dies gedacht, stehen die Bonlandener Seite an Seite mit Croatia Stuttgart – beide im Keller, Abstiegszone. Eben die Kroaten haben ihren unliebsamen Ruf als Unentschieden-Könige gefestigt. Das aktuelle 1:1 in Rohrau war für sie im sechsten Spiel das bereits fünfte Remis, flankiert von wachsender Unzufriedenheit. „Ich glaube, langsam ist das auch eine Kopfsache“, sagt der Co-Trainer und Torhüter Mirko Perkovic, „wir wollen es zu sehr und verkrampfen.“ Der eine Treffer von Robert Maric, erzielt per 20-Meter-Kracher in den Winkel, war letztlich zu wenig für den ersehnten Befreiungsschlag.

Nächste Woche, nächster Versuch. Was Hoffnung macht: In dieser verrückten Liga mit den komischen Ergebnissen scheint noch immer alles möglich.

Die Statistik zum 6. Spieltag

TSV Jahn Büsnau – TV Echterdingen II 8:2. Tore: 1:0 Schneider (7.), 1:1 Kienzle (8.), 2:1 Hetzel (25.), 3:1 Manuschewski (29.), 4:1 Neils (46.), 5:1 Hetzel (60.), 6:1 Wences (70.), 7:1 Manuschewski (75.), 8:1 Prokein (77.), 8:2 Caliskan (85.). Besonderes: Gelb-Rot für Sapina (Echterdingen, 76.)

ASV Botnang – VfL Herrenberg 1:0. Tore: 1:0 Ilhan (36., Foulelfmeter). Besonderes: –

TV Darmsheim – SV Nufringen 7:0. Tore: 1:0 Schneider (16.), 2:0 Hirth (20.), 3:0 Lindner (28.), 4:0 Rothfuß (43., Eigentor), 5:0 Hirth (54.), 6:0 Zweigle (65.), 7:0 Lindner (68.). Besonderes: –

TSV Dagersheim – VfL Oberjettingen 3:1. Tore: 0:1 Free-tage (53.), 1:1 Dodoli (68.), 2:1 Krafft (89.), 3:1 Krafft (90.+3). Besonderes: –

SV Deckenpfronn – SV Bonlanden 0:0. Tore: – . Besonderes: –

TSV Musberg – Spvgg Holzgerlingen 1:2. Tore: 1:0 Rath (72.), 1:1 Hamm (78.), 1:2 Horn (87.). Besonderes: –

SV Rohrau – Croatia Stuttgart 1:1. Tore: 0:1 Maric (23.), 1:1 Müsel (26.). Besonderes: –

SV Vaihingen – Spvgg Cannstatt 6:2. Tore: 1:0 Kemner (1.), 2:0 Pehlivan (7.), 3:0 Pehlivan (33.), 4:0 Kemner (39.), 4:1 Haller (44.), 5:1 Hug (72.), 5:2 Krijestorac (75.), 6:2 Ferrari (90.+3). Besonderes: –