Auch wenn es nicht so aussieht: Julia Bosch hatte durchaus Spaß im Fitnessstudio Korbel. Foto: z/Stephan Pfaffinger

Ohne komplizierte Geräte, dafür Medizinbälle, Seile und Bodenmatten: So wie vor 100 Jahren sportelt man im Fitnessstudio Korbel in Stuttgart-Plieningen. Unsere Redakteurin Julia Bosch hat es ausprobiert und sich heftigen Muskelkater zugezogen.

Plieningen - Schon Stunden vorher habe ich Bauchschmerzen – obwohl ich noch keine einzige Bauchmuskel in Bewegung gesetzt habe. Ich will mir nicht eingestehen, dass ich tatsächlich solche Furcht vor dem einstündigen Training bei Julian Valentin Korbel habe und schiebe das Magengrummeln auf das Kantinenessen. Auf dem Weg zum Fitnessstudio in Plieningen kann ich das Muffensausen nicht mehr verdrängen. Obwohl ich regelmäßig Sport mache, fühle ich mich wie vor dem Zahnarztbesuch. Ich erinnere mich an den Spruch, der auf der Website von Julian Valentin Korbel steht: „No more Excuses!“; keine Entschuldigungen mehr. Und auch für mich gibt es kein Zurück, der Termin ist vereinbart. Also los.

Oberhalb der Autowerkstatt PS Garage am Wollgrasweg in Plieningen hat Julian Valentin Korbel (33) vor knapp vier Jahren sein ungewöhnliches Fitnessstudio eröffnet. Es gibt dort keine Geräte wie Bein- oder Brustpresse, dafür aber einen Lastwagenreifen, Medizinbälle und Kugelhanteln. Von der Decke hängen Ringe und Seile, außerdem sind mehrere reckähnliche Stangen im Boden befestigt. Im Fitnessstudio Korbel wird funktionelle Fitness trainiert, sprich: Der Athlet arbeitet vorwiegend mit seinem eigenen Körpergewicht und trainiert immer mehrere Muskelgruppen zugleich.

Eine Teilnehmerin trägt nur einen Sport-BH

„Funktionelle Fitness habe ich nicht neu erfunden, schon vor mehr als 100 Jahren haben beispielsweise russische Spezialeinheiten mit Kugelhanteln trainiert“, erklärt mir Julian Valentin Korbel. Er ist überzeugt von der ursprünglichen Fitnessart: „Bei einer Kniebeuge helfen beispielsweise 265 Muskeln mit, in der Beinpresse im Fitnessstudio sind es nur 60 Muskeln.“

Die übrigen Teilnehmer, mit denen ich die kommenden 60 Minuten das Zirkeltraining absolviere, sehen alle überdurchschnittlich sportlich aus. Eine blonde Frau trägt lediglich einen orangefarbenen Sport-BH zur grünen Leggings. Sie kann es sich leisten, ihr Sixpack ist unübersehbar, kein Gramm Fett ist zu sehen. Ein großer Mann mit dunklen Haaren scheint aus einer einzigen Ansammlung von Muskeln zu bestehen. Oh je, denke ich mir, worauf habe ich mich da nur eingelassen?

Zunächst rollen wir uns über eine Black Roll

Die Sportstunde beginnt ungewöhnlich: Zunächst schieben wir uns über sogenannte Black Rolls; die Rollen versprechen eine Selbstmassage der Muskeln und Faszien – dadurch soll der Muskelkater nach der Stunde geringer ausfallen. Danach geht es ans Eingemachte, das Zirkeltraining beginnt: Wir bauen zehn verschiedene Stationen auf, es gibt drei Durchgänge. Beim sogenannten „rope climb“ ziehen wir uns an Seilen hoch, beim „box push“ schieben wir Holzkästen mit darauf liegenden Gewichten hin und her, und beim „bar pull“ versuchen wir uns an Klimmzügen. Als Anfängerin nehme ich fast immer das leichteste Gewicht und muss auch keine echten Klimmzüge schaffen – zum Glück!

„Bei mir trainieren junge und ältere Menschen, Beginner und Leistungssportler. Alle müssen ihre eigene Belastungsgrenze erreichen, das ist die Herausforderung“, sagt Julian Valentin Korbel. Um jedem gerecht zu werden, dürfen in den Trainingseinheiten nur maximal zehn Teilnehmer mitsporteln. „Mir ist es wichtig, dass die Kunden sich nicht überfordert fühlen, sondern Spaß an dem Training haben. Nur dann kommen sie wieder – und darauf bin ich angewiesen, da es keine Fitnessstudio-Kette ist“, erläutert Korbel.

Der Muskelkater kommt

Mit einem Discount-Fitnessstudio kann man Fitness Korbel nicht vergleichen. Wer zweimal die Woche kommen will und einen Vertrag für ein Jahr abschließt, bezahlt 99 Euro im Monat. Dafür hat man die Garantie einer persönlichen Betreuung von qualifizierten Trainern mit mehrjähriger Berufserfahrung. Während des Zirkeltrainings kommt Julian Valentin Korbel immer wieder vorbei und korrigiert: Arme komplett ausstrecken! Mehr in die Knie! Füße weiter auseinander!

Knapp 60 Minuten später bin ich verschwitzt, außer Atem – und ziemlich stolz. Wir machen noch einige Dehnübungen, dann bin ich entlassen. Im Laufe des nächsten Tages spüre ich, wie der Muskelkater von Stunde zu Stunde stärker wird. Der nächste Tag ist noch schlimmer, alles schmerzt – offenbar hat die Black Roll nicht alles abwenden können. Am dritten Tag ist wieder alles gut. Wäre die Mitgliedschaft etwas günstiger oder mein Geldbeutel etwas praller gefüllt, ich wäre eine potenzielle Kundin im Fitnessstudio Korbel. So überlege ich mir, ob ich mir vielleicht eine Kugelhantel für zu Hause kaufe. Für einen Lastwagenreifen fehlt mir der Platz.