Seit Oktober hat sich Hansjörg Peters auf eine „Call-Center-Odyssee“ begeben, wie er es nennt. Ein Netz für sein Handy hat er in Schönberg trotzdem noch nicht. Foto: Julia Barnerßoi

Die einen wollen keinen neuen Handymasten, die anderen ihren zurück.

Stuttgart-Plieningen - Das Mobiltelefon liegt in der Küche zwischen Gießkanne und Blumentopf auf dem Fensterbrett. Nur dort findet Hansjörg Peters Handy ab und an ein Netz. Zum Telefonieren reicht es nicht. Meistens ist die Leitung ohnehin tot – und das seit Oktober. Wie berichtet, wurde damals die Telekom-Antenne aus dem Turm der Birkacher Franziskakirche abgebaut, seither sitzen die Kunden im Funkloch.

„Es ist einfach lästig“, fasst der 68-jährige Schönberger die Situation nach vier Monaten zusammen. In einer Großstadt dürfe es schlichtweg keine schwarzen Löcher mehr geben. „Die Telekom hat es schleifen lassen“, sagt Peters. Das Unternehmen wusste eineinhalb Jahre, dass der Vertrag mit der Kirche ausläuft, hat aber keinen Ersatzstandort gefunden. „Das ist ein Armutszeugnis für eine Weltfirma.“

Der Schönberger erzählt weiter von der Call-Center-Odyssee, auf die er sich begab. „Da sitzen nur Luschen“, sagt er nach den unzähligen Telefonaten. Einmal habe er einen Telekom-Mitarbeiter in einem Geschäftswagen entdeckt. „Dem bin ich bis nach Plieningen hinterhergefahren und habe ihn zur Rede gestellt“, erzählt Peters und muss selbst darüber schmunzeln, wozu ihn der Ärger verleitet hat.

Sogar Spiegel und Bild berichteten

Mit seiner Wut ist Peters nicht allein. Viele Nachbarn haben sich auf die Hinterbeine gestellt. Selbst „Der Spiegel“, die Bild-Zeitung und der SWR berichteten über die Wutbürger aus Birkach. Neben der Telekom war schnell noch ein Schuldiger gefunden: die Kirche. „Es ist das gute Recht der Kirche, die Antenne abzubauen“, sagt Peters. Ein Vertreter der Stuttgarter Gesamtkirchengemeinde hatte gesagt, dass die Kirche mit dem Schritt auch der ständigen Verfügbarkeit entgegenwirken wolle. „Die Aussage verurteile ich. Ich entscheide selbst, wann ich das Handy ausschalte“, sagt Peters. Nicht nur bei ihm lösten die Worte des Kirchenvertreters Empörung aus. Der Protest erreichte den Höhepunkt.

Der Ärger über Mastbau ist die Regel

Dass es Protest hagelt, weil ein Sendemast entfernt wird, ist ungewöhnlich. Anderes gilt für den Protest gegen neue Antennen. Beispiel Plieningen. Dort will Telefónica Germany seit Jahren einen 20-Meter-Masten fürs O2-Netz auf ein Feld bei der Schießhausstraße bauen. Bürger hatten Protest-Banner für ihre Gartenzäune gedruckt, Infoveranstaltungen arrangiert und einen Termin beim Bürgermeister ergattert.

Gerhard Hütter gehört zu denen, die nichts vom Standort an der Schießhausstraße halten. Vor ihm auf dem Tisch liegt, was sich über die Zeit angesammelt hat: Selbstgekritzeltes, Broschüren, Faltblätter. Hütter hat selbst ein Handy – von dem er auf Anhieb aber weder Nummer noch Anbieter nennen kann. Er sagt, er sei kein Handygegner. „Aber es braucht ein Standort-Konzept.“ Eine Passage zum Vorsorgeprinzip im Koalitionsvertrag der Landesregierung macht ihm Mut. Das Plieninger Feld sei schlicht ungünstig. Zu nah an einem geplanten Kindergarten, zu nah an den Häusern, zu hässlich fürs Ortsbild.

Letztlich half alle Gegenwehr nichts. Zwar hatte die Stadt Stuttgart die Baugenehmigung verwehrt, doch Telefónica Germany hat sie sich vor Gericht erstritten. Die Bagger lassen trotzdem auf sich warten. Der Betreiber erklärt dies damit, dass er sein Budget zwischenzeitlich anders verplant und ausgegeben hat. „Wir planen die Inbetriebnahme des Standortes in diesem Jahr“, teilt eine Firmensprecherin mit.

Seit es um den Handymasten ruhiger geworden ist, ist auch der Protest der Bürger abgeebbt. Doch Gerhard Hütter lässt keinen Zweifel daran: Sobald es einen Bautermin gibt, „geht es wieder los“, sagt der Plieninger. „Dann werden wir auf alle Fälle wieder eine Protestveranstaltung machen und die Straßen schmücken.“

Heute strahle doch alles

Hansjörg Peters aus Schönberg hält solche Proteste für „absolut überzogen“. Ob Küchengeräte, Fernseher oder Haarföhn – heutzutage strahle doch alles. „Wenn das wirklich so dramatisch gefährlich wäre“, sagt er, wäre der Aufschrei der Experten größer. Er jedenfalls fürchtet sich nicht. In seinem Keller steht sogar eine Hochfrequenzanlage fürs Internet, über die sich der Nachbar international mit Geschäftskunden vernetzt. Der modernen Kommunikation kann man sich nicht entziehen, sagt Peters. „Die Mode, gegen alles zu sein“, hält er für verschwendete Energie. „Man muss die Größe haben, Dinge zu akzeptieren, die man nicht ändern kann“, sagt er.

Hansjörg Peters kann sich noch gut an die Zeit erinnern, in der es nicht üblich war, überall erreichbar zu sein. Doch das ist heute auch für ihn Vergangenheit. Tablet-PC, Fernseher und Handy gehören für ihn dazu. Umso mehr fühle er sich derzeit „in meiner freien Kommunikationsbewegung beschnitten“. Dass jeder sein Dach für eine Antenne vermieten könnte, ist Peters klar. Was sein Haus betrifft, sagt er: „Das würde die Statik sicher nicht mitmachen.“ Abgesehen davon sieht er die Stadt in der Pflicht, ein Standort-Konzept zu erstellen. Wohl die einzige Forderung, bei der zwischen dem Schönberger Peters und dem Plieninger Hütter keine Funkstille herrscht.

Diskussion über Mobilfunk

Diskussion über Mobilfunk

Am 7. März veranstaltet die SPD-Ratsfraktion ein Fachgespräch zum Mobilfunk. Von 19 Uhr an geht es im Mittleren Sitzungssaal des Rathauses, Marktplatz 1, um die rasante Entwicklung und die Unwägbarkeiten. Mit dabei ist die Bundestagsabgeordnete Ute Vogt, Peter Hensinger von der Bürgerinitiative Mobilfunk Stuttgart-West, Hanswerner Jaroni vom Landesgesundheitsamt und der Baubürgermeister Matthias Hahn. Um Anmeldung wird gebeten, Telefon 2 16-6 06 70 oder E-Mail geschaeftsstelle.spd@stuttgart.de.